Neruda wird exhumiert

Die wahre Todesursache des Dichters soll festgestellt werden.

Fast 40 Jahre nach dem Tod des chilenischen Dichters Pablo Neruda haben Experten mit der Exhumierung von dessen Leichnam begonnen. Als erstes errichteten sie in der Küstenstadt Isla Negra ein Spezialzelt, mit dem der Einblick von außen auf das Grab verhindert werden soll. Die Exhumierung soll Klarheit darüber bringen, ob Neruda an Krebs starb oder ob die These stimmt, dass er vergiftet wurde.

Die Forensik-Experten und Polizeiermittler trafen am Sonntagabend am Grab Nerudas ein, das sich im Garten von Nerudas Haus in Isla Negra nahe dem Pazifik befindet. Der Dichter und Schriftsteller ist dort an der Seite seiner dritten Ehefrau Matilde Urrutia begraben. "Wir sind hier, um mit den Grabungen zu beginnen, um bis zum Sarg vorzustoßen", sagte der Richter Mario Carroza, der neben einem Vertreter des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz die Exhumierung überwacht. Mit der Aushebung der sterblichen Überreste wurde am Montag begonnen. Laut dem Leiter der Gerichtsmedizin, Patricio Bustos, ist es nicht ausgeschlossen, dass einige Untersuchungen im Ausland vorgenommen werden. Wann mit Ergebnissen zu rechnen ist, sagte er nicht.

"Mysteriöse Spritze"

Pablo Neruda wird von Reportern interviewt.
Pablo Neruda verlässt am 26. März 1971 nach der Übergabe seines Beglaubigungsschreibens als neuer Botschafter Chiles in Frankreich an Präsident Georges Pompidou den Pariser Elysee-Palast. Die Poesie Pablo Nerudas sei wie die Anden Chiles: hohe Gipfel und tiefe Täler. So beschreibt der Freund und Biograf Volodia Teitelboim das Lebenswerk des bekanntesten chilenischen Dichters und Literaturnobelpreisträgers, der am 23. September 1973 im Alter von 69 Jahren an Krebs gestorben ist. dpa (Nur s/w, zu dpa 0242 vom 19.09.2003)
Bustos hatte im Juni vergangenen Jahres angekündigt, sich mit den Todesumständen Nerudas zu befassen. Zuvor hatte Nerudas Sekretär und Fahrer Manuel Araya ausgesagt, dass er den Poeten kurz vor dessen Tod in eine Klinik gebracht habe, wo ihm eine "mysteriöse Spritze" verabreicht worden sei. Laut offizieller Version starb der Nobelpreisträger zwölf Tage nach dem Militärputsch vom 11. September 1973 in Chile im Alter von 69 Jahren an Prostatakrebs. Die Pablo-Neruda-Stiftung wies bisher die Theorie zurück, wonach der überzeugte Kommunist von den Militärherrschern ermordet wurde. Die Kommunistische Partei Chiles ist dagegen überzeugt von einer Ermordung. Sie hatte im Dezember die Exhumierung beantragt.

Neruda wurde am 12. Juli 1904 als Neftali Reyes Basualto in der südchilenischen Stadt Parral geboren. Schon als 15-Jähriger gab er sich für seine ersten Veröffentlichungen das Pseudonym Pablo Neruda, eine Hommage an den tschechischen Dichter Jan Neruda. Nach dem Tod seiner Mutter kurz nach seiner Geburt wuchs er bei seinem Vater, einem Eisenbahner, und seiner Stiefmutter auf.

Bekannt wurde Neruda insbesondere durch seine Liebesgedichte sowie durch den "Canto General" ("Der große Gesang"), ein episches Gedicht über Südamerikas Geschichte. 1971 wurde er mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet. Die Werke des Autors, der zu den führenden Mitgliedern der Kommunistischen Partei Chiles zählte, waren während der Militärdiktatur von Augusto Pinochet zwischen 1973 und 1990 verboten.

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