"Norman Atlantic" in Brindisi angekommen

Der Schreck wird den ehemaligen Passagieren noch lange in den Knochen sitzen - auf der Fähre " Norman Atlantic" war ein Feuer ausgebrochen, die hilflosen Reisenden mussten lange auf Rettung warten. Unter ihnen waren auch fünf Österreicher, sie überstanden das Unglück (siehe unten). Doch mindestens elf Personen kamen ums Leben. Ob es noch mehr Todesopfer gibt, ist derzeit noch unklar; es gibt die Befürchtung, dass blinde Passagiere mitreisten. Zudem war die genaue Zahl der Insassen wegen fehlerhafter Passagierlisten weiter unklar.
Ob dies zutrifft, kann nun geklärt werden. Die " Norman Atlantic" hat am Freitag schließlich die süditalienische Hafenstadt Brindisi erreicht. Das Schiff, das am Donnerstagnachmittag von der albanischen Küste abgefahren war, wurde von Schleppern in den Hafen gezogen. Dort wollen die Ermittler das ausgebrannte Schiff nach möglichen weiteren Todesopfern und Hinweisen auf die Brandursache untersuchen.
Vorwürfe
Die italienischen Justizbehörden haben ihre Ermittlungen wegen Sicherheitsmängeln an Bord zudem ausgedehnt. Weitere Personen sollen befragt werden, berichteten italienische Medien. An Bord derselben Fähre war bereits vor einem Monat ein Brand gemeldet worden. Der ermittelnde Staatsanwalt von Bari, Giuseppe Volpe, vermutete, dass sich zu viele Lkw und Autos auf dem Deck vier befanden, auf dem der Brand ausgebrochen war. Schiffskapitän Argilio Giacomazzi meinte, dass das griechische Fährunternehmen Anek mehr Leute an Bord zugelassen habe, als aus den offiziellen Dokumenten hervorgegangen sei. Anek gab die Zahl der Personen auf dem Schiff zuletzt mit 474 an. Staatsanwalt Volpe sprach dagegen von mindestens 499 Passagieren, da in letzter Minute noch weitere Menschen auf die überfüllte Fähre gebracht worden seien. Die Küstenwache aktualisierte am Donnerstag die Zahl der geretteten Insassen auf 477 - das sind 50 mehr als zuvor angegeben wurden.
Kapitän Giacomazzi, der als letzter von Bord gegangen war, kehrte am Donnerstag nach mehrstündigem Verhör durch die Ermittler endlich nach Hause zurück. Vor seinem Haus in der italienischen Hafenstadt La Spezia bat er die wartenden Reporter, ihn allein zu lassen. Er fügte hinzu: "Nennt mich nicht Held. Ich wünschte, ich hätte alle an Bord sicher nach Hause bringen können."
Was die Leute in der Lage sind, einander anzutun ..." Erwin Schrümpf sah Menschen, die sich um Rettungswesten prügelten, Menschen, die wegen eines Platzes näher am Helikopter Raufereien begannen. Und Menschen, die in die meterhohen Wellen sprangen: Der 50-jährige Salzburger war Montagnacht unter den letzten Passagieren, die vom brennenden Fährschiff "Norman Atlantic" geborgen wurden.
Am Silvestertag schaffte es der Initiator einer privaten Griechenlandhilfe, nach Hause zu kommen, ebenso die beiden Vorarlberger Cengiz und Nuriye Hazir. Zwei Tiroler kamen am bereits am Vortag erschöpft daheim an.
Schrümpf war auf der Heimfahrt nach einem Hilfsprojekt, als er Sonntagfrüh eine Frau von Feuer an Bord der Fähre sprechen hörte. Als er auf das Oberdeck ging, sah er einen Bus in Flammen stehen. Als sich das Feuer weiter ausbreitete, sei Panik ausgebrochen und mehr als 400 Passagiere waren sich großteils selbst überlassen.
Überforderte Crew
Von der Crew sei kaum jemand zu sehen gewesen. "Hat man doch einmal jemanden erwischt, hat es nur Schulterzucken gegeben." Löschversuche an Bord habe er keine bemerkt, schildert Schrümpf. Die Hilfe von Löschschiffen wurde eingestellt. "Durch das Löschwasser waren alle durchnässt, die Finger waren so klamm, dass man sich nicht anhalten konnte. Bei Temperaturen von fünf bis zehn Grad ist man ruckzuck erfroren." Die Rettungsboote seien verbrannt.
Die Rettungshubschrauber konnten anfangs nicht mehr als zwei, drei Personen pro Flug aufnehmen. Für Schrümpf hieß das: Fast zwei Tage an Bord ausharren. Die Luft sei eisig gewesen, der Boden heiß. "So heiß, dass man mit den Schuhsohlen kleben geblieben ist." Montagabend kam er endlich auf ein Schiff der italienischen Marine. "Hochachtung vor diesen Leuten, die haben professionell gearbeitet."
Bevor er sich im Februar wieder zum nächsten Hilfsprojekt aufmacht, will er versuchen, das Erlebte zu verarbeiten. "Problematisch wird’s, wenn ich die Bilder sehe. Dann habe ich auch die Toten wieder vor mir. Die, die gesprungen sind. Und die, die erstickt sind."
13 Todesopfer hat das Unglück nach offizieller Aussage gefordert. Gerettet worden seien 427 Menschen. Doch laut Staatsanwalt Giuseppe Volpe sei unklar, wo jene 98 Menschen sind, deren Namen auf Passagierlisten standen. Die Anzahl der Toten könnte also noch steigen. Auf wie viele, wird sich herausstellen, wenn das Schiff am Freitag im Hafen ankommt.
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