Verteidigung legt gesammelte Beweise vor

Staatsanwalt Nel hat bereits in der vergangenen Woche seine Argumente vorgebracht.

Im Prozess gegen den südafrikanischen Paralympics-Star Oscar Pistorius will die Verteidigung noch am Montag Richterin Thokozile Masipa eine Zusammenfassung der Beweislage vorlegen. Der Termin findet hinter verschlossenen Türen statt. Staatsanwalt Gerrie Nel hatte bereits in der vergangenen Woche seine Argumente eingereicht.

Mit Spannung werden am 7. und 8. August die Schlussplädoyers erwartet. Nel will die Richterin davon überzeugen, dass Pistorius seine Freundin Reeva Steenkamp in der Nacht zum Valentinstag 2013 vorsätzlich durch eine geschlossene Badezimmertür erschossen hat. Roux vertritt hingegen Pistorius' Version, wonach er in der Toilette einen Einbrecher vermutete und in Panik handelte.

Seit März gab es 39 Prozesstage, in denen 36 Zeugen angehört wurden. Die Beweisaufnahme wurde Anfang Juli abgeschlossen. Wenn der beinamputierte Sprinter des vorsätzlichen Mordes für schuldig befunden wird, droht ihm eine lebenslange Haftstrafe. Das Urteil wird für Ende August erwartet.

Vom Helden zur tragischen Figur

Oscar Pistorius durfte viele Jahre Bewunderung und Respekt von Menschen auf der ganzen Welt genießen. Der beinamputierte Profisportler war nicht nur für behinderte Menschen ein Beispiel für die Kraft des Willens und Charakters. Als der populäre Athlet in der Nacht zum 14. Februar 2013 durch eine Tür im Badezimmer seines Hauses in Pretoria seine Freundin erschoss, brach seine heile Welt zusammen.

Fassungslos und aufgewühlt verfolgten die Südafrikaner, wie die Staatsanwaltschaft den heute 27-Jährigen des kaltblütigen Mordes an seiner Freundin Reeva Steenkamp beschuldigte. Jetzt ist das Verfahren in der letzten Phase. Kommenden Donnerstag beginnen die Plädoyers.

Das einstige Idol der Nation präsentierte vor Gericht eine andere, eine fast unglaubliche Geschichte über die Ereignisse der tragischen Nacht. Denn der Profi, der mit seinen Hightech-Karbon-Prothesen Goldmedaillen bei Paralympischen Spielen gewann, aber auch bei Olympischen Spielen 2012 antrat, sieht sich selbst nicht als Täter.

Er sei ein Opfer unglücklicher Umstände und einer tragischen Fehleinschätzung. "Ich hatte nie die Absicht, meine Freundin zu töten", beteuerte er und schilderte vor Gericht, oft mit den Tränen kämpfend, das Drama in der Nacht zum Valentinstag. Mehrmals erbrach er sich und präsentierte sich als sensiblen, emotionalen Menschen mit schweren Schuldgefühlen.

Oscar Pistorius und seine Begleiterin bei den SA Sports Awards.
epa04088056 (FILE) A file picture dated 04 November 2012 shows South African paralympic and Olympic sprinter Oscar Pistorius (R) posing with his girlfriend, model Reeva Steenkamp (L), at the South African sports awards ceremony in Johannesburg. Pistorius is due to stand trial from 03 March for the premeditated murder of his model girlfriend Reeva Steenkamp in February 2013. EPA/FRENNIE SHIVAMBU *** Local Caption *** 50711757
Die 29-Jährige Reeva Steenkamp sei gestorben, weil in Südafrika mit seiner enormen Gewaltkriminalität ein Eindringling stets eine tödliche Gefahr sei, sagte Pistorius. In Verkennung der Situation habe er im Bad einen Einbrecher vermutet. Er sei in Panik geraten, habe die Pistole unter seinem Kopfpolster genommen und sich ohne Prothesen im Dunkeln zum Badezimmer bewegt. Dort habe er dann blind durch die Toilettentür geschossen. Für "die Liebe seines Lebens" war es das Todesurteil.

Staatsanwalt Gerrie Nel glaubte kein Wort. Er ist sich sicher, dass Pistorius geplant und wissentlich gehandelt hat. Bei einer Verurteilung droht Pistorius lebenslange Haft. Richterin Thokozile Masipa wird vermutlich Ende August über das Schicksal des Sportlers entscheiden.

Während des Verfahrens durfte Pistorius bei seinem Onkel in Pretoria wohnen: Schon wenige Wochen nach der Tat war er gegen Kaution und harmlose Auflagen in die Freiheit entlassen worden. Seitdem ließ sich der "blade runner" nur selten öffentlich blicken. Er liege am Pool seines Onkels Arnold, lese viel, auch in der Bibel, berichteten Zeitungen. Seine Familie bestritt heftig, dass er selbstmordgefährdet sei - wie ein BBC-Bericht suggeriert hatte.

