Sollecito nahe Grenze zu Österreich gestoppt

Ein Mann mit Sonnenbrille wird von Reportern unter Regenschirmen umringt.
Der wegen Mordes verurteilten Ex-Freund von Amanda Knox soll sich kurz in Kärnten aufgehalten haben.

Der wegen Mordes an der britischen Austauschstudentin Meredith Kercher zu 25 Jahren verurteilte Italiener Raffaele Sollecito ist in der Nacht auf Freitag nahe der österreichischen Grenze aufgehalten worden. Gemeinsam mit seiner 31-jährigen Freundin hielt er sich in einem Hotel in der friaulischen Ortschaft Venzone zwischen Udine und Tarvis auf. Mittlerweile hat er die Polizeikaserne in Udine, in der er seinen Pass abgegeben hat, wieder verlassen.

"Touristischer Rundgang" in Kärnten

Sollecito, der schon am Donnerstagnachmittag Friaul erreicht hatte, berichtete der Polizei, dass er einige Stunden in Kärnten verbracht habe. Den Polizisten erklärte er, dass er einen "touristischen Rundgang" unternommen hatte. Nach Österreich sei er mit dem Auto des Vaters seiner 31-jährigen Freundin gereist, die aus der Gegend von Treviso stammt. Gegen 1.00 Uhr habe er das Hotel in Venzone erreicht.

Das Hotel Carnia mit Restaurant liegt in einer grünen Landschaft.
epa04049283 An undated handout picture made available by the Hotel Carnia shows an exterior view of Hotel Carnia near the Austrian and Slovenian border in Venzone, Italy. Amanda Knox's former Italian boyfriend, Raffaele Sollecito, was reportedly apprehended by police at Carnia Hotel with his girlfriend, ANSA news agency said 31 January 2014. US student Knox and Italian Sollecito were found guilty of the 2007 murder of Briton Meredith Kercher, an Italian court ruled 30 January 2014. EPA/GLAUCO COMORETTO / HOTEL CARNIA / HANDOUT HANDOUT EDITORIAL USE ONLY/NO SALES/NO ARCHIVES
Die Polizei informierte den Ex-Freund der US-Amerikanerin Amanda Knox über das vom Gericht in Florenz verhängte Ausreiseverbot wegen Fluchtgefahr. Sein Pass sei eingezogen worden, Sollecito wurde in eine Polizeikaserne in Udine gebracht, bestätigte die Polizei in Udine. Der Italiener wurde nicht verhaftet, weil das Urteil vom Vorabend nicht rechtskräftig ist.

Das Berufungsgericht in Florenz hatte ihn und seine Ex-Freundin, die US-Amerikanerin Amanda Knox, am Donnerstag in zweiter Instanz schuldig gesprochen. Knox wurde in Abwesenheit zu 28 Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt. Es war bereits die vierte Entscheidung in diesem Fall.

Sollecitos Rechtsanwalt, Luca Maori, bestritt entschieden, dass sein Mandant nach Österreich flüchten wollte. Er wollte lediglich mit seiner Freundin den Nachmittag verbringen. Er sei freiwillig in die Polizeikaserne gegangen, um seinen Pass abzugeben. Sollecito beteuerte im Gespräch mit dem Rechtsanwalt seine Schuldlosigkeit. "Der Kampf, um meine Unschuld zu beweisen, geht weiter", sagte Sollecito. Er bleibt bis zum letztinstanzlichen Urteil frei.

Sowohl Sollecito als auch seine mit ihm verurteilte Ex-Freundin Amanda Knox wollen Einspruch gegen das am Donnerstagabend von einem Berufungsgericht in Florenz gefällte Urteil erheben.

Knox: Schuldspruch "ungerecht"

Eine Frau mit kurzen braunen Haaren sitzt an einem Tisch.
Amanda Knox sits alone before being interviewed on the set of ABC's "Good Morning America" in New York January 31, 2014. A Florence court upheld guilty verdicts for U.S. student Knox and her former Italian boyfriend Raffaele Sollecito on charges of murdering British student Meredith Kercher. REUTERS/Andrew Kelly (UNITED STATES - Tags: CRIME LAW)
Mit scharfer Kritik am italienischen Justizsystem hat Knox in den USA auf ihre in einem Berufungsverfahrenerneute Verurteilung wegen Mordes reagiert. "Ich bin erschrocken und traurig über dieses ungerechte Urteil", erklärte Knox am Donnerstag in ihrer Heimatstadt Seattle, wohin sie nach ihrem vorherigen Freispruch im Jahr 2011 zurückgekehrt war.

Nachdem die 26-Jährige zuvor in einem zweiten Verfahren für unschuldig erklärt worden sei, habe sie "Besseres vom italienischen Justizsystem erwartet".

Knox und Sollecito waren bereits im Jahr 2010 wegen des Mordes an Kercher im Jahr 2007 im italienischen Perugia zu 26 und 25 Jahren Gefängnis verurteilt worden. Ein Berufungsgericht sprach sie jedoch 2011 nach vier Jahren Haft frei. Der neue Prozess in Florenz war 2013 vom obersten italienischen Gericht angeordnet worden, das Widersprüche und Unzulänglichkeiten im Berufungsverfahren sah. Knox wie Sollecito haben die Tat stets bestritten. Aus Angst vor einem neuen Schuldspruch war Knox nicht nach Florenz gereist.

