NSU-Prozess: Vertrauliche Akten auf dem Gehsteig

Ein Paragraphenzeichen liegt auf einer CD.
Der Richter wurde vom Fundbüro angerufen. Aber niemand will Dokumente vermissen.

Im Münchner NSU-Prozess hat der Vorsitzende Richter Manfred Götzl am Dienstag einen peinlichen Vorgang enthüllt: Das Fundbüro in Köln-Ehrenfeld habe im Gericht angerufen und gemeldet, eine CD mit Aktenstücken aus dem Verfahren sei auf einem Gehsteig gefunden worden. "Welcher Anwalt vermisst eine Nachlieferung?", fragte Götzl. Allerdings meldete sich niemand. In Nachlieferungen werden seit Prozessbeginn vor zweieinhalb Jahren immer wieder Dokumente von Ermittlungsbehörden oder Schreiben der Prozessbeteiligten zusammengefasst, digitalisiert und als CDs vom Gericht verteilt. Die Dokumente sind vertraulich.

Eine Frau mit langen braunen Haaren in Anwesenheit einer Polizistin.
Defendant Beate Zschaepe (R) arrives for the continuation of her trial at a courtroom in Munich, Germany July 14, 2015. Zschaepe is accused of helping found a neo-Nazi cell, the National Socialist Underground (NSU), and of complicity in the murders of 10 people, mostly ethnic Turks, from 2000 to 2007. Zschaepe recieved a fourth lawyer, Grasel, after disagreements between Zschaepe and her duty solicitors. REUTERS/Michaela Rehle
Der Richter kritisierte außerdem den Anwalt eines Kölner NSU-Opfers scharf und fragte wiederholt nach, ob und wann dieser zuletzt Kontakt zu seiner Mandantin hatte. Sie sei mehrmals als Zeugin geladen gewesen, aber nicht erschienen. Götzl drohte ein Ermittlungsverfahren an, falls er nicht bis diesen Mittwoch die gewünschten Auskünfte erhält.

Hauptangeklagte im Prozess ist Beate Zschäpe. Sie muss sich für die Serie von zehn Morden und alle weiteren Verbrechen verantworten, die die Bundesanwaltschaft dem "Nationalsozialistischen Untergrund" vorwirft.

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