Der spektakuläre Mordprozess, der im März begann, erinnerte an das Verfahren gegen den US-Basketballer O.J. Simpson 1995 in Kalifornien. Auch Pistorius wollte stets seine Unschuld beweisen, obwohl so vieles gegen ihn spricht. Wie bei Simpson hat die halbe Welt den Prozess verfolgt - davon zeugten schon die ersten Gerichtstermine des Sportstars, zu denen die Weltpresse strömte.

Auch der Charakter des Angeklagten war dabei ein Thema. Denn der disziplinierte, charmante Profi soll auch eine dunkle Seite haben. Südafrikanische Medien beschrieben ihn als Mann, den es stets zu den Reichen und Schönen, zum Luxus gedrängt habe. Pistorius sei ein Waffen-Fan und gelegentlich jähzornig, trinke manchmal zu viel, habe zu heftiger Eifersucht geneigt. Die Eltern Steenkamps sagten, ihre Tochter habe viel mit ihm gestritten.

Der Prozess hat Südafrika aufgewühlt. Viele denken, dass der Mordfall irgendwie auch die Tragik der jungen Demokratie nach dem Ende des rassistischen Apartheidsystems vor fast 20 Jahren widergespiegelt hat. Denn trotz aller Erfolge lasten Kriminalität und eine Gewaltkultur sowie unbewältigte Probleme zwischen Schwarz und Weiß auf der "Regenbogennation".

Staatsanwalt Gerrie Nel

Der leitende Staatsanwalt Gerrie Nel, Ex-Chef der Anti-Korruptionseinheit "Scorpions", ist wegen seiner Hartnäckigkeit und seiner brillanten Rhetorik gefürchtet. Er wird deshalb auch "die Bulldogge" genannt. Schon oft vertrat er die Anklage erfolgreich in Aufsehen erregenden Prozessen.

Spektakulär war das Verfahren gegen den Ex-Polizeichef Südafrikas und Ex-Interpol-Chef Jackie Selebi. Selbst als Nel dabei grundlos vor den Augen seiner Kinder von 20 Polizisten festgenommen wurde, blieb er unbeirrt. Selebi wurde wegen Korruption zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt.

Nel hat in Pretoria Jus studiert und arbeitet seit 1984 als Staatsanwalt. Im Pistorius-Prozess kämpfte er mit den gleichen harten Bandagen, mit denen er sich schon seit drei Jahrzehnten einen Namen macht. So ließ er ein Video zeigen, in dem Pistorius lachend auf eine Wassermelone schießt. "Was Sie dort sehen ist der Effekt, den Munition auf eine Melone hat. Sie explodiert", sagte er zu einem weinenden Pistorius. "Das gleiche ist mit Reevas Kopf passiert: Er ist explodiert."

Das größte Hobby des berühmten Juristen, der im Gerichtssaal gerne die Zeugen der Verteidigung zerlegt, ist bezeichnend: In seiner Freizeit betreibt der Familienvater mit Begeisterung Ringkampf.

Starverteidiger Barry Roux

Barry Roux ist ein Staranwalt mit jahrzehntelanger Erfahrung, der schon während der Zeit der Apartheid Prominente verteidigt hat. Dazu zählten neben dem damaligen Polizeichef Lothar Neethling auch Wirtschaftsbosse wie Minenchef Roger Kebble oder der Ex-Boss des Fußballclubs Glasgow Rangers, Dave King, die beide wegen Steuerbetrugs angeklagt waren.

Schon vor dem Pistorius-Untersuchungsrichter zerpflückte Roux erfolgreich Vorwürfe der Ermittlungsbehörden. Der damalige Chefermittler gestand im Kreuzverhör, dass es am Tatort keine klaren Indizien für einen Mord gegeben hatte.

Beobachter sagen, Roux habe bei seinen Verhören eine spezielle Taktik: Erst wirke er völlig zerstreut und blättere ständig in seinen Unterlagen. Wenn sich die Zeugen dann in Sicherheit wiegen, schlage er mit harten Fragen zu, die er Dutzende Male wiederhole - mit zunehmend genervter Stimme.

Zahlreiche von Roux Befragte sind schon im Zeugenstand in Tränen ausgebrochen. Eine Journalistin schrieb, der Verteidiger könne sich innerhalb von Sekunden "vom "schusseligen Pudel in einen knurrenden Rottweiler verwandeln".

Auf Staatsanwalt Gerrie Nel war Roux schon 1999 im Gerichtssaal getroffen. Der Anwalt verteidigte den Zahnarzt Casper Greef, dem vorgeworfen wurde, den Mord an seiner Frau in Auftrag gegeben zu haben. Sollte der Pistorius-Prozess ähnlich enden, dann wären das schlechte Nachrichten für den Prothesensprinter: Greef wurde für schuldig befunden und zu lebenslanger Haft verurteilt.

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