Rätselraten um mysteriöses "Loch am Ende der Welt"
Mehr als neun Millionen Mal wurde das Video bereits angeklickt – das Rätsel dahinter fasziniert auf der ganzen Welt: Waren es Außerirdische, die hier ihre Spuren hinterlassen haben? Oder ein Meteoriten-Einschlag, so wie er sich vor nicht allzu langer Zeit in Russland ereignet hat?
Nicht nur die Internet-Gemeinde, auch Wissenschaftler zerbrechen sich seit kurzem den Kopf über das Loch am „Ende der Welt“ – einen Krater auf der sibirischen Halbinsel Jamal, die diesen Beinamen bei den Einheimischen trägt. Das Loch, das sich dort auftut, liegt im Permafrost, rund 30 Kilometer entfernt von einem riesigen Gasfeld nördlich der Gebietshauptstadt Salechard – und sorgt seit seinem Bekanntwerden vor kurzem für Irritationen weltweit.
"Die Größe des Kraters ist enorm, man könnte da mit einigen Hubschraubern reinfliegen, ohne Angst zu haben, gegen die Wände zu prallen", schreibt etwa Youtube-User "Bulka", der das Video veröffentlicht hatte; andere User vermuten gleich ein Fake hinter der ganzen Sache: „Das sieht doch wie die Eingangssequenz eines B-Movies aus“.
Sumpfgas-Explosion ohne Flamme
Dass der Krater von einem Meteoriten stammen könnte, wurde mittlerweile als unwahrscheinlich qualifiziert - „das hält keiner Kritik stand“, so der stellvertretende Direktor des Instituts für Öl- und Gasforschung an der russischen Akademie der Wissenschaften, Wasili Bogojawlenski. Er vermutet, dass unterirdisches Eis im Permafrost getaut ist und dadurch Gas freigesetzt wurde, das dann unter hohem Druck durch die Oberfläche brach. „Irgendwann fand eine Explosion ohne jegliche Flamme statt“, meint Bogojawlenski.
Erderwärmung als Ursache?
Ein weitere Beleg für die Theorie des Gasaustritts: Am Boden des Kraters sei zudem eine Methankonzentration von fast zehn Prozent gemessen worden, berichtet das Fachmagazin Nature - ein Vielfaches mehr als normal. Andere von Nature befragte Fachleute glauben zudem, dass auch die langfristige Erwärmung durch den Klimawandel eine Rolle spielen könnte: Hans-Wolfgang Hubberten vom Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven etwa führt an, dass sich in den vergangenen 20 Jahren der Permafrost in einer Tiefe von 20 Metern um rund zwei Grad erwärmt habe - durch den gestiegenen Druck habe sich das Gas explosiv seinen Weg durch die darüber liegenden Schichten gebahnt und den Krater verursacht.
"Beweise gibt es nicht"
Auch die Behörden sind natürlich an einer Klärung des Sachverhaltes interessiert. Das Regionalgouverneurnemt entsandte dazu eine Gruppe Wissenschafter in die Tundra – sie sollten überprüfen, ob es nicht doch eine menschliche Beteiligung an dem Phänomen gebe. Das Team erklärte allerdings nach „gründlicher Suche“, dass es „keine Spuren von Menschen oder Maschinen“ gebe. Die Forscher unterstützten auch die These, dass es sich bei dem Loch nicht um einen Meteoriten-Überrest handeln könne – schließlich seien am Rand keine Brandspuren zu finden; „der Krater entstand höchstwahrscheinlich, als der Druck in einen Hohlraum mit Sumpfgas (Methan) anstieg und eine Explosion auslöste", sagt Marina Leibman vom Kryosphären-Institut, das den Dauerfrostboden der Erde erforscht. Aber: „Beweise gibt es nicht.“
Gefährliche Untersuchung
60 Meter lang soll der Durchmesser des Kraters sein, daneben soll noch ein zweiter, kleinerer existieren – und da man von einer Lösung des Mysteriums noch weit entfernt ist, suchen die Forscher weiter. Das dürfte sich aber nicht einfach gestalten: "Es ist lebensgefährlich, nah heran zu gehen, weil der Rand ständig nachgibt", so Andrej Plechanow vom Wissenschaftlichen Zentrum für Arktisstudien.
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