Lampedusa: Video schockiert

Ein Boot voller Menschen, darunter Kinder, trägt orangefarbene Schwimmwesten.
„Warum behandeln sie uns wie Tiere?“: Die EU droht nun, Italien die Flüchtlingshilfen zu streichen.

Ein Schock-Video aus Lampedusa, das in den italienischen Abendnachrichten gesendet wurde, sorgt für Betroffenheit. Auf den Aufnahmen des staatlichen RAI-Senders sind Flüchtlinge zu sehen, die nackt in einem Hof stehen und mit Desinfektionsmitteln abgespritzt werden. Entsetzt reagierte man in Brüssel auf die „erschreckenden Bilder“.

EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström drohte umgehend, Italien die Flüchtlingshilfen zu streichen. „Wir haben bereits eine Untersuchung in die Wege geleitet. Sollten die Standards nicht EU-Normen entsprechen, werden wir ein Verfahren gegen Italien einleiten“, heißt es in der Aussendung. Erst im Oktober sicherte man Italien 30 Millionen Euro für Flüchtlingshilfe zu.

„Wut und Scham“

Mehrere Personen halten sich in einer Halle auf, einige sind nur mit Unterwäsche bekleidet.
epa03995208 A tv frame grab made available 18th December of a video aired by Italian Broadcaster Rai2 on 16 December 2013 allegedly showing migrants being forced to strip publicly outdoors before guards hosed them down with disinfectants at a reception centre on the Italian island of Lampedusa. EU Home Affairs Commissioner Cecilia Malmstrom European Commission has opened an inquiry after the broadcast. She also threatened to stop EU support for Italy in dealing with the thousands of migrants who arrive every year on the island between Tunisia and Sicily. EPA/RAI2 TV EDITORIAL USE ONLY/NO SALES
„Ich fühlte mich wie in einer Autowaschanlage. Warum behandeln sie uns wie Tiere?“, fragt ein syrischer Flüchtling. Er ist einer der Überlebenden der Katastrophe vom 3. Oktober, bei der 360 Menschen, darunter viele Frauen und Kinder, ums Leben kamen. „Das sind Bilder, die an Konzentrationslager erinnern, und die in uns allen Wut und Scham auslösen sollten“, kommentiert Lampedusas Bürgermeisterin Giusi Nicolini. „Sie zeigen das totale Versagen des italienischen Staates, der vorgibt, sich der Asylsuchenden anzunehmen, um sie dann wie Tiere zu behandeln“, sagt Aufdeckerjournalist und Buchautor („Bilal“), Fabrizio Gatti, zum KURIER. Nach einem Lokalaugenschein vor Ort kritisierte er die katastrophalen hygienischen Bedingungen in den Auffanglagern. Aber weder der Staatsanwalt noch die Präfektur, so Gatti, hätten Maßnahmen ergriffen.

Verdrecktes Lager

Matratzen voll von Schimmel und Flöhen sowie verdreckte sanitäre Einrichtungen in den völlig überfüllten Lagern bereiten den Boden für ansteckende Hautkrankheiten wie Krätze.

Für das Flüchtlingslager auf der süditalienischen Insel ist der Verein „ Lampedusa Accoglienza“ verantwortlich, der mit seiner „Gastfreundschaft“ im Namen nichts zu tun hat. Allein im Jahr 2012 erhielt der Verein über drei Millionen Euro staatliche Zuschüsse. Das entspricht einer Unterstützung von 30 bis 40 Euro pro Flüchtling und Tag. Doch im Lager müssen die Leute weiterhin auf dem Boden schlafen und essen, die Bäder und Klos sind verdreckt, streunende Hunde urinieren auf Gepäck und Kleidung.

Es stellt sich die Frage, wohin die Gelder verschwinden. Darüber wird der Geschäftsführer des umstrittenen Zentrums ebenso Auskunft geben müssen wie über die „Massen-Desinfektionen“ im Freien. Diese sind, wie Flüchtlinge und Menschenrechtsorganisationen bestätigen, kein Einzelfall und würden wöchentlich stattfinden.

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