Anwälte wollen in Berufung gehen

In ihrer Erklärung kritisierte die US-Studentin eine "übereifrige und sture Staatsanwaltschaft" und sprach von "voreingenommenen und engstirnigen Ermittlungen". Allen mangelnden Beweisen zum Trotz sei die Anklage nicht bereit gewesen, "Fehler zuzugeben" und habe sich stattdessen auf "unzuverlässige Zeugenaussagen und Beweismittel" gestützt. Das "Fehlurteil" sei nicht nur entsetzlich für die Verurteilten, sondern auch für "das Opfer, ihre Angehörigen und die Gesellschaft". Die Anwälte von Knox und Sollecito haben bereits angekündigt, in Berufung gehen zu wollen.

Der Anwalt der Familie Kercher, Francesco Maresca, äußerte sich hingegen zufrieden mit dem neuen Urteil. Mit ihm sei Meredith und ihrer Familie "ein wenig Gerechtigkeit widerfahren". "Das war das Urteil, das wir wollten. Wir wussten immer, dass das erstinstanzliche Urteil gerecht und ausgewogen war", sagte er. Die Schwester der Toten, Stephanie, sagte nach dem Verfahren, ihre Familie verlange lediglich nach "Wahrheit und Gerechtigkeit". Trotzdem hätte sie unter der Länge der Prozesse auch gelitten, gaben die Geschwister lautGuardian bei einer Pressekonferenz Freitagvormittag an.

Mordfall Kercher

Eine Frau mit rotem Lippenstift und einem schwarzen Vampirkragen.
epa04048790 (FILE) An undated file picture of Meredith Kercher, a British girl found stabbed in a house in Perugia, Italy on 02 Novembver 2007. An Italian court in Florence on 30 January 2014 convicts US sitizen Amanda Knox of the 2007 murder of Briton Meredith Kercher, overturning an appeal made in 2011. She receives a 28-year prison sentence. Her former boyfrioend, Italian Raffaele Sollecito, receives a 25-year prison sentence. EPA/CROCCHIONI BEST QUALITY AVAILABLE
Die damals 21-jährige Britin Kercher war am 2. November 2007 halbnackt und mit durchgeschnittener Kehle in der Wohnung im italienischen Perugia entdeckt worden, die sie sich mit Knox teilte. Ihre Leiche wies 47 Messerstiche auf, die Studentin war zudem vergewaltigt worden. Wegen ihres Todes im Gefängnis sitzt bereits der Drogendealer Rudy Guede aus Cote d'Ivoire, dessen DNA am Tatort gefunden wurde. Er wurde zu 16 Jahren Haft verurteilt. Den Ermittlern zufolge wiesen die Stichwunden jedoch stark darauf hin, dass es mehr als einen Täter gab.

November 2007: Die britische Studentin Meredith Kercher wird in Perugia ermordet aufgefunden. Ein Barkeeper, Kerchers Mitbewohnerin Amanda Knox und deren Freund Raffaele Sollecito werden festgenommen. In Deutschland wird ein weiterer Verdächtiger gefasst und an Italien ausgeliefert, der Barmann kommt frei.

Oktober 2008: Ein Gericht verurteilt den in Deutschland gefassten Mann wegen Mordes zu 30 Jahren Haft. 2009 verringert ein Berufungsgericht die Strafe auf 16 Jahre wegen Beihilfe.

Dezember 2009: Wegen Mordes werden Knox und Sollecito in einem Indizienverfahren zu langen Haftstrafen verurteilt. Sie beteuern ihre Unschuld.

Oktober 2011: Ein Berufungsgericht spricht beide aus Mangel an Beweisen frei. Knox kehrt in die USA zurück.

26. März 2013: Das Kassationsgericht, die höchste Instanz in Italien, hebt die Freisprüche auf. Der Prozess wird neu aufgerollt.

30. April 2013: Knox' Autobiografie "Zeit, gehört zu werden" (Waiting to Be Heard) erscheint.

30. September 2013: Fast sechs Jahre nach dem Mord beginnt in Florenz ein neuer Prozess gegen Knox und Sollecito. Knox bleibt in den USA.

31. Oktober 2013: Im Prozess geht es um ein neues Gutachten zu DNA-Spuren von Amanda Knox an der möglichen Tatwaffe. Bei der Frage, was diese bedeuten, gehen die Interpretationen auseinander.

6. November 2013: Sollecito beteuert vor Gericht seine Unschuld.

26. November 2013: Der Staatsanwalt fordert lange Haftstrafen für Knox und Sollecito.

17. Dezember 2013: In einem E-Mail an das Gericht beteuert Knox abermals ihre Unschuld.

9. Jänner 2014: Sollecitos Anwältin wirft den Ermittlern vor, die Angeklagten seien nur beschuldigt worden, um die Öffentlichkeit zu beruhigen.

20. Jänner 2014: Am letzten Verhandlungstag fordern die Verteidiger erneut Freisprüche für Knox und Sollecito - ohne Erfolg.

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