
© REUTERS/MURAD SEZER
Urlaub unter Flüchtlingen
Lesbos: Zwei Wienerinnen und ihre Kinder wollten einfach nur Inselurlaub machen. Jetzt erleben sie den Horror mit Meerblick.
Entspannen und Sonne tanken – davon träumten Anja Kaller und Regina Schabasser, als sie im Frühjahr für sich und ihre Kinder einen Urlaub auf Lesbos buchten. Da ahnten die Wienerinnen nicht, dass die Insel in der nördlichen Ägäis zum Krisen-Hotspot der aktuellen Flüchtlingswelle werden sollte. Derzeit stranden dort täglich Hunderte Menschen in Schlauchbooten, mehr als 11.000 Asylsuchende warten auf eine Fähre zum griechischen Festland.
Katastrophal
"Irgendwann war klar, was uns dort erwarten würde. Wir haben unseren Augusturlaub nicht storniert, sondern uns darauf eingelassen", sagt Kaller. Statt idyllischer Strandfotos postet sie auf Facebook nun ihre Eindrücke. Von Menschen, die im Freien übernachten müssen, ohne sanitäre Anlagen, medizinische Versorgung, Wasser, Nahrung. "Ich habe nicht damit gerechnet, wie viel Leid man hier sieht." Sie erzählt von hochschwangeren Frauen und von kleinen Kindern, die hoch fiebern, weil sie von den Strapazen erschöpft sind. Einzelschicksale: Der Mann, der aus dem Wasser gefischt wurde. "Sieben Stunden ist er im Meer geschwommen – er war aus dem Boot gekippt. Seine Kinder sind woanders angekommen, er sucht sie verzweifelt." Die Frau aus dem Boot, deren Baby – fast an Land – ins Meer fiel. "Ein griechischer Fischer konnte es retten, es lebt." Und all die vielen falschen Erwartungen: "Die Schlepper kassieren Geld, eine Schwimmweste kostet 400 Euro. Es wird ihnen versprochen, dass sie in einem Hotel einchecken dürfen, im Schlaraffenland Europa."

Kollaps
Nun aber scheint die Stimmung zu kippen, das System kollabiert. "Ich denke, es wird jetzt ernst, dieses Ausmaß hat hier noch keiner erlebt. In Mytilini sitzen die Menschen fest, in Molivos ebenso. Die Flüchtlinge dürfen nicht mehr weiterziehen, die privaten Helfer stellen ihre Hilfe ein, weil sie nur so ihre Mitbürger und den Gemeinderat von Molivos aufrütteln können." Dazu kommt der Vorwurf, die Flüchtlinge kämen nur, weil die Freiwilligen ihnen Essen geben würden. "Schwachsinn", sagt Kaller, "es kommen deshalb so viele, weil hier die engste Stelle zwischen der Türkei und Lesbos ist." Während sie am Telefon ihre Impressionen schildert, sieht sie im Minutentakt neue Schlauchboote landen. Mit Menschen, die nichts haben, außer ein bisschen Hoffnung.
Am Mittwoch geht es für Kaller und Schabasser nach Hause. Mit im Gepäck: traurige Urlaubserinnerungen. Und die brennende Frage "Wer hilft endlich?"
Jederzeit und überall top-informiert
Uneingeschränkten Zugang zu allen digitalen Inhalten von KURIER sichern: Plus Inhalte, ePaper, Online-Magazine und mehr. Jetzt KURIER Digital-Abo testen.