Video zeigt Todesschuss auf Zwölfjährigen
Ein weiterer Fall von Polizeigewalt erschüttert die USA: In Cleveland im Bundesstaat Ohio schoss am Wochenende ein weißer Beamter am Samstag auf den schwarzen Burschen Tamir Rice, der mit einer Waffenattrappe hantiert hatte. Der Zwölfjährige starb später.
Die Behörden veröffentlichten auch den Notruf eines besorgten Anwohners, der den Einsatz ausgelöst hatte. "Da ist ein Typ mit einer Pistole", sagte der Anrufer. "Sie ist wahrscheinlich unecht, aber er zielt auf jeden." Der Anrufer verwies auch darauf, dass es sich offenbar um ein Kind handelte. Den Beamten am Einsatzort wurden diese Angaben aber offenbar nicht übermittelt.
"So sieht Demokratie aus"
In der US-Kleinstadt Ferguson hat es in der Nacht zum Donnerstag erneut Proteste gegen die Straffreiheit für jenen weißen Polizisten gegeben, der einen schwarzen Jugendlichen tötete (siehe unten). Allerdings trotzten nur mehrere Dutzend Menschen am Vorabend von Thanksgiving den kalten Temperaturen.
"So sieht Demokratie aus", rief die kleine Protestgruppe, die bei Regen und Schnee vor der Polizeistation ausharrten. Etwa 50 Nationalgardisten waren im Einsatz und wurden von den Demonstranten beschimpft, ansonsten blieb die Lage aber ruhig. Nach Angaben von Augenzeugen wurde mindestens ein Mensch in Gewahrsam genommen.
Auch in der britischen Hauptstadt London demonstrierten am Mittwochabend tausende Menschen gegen Rassismus bei Justiz und Polizei in den USA. Vor der US-Botschaft hielten viele von ihnen Schilder mit Aufschriften wie "Steckt die rassistischen Polizisten ins Gefängnis" und "Das Leben der Schwarzen zählt" in den Händen. Viele Demonstranten trugen Kerzen und gedachten mit einer Schweigeminute der Opfer von Polizeigewalt weltweit.
Er dreht sich um und schaut mich an", schilderte Polizist Darren Wilson in seiner Zeugenaussage vor der Grand Jury in Ferguson die letzten Momente im Leben des schwarzen Teenagers Michael Brown. "Er macht einen ersten Schritt auf mich zu, er stolpert irgendwie, als er losläuft. Dann ballt er seine linke Hand zu einer Faust, mit der rechten greift er unter sein Shirt, hält den Gürtel fest und läuft auf mich zu."

Dorian Johnson, der Freund Mike Browns, bezeugte hingegen: Die beiden jungen Männer hätten die Hände sehr wohl erhoben. Und Schüsse seien gefallen, noch ehe Brown in Richtung des weißen Polizisten loslaufen konnte. Im Gegenteil, Brown sei durch Schüsse im Rücken getroffen worden, als er davonlaufen wollte. Dies jedoch konnte wiederum die Obduktion nicht nachweisen.
"Keine Anklagepunkte"

Wilson: "Es sah aus, als würde er sich extra groß machen, um gegen die Schüsse anzurennen. Als ob es ihn wütend machen würde, dass ich auf ihn schieße." Insgesamt 12-mal feuerte der Polizist innerhalb von nur 90 Sekunden auf den 18-jährigen, unbewaffneten Schwarzen. Kein Totschlag, sondern Notwehr, befand die Jury. Staatsanwalt McCullen: "Die Pflicht der Grand Jury ist es, die Fakten von Erfundenem zu trennen."
Tatsächlich besteht die Aufgabe einer Grand Jury darin, vorliegende Beweise zu prüfen und zu entscheiden, ob Anklage erhoben werden soll oder nicht. Ein Urteil fällt sie nicht. Weniger als die Hälfte der US-Bundesstaaten nutzt diese Vorermittlungsinstanz noch. Eingesetzt wird die Grand Jury meist in komplexen Verfahren oder im Fall schwerer Verbrechen mit Aussicht auf Todesstrafe. Einberufen wird sie vom Staatsanwalt. Robert McCulloch hätte also von sich aus Anklage erheben können, verzichtete aber darauf.

Wie gegen Hulk Hogan
In seiner vierstündigen Aussage beschrieb Wilson den massigen Teenager Brown als "aggressiv und bedrohlich". Nach einem kurzen Wortwechsel verpasste Brown dem im Wagen sitzenden Polizisten durch die geöffnete Fensterscheibe zwei Faustschläge. Dafür ließ er sich später in der Nacht noch im Spital behandeln – die Akten sind online einsehbar.
Zeuge Dorian Johnson wiederum behauptete vor der Jury: Nie habe sein Freund "Big Mike" ins Auto gegriffen. Vielmehr habe der Polizist versucht, Brown ins Auto zu ziehen.
Dann, so die Darstellung des Polizisten, soll der Teenager nach der Waffe des Polizisten gegriffen haben. Da packte der Beamte Browns rechten Arm: "Ich fühlte mich wie ein fünfjähriges Kind gegen Hulk Hogan." (Hogan ist ein US-Wrestler, Anm.) Als Wilson seine Pistole zog und zwei Mal schoss, rannte Brown weg – Wilson hinterher.
Schließlich blieb Brown stehen und drehte sich um. "Er kam auf mich zu", sagte Wilson aus. "Und als er nur noch zwei bis drei Meter weg war ... alles was ich gesehen habe, war sein Kopf, und auf den habe ich geschossen. Ich weiß nicht, wie oft. Als ihn die Kugel traf, verschwand die Wut aus seinem Gesicht, die Aggression war weg. Ich wusste, die Bedrohung war vorüber."
Die Entscheidung der Ferguson-Jury, die seither USA-weit für Unruhen sorgt, bedeutet nicht, dass der Fall Wilson nicht doch noch juristisch aufgearbeitet wird. US-Justizminister Eric Holder kündigte an, dass auf Bundesebene wegen des Todes des 18-jährigen Brown ermittelt wird.
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