Nepal: Bis zu 250 Vermisste nach neuer Lawine

Ein roter Hubschrauber landet in einer verschneiten Berglandschaft neben einer Gruppe von Menschen.
Staatstrauer in Nepal. Kathmandu wahrscheinlich um drei Meter verschoben. 10.000 Tote befürchtet.

Nach dem Abgang einer neuen Lawine im nepalesischen Erdbebengebiet werden bis zu 250 Menschen vermisst. Möglicherweise seien darunter ausländische Touristen, sagte Gouverneur des Bezirks Rasuwa, Uddhav Bhattarai, am Dienstag der Nachrichtenagentur Reuters.

Die Lawine habe zur Mittagszeit das Dorf Ghodatabela getroffen, das in einem Naturpark liege. Die Region nördlich der Hauptstadt Kathmandu ist bei Wanderern beliebt. "Wir versuchen sie zu retten, aber schlechtes Wetter und Regen behindern die Arbeit", sagte Bhattarai weiter. Bereits am Samstag war am Mount Everest eine Lawine abgegangen, mindestens 17 Menschen starben.

Bis zu 10.000 Tote erwartet

Laut von Ministerpräsident Sushil Koirala könnten bis zu 10.000 Menschen ums Leben gekommen sein. Die Helfer finden in dem südasiatischen Land immer mehr Menschen unter den Trümmern. Der US-TV-Sender CNN sprach zuletzt von 8.000 befürchteten Toten. Tatsächlich geborgen sind bisher allein in Nepal rund 5000 Leichen. Etwa hundert weitere kamen im benachbarten Indien und China ums Leben.

Nepals Regierung ordnete drei Tage Staatstrauer an. Laut UNO sind rund acht Millionen Menschen von den Auswirkungen der Naturkatastrophe betroffen. Etwa eine Viertelmillion Menschen ist auf der Flucht.

Die Regierung erklärte außerdem erstmals öffentlich, trotz zahlreicher Warnungen vor einem bevorstehenden großen Beben nicht ausreichend vorbereitet gewesen zu sein. Die Behörden hätten Schwierigkeiten, die Krise zu meistern. "Wir waren auf ein Desaster dieses Ausmaßes nicht vorbereitet", sagte Innenminister Bam Dev Gautam.

Das merken die Überlebenden an der schleppend anlaufenden Hilfe. Erst heute kam auch ein Helikopter etwa bei Menschen in abgelegeneren Gebieten an, etwa im schwer getroffenen Bezirk Gorkha, in dem die Menschen seit Samstag auf sich allein gestellt waren.

Ein Mann mit Maske betet vor Statuen inmitten von Trümmern in Nepal.
A man prays next to rubble of a temple, destroyed in Saturday's earthquake, in Kathmandu, Nepal April 28, 2015. REUTERS/Adnan Abidi
Auch in der Hauptstadt Kathmandu beschwerten sich zahlreiche Menschen. "Wir leben hier auf der Straße, ohne Essen und Wasser, und wir haben in den vergangenen drei Tagen (seit dem Beben) keinen einzigen Beamten gesehen", sagte ein Mann, der mit seiner Familie im Freien campierte. Die Stromversorgung war zusammengebrochen, sodass weder Wasserversorgung noch Telekommunikation gut funktionierten.

Viele Hilfsorganisationen sind vor Ort, die Hilfe gestaltet sich aber schwierig. Das Österreichische Rote Kreuz schickt am Mittwoch einen weiteren Helfer nach Nepal: Johannes Guger ist Experte des Suchdienstes. Der Burgenländer kümmert sich um die Zusammenführung getrennter Familien. Bereits am Montag sind die ÖRK-Katastrophenhelfer Andrea Reisinger und Georg Ecker in Nepal gelandet.

Kathmandu verschoben

Das Beben hat zudem zu erheblichen Verschiebungen auf der Erde geführt. Der Untergrund unter Kathmandu habe sich wohl um drei Meter nach Süden bewegt, sagte der Tektonik-Experte James Jackson von der Universität Camebridge am Dienstag nach ersten Analysen. Die Geophysikerin Sandy Steacy von der Universität Adelaide teilte diese Einschätzung, sie sprach von bis zu drei Metern. In der Region treffen die indische und die eurasische Kontinentalplatte aufeinander. Jährlich schiebt sich die indische Platte nach Angaben des französischen Forschers Yann Klinger in der Himalaya-Region zwei Zentimeter in den Eurasischen Kontinent - ein Prozess, der erst zur Entstehung der Himalaya-Kette geführt hat. Am Samstag dann gab die Verwerfungslinie unter dem Kathmandu-Tal dem anhaltenden Druck nach, über der Naht liegende Felsen brachen ab und rutschten rund drei Meter südwärts über das Gestein unter ihnen.

Die internationale Hilfe ist inzwischen angelaufen. Auch Österreich hilft: Das Land Tirol stellt 300.000 Euro Soforthilfe für Nepal zur Verfügung. Aus dem Auslandskatastrophenfonds der Republik kommen 500.000 Euro, und 250.000 Euro für Nahrungsmittel. Damit soll rund 75.000 Personen geholfen werden. Die Soforthilfe wurde am Dienstag im Ministerrat beschlossen.

Hilfsorganisationen kritisieren aber gleichzeitig, dass der Auslandskatastrophenfonds seit Jahren nicht erhöht wurde. Dutzende Hilfsorganisationen demonstrierten daher am Rande des heutigen Ministerrats. Die Regierung solle ihre eigenen Versprechen einhalten und in den kommenden Jahren den Fonds für humanitäre Hilfe aufstocken, heißt es vom Dachverband Globale Verantwortung. Vertreter von 39 Organisationen, darunter das Rote Kreuz, die Diakonie und Care, wollten die Regierung bei der Protestaktion am Ballhausplatz an ihre Versprechen erinnern.

20 Millionen geplant

Die Regierung beschloss vergangene Woche den Finanzrahmen für die Budgets von 2016 bis 2019. Darin sind im Ressort von Außenminister Sebastian Kurz Einsparungen von 21 Millionen Euro festgelegt worden. Daher ist unklar, ob mehr Geld für den bisher mit fünf Millionen Euro dotierten Auslandskatastrophenfonds herausschaut. Im Regierungsprogramm hatten SPÖ und ÖVP 2013 eine Aufstockung auf 20 Millionen versprochen. Aus dem Fonds wird kurzfristige humanitäre Hilfe für Notleidende in Katastrophen- und Konfliktgebieten gezahlt.

Österreichs Ausgaben für die Unterstützung ärmerer Staaten sind im Vorjahr auf ein neues Tief gesunken. Nach Zahlen der OECD machte die offizielle Entwicklungshilfe 2014 nur noch 0,26 Prozent der Wirtschaftsleistung aus. Im Jahr davor waren es noch 0,28 gewesen. Österreich blieb damit weiterhin sehr deutlich hinter dem UNO-Ziel von 0,7 Prozent für Entwicklungshilfe zurück. In die offizielle Entwicklungshilfe werden auch Mittel anderer Ministerien eingerechnet, etwa Entschuldungen armer Staaten durch das Finanzministerium. Im Außenministerium verweist man darauf, dass Kurz bereits in der Vorwoche mehr Mittel für Auslandshilfe von seinen Regierungskollegen gefordert hat.

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