Sollecito nahe Grenze zu Österreich gestoppt

Der wegen Mordes an der britischen Austauschstudentin Meredith Kercher zu 25 Jahren verurteilte Italiener Raffaele Sollecito ist in der Nacht auf Freitag nahe der österreichischen Grenze aufgehalten worden. Gemeinsam mit seiner 31-jährigen Freundin hielt er sich in einem Hotel in der friaulischen Ortschaft Venzone zwischen Udine und Tarvis auf. Mittlerweile hat er die Polizeikaserne in Udine, in der er seinen Pass abgegeben hat, wieder verlassen.
"Touristischer Rundgang" in Kärnten
Sollecito, der schon am Donnerstagnachmittag Friaul erreicht hatte, berichtete der Polizei, dass er einige Stunden in Kärnten verbracht habe. Den Polizisten erklärte er, dass er einen "touristischen Rundgang" unternommen hatte. Nach Österreich sei er mit dem Auto des Vaters seiner 31-jährigen Freundin gereist, die aus der Gegend von Treviso stammt. Gegen 1.00 Uhr habe er das Hotel in Venzone erreicht.

Das Berufungsgericht in Florenz hatte ihn und seine Ex-Freundin, die US-Amerikanerin Amanda Knox, am Donnerstag in zweiter Instanz schuldig gesprochen. Knox wurde in Abwesenheit zu 28 Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt. Es war bereits die vierte Entscheidung in diesem Fall.
Sollecitos Rechtsanwalt, Luca Maori, bestritt entschieden, dass sein Mandant nach Österreich flüchten wollte. Er wollte lediglich mit seiner Freundin den Nachmittag verbringen. Er sei freiwillig in die Polizeikaserne gegangen, um seinen Pass abzugeben. Sollecito beteuerte im Gespräch mit dem Rechtsanwalt seine Schuldlosigkeit. "Der Kampf, um meine Unschuld zu beweisen, geht weiter", sagte Sollecito. Er bleibt bis zum letztinstanzlichen Urteil frei.
Sowohl Sollecito als auch seine mit ihm verurteilte Ex-Freundin Amanda Knox wollen Einspruch gegen das am Donnerstagabend von einem Berufungsgericht in Florenz gefällte Urteil erheben.
Knox: Schuldspruch "ungerecht"

Nachdem die 26-Jährige zuvor in einem zweiten Verfahren für unschuldig erklärt worden sei, habe sie "Besseres vom italienischen Justizsystem erwartet".
Anwälte wollen in Berufung gehen
In ihrer Erklärung kritisierte die US-Studentin eine "übereifrige und sture Staatsanwaltschaft" und sprach von "voreingenommenen und engstirnigen Ermittlungen". Allen mangelnden Beweisen zum Trotz sei die Anklage nicht bereit gewesen, "Fehler zuzugeben" und habe sich stattdessen auf "unzuverlässige Zeugenaussagen und Beweismittel" gestützt. Das "Fehlurteil" sei nicht nur entsetzlich für die Verurteilten, sondern auch für "das Opfer, ihre Angehörigen und die Gesellschaft". Die Anwälte von Knox und Sollecito haben bereits angekündigt, in Berufung gehen zu wollen.
Mordfall Kercher

November 2007: Die britische Studentin Meredith Kercher wird in Perugia ermordet aufgefunden. Ein Barkeeper, Kerchers Mitbewohnerin Amanda Knox und deren Freund Raffaele Sollecito werden festgenommen. In Deutschland wird ein weiterer Verdächtiger gefasst und an Italien ausgeliefert, der Barmann kommt frei.
Oktober 2008: Ein Gericht verurteilt den in Deutschland gefassten Mann wegen Mordes zu 30 Jahren Haft. 2009 verringert ein Berufungsgericht die Strafe auf 16 Jahre wegen Beihilfe.
Dezember 2009: Wegen Mordes werden Knox und Sollecito in einem Indizienverfahren zu langen Haftstrafen verurteilt. Sie beteuern ihre Unschuld.
Oktober 2011: Ein Berufungsgericht spricht beide aus Mangel an Beweisen frei. Knox kehrt in die USA zurück.
26. März 2013: Das Kassationsgericht, die höchste Instanz in Italien, hebt die Freisprüche auf. Der Prozess wird neu aufgerollt.
30. April 2013: Knox' Autobiografie "Zeit, gehört zu werden" (Waiting to Be Heard) erscheint.
30. September 2013: Fast sechs Jahre nach dem Mord beginnt in Florenz ein neuer Prozess gegen Knox und Sollecito. Knox bleibt in den USA.
31. Oktober 2013: Im Prozess geht es um ein neues Gutachten zu DNA-Spuren von Amanda Knox an der möglichen Tatwaffe. Bei der Frage, was diese bedeuten, gehen die Interpretationen auseinander.
6. November 2013: Sollecito beteuert vor Gericht seine Unschuld.
26. November 2013: Der Staatsanwalt fordert lange Haftstrafen für Knox und Sollecito.
17. Dezember 2013: In einem E-Mail an das Gericht beteuert Knox abermals ihre Unschuld.
9. Jänner 2014: Sollecitos Anwältin wirft den Ermittlern vor, die Angeklagten seien nur beschuldigt worden, um die Öffentlichkeit zu beruhigen.
20. Jänner 2014: Am letzten Verhandlungstag fordern die Verteidiger erneut Freisprüche für Knox und Sollecito - ohne Erfolg.
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