"Wir haben eine moralische Pflicht, das Sterben im Meer zu verhindern"

Ende August wird das Schiff "Phoenix 1" seinen ersten Einsatz zur Rettung von Flüchtlingen im Mittelmeer starten. Die süditalienische Unternehmerin Regina Catrambone rief die humanitäre Organisation "MOAS" (Migrant Offshore Aid Station) ins Leben: Ein erfahrenes Team aus Seeleuten, Sicherheitsexperten und medizinischem Personal soll weitere Tragödien auf den Überfahrten nach Europa verhindern. Das 43 Meter lange Schiff samt Ausstattung wurde aus dem Privatvermögen der Versicherungsunternehmerin finanziert. Der KURIER sprach mit Regina Catrambone über das Hilfsprojekt.
KURIER: Wann fiel der Startschuss für die Mission und wo sehen Sie die größten Herausforderungen?
Regina Catrambone: Am schwierigsten ist es, allen klarzumachen, dass massenweise Leute umkommen und dass wir eine moralische Pflicht haben, das Sterben im Meer zu verhindern. Es ist ein europäisches, ein weltweites Problem. Wir müssen von einer Kultur des Ausgrenzens zu einer Kultur der Begegnung kommen. Es gab dazu viele Appelle von Papst Franziskus und von der italienischen Regierung. Wir haben darauf reagiert, stoßen aber leider auch immer wieder auf Misstrauen. Dank unseres starken Glaubens lassen wir uns nicht von unserem Weg abbringen.
Auf welche Weise arbeiten Sie mit " Mare Nostrum" (groß angelegte Rettungsoperation der italienischen Marine im Mittelmeer) zusammen?

Wie sind Sie auf die Idee für Ihr Hilfsprojekt gekommen?
Ausschlaggebend waren der Appell des Papstes auf Lampedusa sowie ein privates Schlüsselerlebnis auf einer Kreuzfahrt. Wir waren vor der tunesischen Küste unterwegs und sahen eine Winterjacke im Meer treiben. Der Kapitän meinte, dass diese wahrscheinlich einem ertrunkenen Flüchtling gehörte.
Wie finanzieren Sie Ihre Mission?
Bis jetzt haben wir alles aus Eigenmitteln bezahlt. Wir hoffen aber, dass sich künftig auch andere Unternehmer und Privatleute an der Finanzierung beteiligen. Der Schiffskauf und die Adaption haben bereits unser Budget überschritten.
Wie viel Geld ist über Crowdfunding (eine Finanzierung von Internetnutzern, die das Projekt unterstützen) hereingekommen?
Wir stehen erst am Beginn. Wir haben schon ein paar Spenden bekommen, über die wir sehr froh sind. Unser Ziel ist es, dass sich "MOAS" in Zukunft selbst finanziert. Doch auch Sachspenden wie Rettungswesten, Decken, Wasserflaschen sind willkommen.
An Bord befindet sich ein internationales Team – arbeiten alle ehrenamtlich?
Einige arbeiten freiwillig, der Großteil wird bezahlt. Es ist auch eine Filmemacherin an Bord, die die Mission dokumentieren wird.
Wie werden Sie mit Schlepperbanden umgehen?
In den meisten Fällen sind die Schlepper nicht an Bord, sie schicken die Migrantenboote alleine los. In jedem Fall aber sind wir, wenn es die Situation erfordert, mit Sicherheitskräften in Valletta und Italien in Kontakt. Wer helfen möchte, Spenden sind willkommen. I
Informationen dazu unter www.moas.eu
Mehr als 100.000 Flüchtlinge
Rekordansturm Italien kämpft mit einem Rekordansturm von Migranten. Seit Beginn der Hilfsmission "Mare nostrum" vor zehn Monaten hat die italienische Marine 100.979 Migranten bei der Überfahrt über das Mittelmeer gerettet. Diese Zahlen übertreffen jene aus den Vorjahren bei Weitem: 2013 zählte das Flüchtlingshochkommissariat der Vereinten Nationen ( UNHCR) 42.925 Ankünfte von Flüchtlingen in Italien, 2012 waren es lediglich 13.200 gewesen. Unter den Migranten waren laut UNHCR in diesem Jahr 10.500 Kinder. Zwei Drittel von ihnen seien allein auf die Reise nach Italien, Spanien, Griechenland oder Malta geschickt oder von ihren Familien getrennt worden, hieß es.
Flucht vor Krieg Die überwiegende Zahl der Bootsflüchtlinge stammt aus Eritrea, Somalia, Syrien, Ägypten und Pakistan. Die meisten Menschen fliehen vor Krieg und Gewalt. Die – kaum seetauglichen – Boote starten vor allem in Libyen und in Ägypten. Die Flüchtlinge werden von skrupellosen Schleppern ohne Wasser, Nahrungsmittel und Schwimmwesten auf die gefährliche Reise geschickt.
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