Nach Grubenunglück: Gewaltsame Proteste in Ankara

Polizisten in Schutzkleidung führen einen Demonstranten inmitten von Rauch ab.
800 Demonstranten warfen Steine und riefen Parolen gegen Premier Erdogan. Die Bergung der Kumpel ist ein Wettlauf gegen die Zeit.

Bei Protesten nach dem schweren Grubenunglück in der Türkei am Dienstag hat die Polizei in Ankara Tränengas und Wasserwerfer gegen hunderte Demonstranten eingesetzt. Etwa 800 Demonstranten warfen Steine auf die Beamten und riefen regierungsfeindliche Parolen.

Der Protest hatte sich an dem Bergwerksunglück in Soma im Westen des Landes entzündet. Der türkische Regierungschef Recep Tayyip Erdogan traf am Nachmittag an der Unglücksstelle in Soma ein, um sich ein Bild von der Lage zu machen. Der nationale Fußballverband hat alle Spiele, die am Mittwoch und am Donnerstag stattfinden sollten, abgesagt. Die Begegnungen würden auf einen späteren Zeitpunkt verschoben.

Das Unglück passierte beim Schichtwechsel

Die Zahl der Todesopfer ist unterdessen auf 238 gestiegen. Damit ist es nach Regierungsangaben das schwerste in der Geschichte der Türkei. In der türkischen Stadt Soma regieren Schock und Trauer. Die Grube ist einer der größten Arbeitgeber der Region in der Provinz im Westen des Landes. Rund 6.500 Kumpel arbeiten hier. Beim Schichtwechsel am Dienstagnachmittag befanden sich über 700 von ihnen in der Grube, als rund 400 Meter unter Tage ein Umspannwerk explodiert und in Brand gerät. Der Strom in der Grube fällt aus, die Aufzüge und die Luftzufuhr für die Arbeiter funktionieren nicht mehr. 120 Bergleute sind vermutlich noch unter Tage eingeschlossen. Wegen des Stromausfalls konnten sie nicht über die Aufzüge an die Oberfläche gebracht werden.

Ein Bergmann mit Tränen im Gesicht umarmt eine Frau.

A miner hugs a relative in front of a coal mine si
Eine besorgte Menschenmenge steht vor einem Polizisten.

Relatives try to get information outside a local h…
Erschöpfte Bergleute werden von Kollegen aus einem Bergwerk geführt.

An injured miner is carried to an ambulance after
Bergleute tragen einen verletzten Mann, der in eine Decke gehüllt ist.

epaselect TURKEY MINE EXPLOSION
Rettungskräfte bergen Verletzte nach einem Grubenunglück.

The body of miner is carried to an ambulance in So
Bergleute mit Helmen und Stirnlampen tragen eine Person durch eine Menschenmenge.

The body of miner is carried to an ambulance in So
Bergleute tragen einen verletzten Kollegen aus einem Bergwerk.

TURKEY MINE EXPLOSION
Ein Bergmann mit gelbem Helm und Gummistiefeln schaut auf sein Handy.

TURKEY MINE EXPLOSION
Ein Patient wird von Sanitätern auf einer Trage in einen Krankenwagen geschoben.

An injured miner is carried into a hospital in Som

Feuer

Eine Karte der Türkei, die den Ort Soma und die Städte Istanbul und Ankara zeigt. Eine Explosion wird in der Nähe von Soma dargestellt.

Die Stollen waren auch am frühen Mittwochmorgen noch immer voller Rauch. Nach einer Explosion, hinter der ein defekter Trafo vermutet wird, war es zu einem Feuer gekommen. Die Rettungskräfte versuchten, Atemluft in den Schacht zu blasen. Aus Sicherheitskreisen vor Ort verlautete, es hätten sich zwei Luftblasen gebildet. Zu der einen hätten die Bergungskräfte Zugang. In der anderen seien die Kumpel aber von jeder Hilfe abgeschnitten. Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan wollte am Mittwochmorgen am Unglücksort eintreffen, nachdem er eine geplante Reise nach Albanien abgesagt hatte. Mehrere Oppositionsparteien schickten ebenfalls Delegationen nach Soma.

Rettungskräfte tragen einen Verletzten auf einer Trage aus einem Bergwerk.
epa04204482 Rescue team members carry a dead miner as people try to recognize their relatives after a mine explosion near Soma, Manisa province, Turkey, early 14 May 2014. A mining accident has killed at least 151 people in western Turkey, the country's energy minister said, as rescue operations continued after midnight to save hundreds of miners trapped underground. Energy Minister Taner Yildiz said he feared the death toll could rise, after an explosion at a coal mine started a fire on 13 May afternoon with 787 miners underground. Emergency responders had extinguished the fire but were still battling to clear heavy smoke from the tunnels more than two kilometres underground. EPA/TOLGA BOZOGLU
In Soma, das rund 120 Kilometer nordöstlich der Küstenstadt Izmir im Westen des Landes liegt, versammelten sich verzweifelte Angehörige der Opfer vor dem Krankenhaus der Stadt. Die Polizei hielt die Menschenmenge zurück.

Privatisierung sei Auslöser

Das türkische Ministerium für Arbeit und soziale Sicherheit erklärte, die Grube sei zuletzt am 17. März auf Sicherheitsmängel untersucht worden und es habe keine Beanstandungen gegeben. Der Bergwerksbetreiber Soma Komur erklärte, der "tragische Unfall" habe sich "trotz höchster Sicherheitsmaßnahmen" zugetragen. Türkische Gewerkschaftsvertreter sehen hingegen die Privatisierung des Kohleabbaus als Mitauslöser der Katastrophe.

Türkische Medien berichten, die Regierungspartei AKP habe in den vergangenen Monaten eine Forderung der Opposition nach Überprüfung der Zeche zurückgewiesen. Ein Bergmann sagt der Nachrichtenagentur AFP: "Es gibt in diesem Bergwerk keine Sicherheit. Die Gewerkschaften sind Marionetten und die Geschäftsführung kümmert sich nur ums Geld."

In der Türkei kommt es immer wieder zu tödlichen Grubenunfällen. Mehrfach gab es in den vergangenen Jahren Verstöße gegen Sicherheitsbestimmungen oder es wurden veraltete Arbeitsgeräte eingesetzt. Das folgenschwerste Unglück der vergangenen Jahrzehnte ereignete sich 1992 in einem Bergwerk in der Provinz Zonguldak. Dort starben bei einer Gasexplosion 263 Menschen.

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