Kartei mit Daten Tausender IS-Kämpfer gestohlen

Internationale Experten zweifeln die Authentizität der Dokumente an, die der britische Sender Sky News über 22.000 mutmaßliche Mitgliedern der Jihadistenmiliz Islamischer Staat zugespielt bekommen hat. Laut Sky News sind die geheime Daten von einem enttäuschten ehemaligen Kämpfer gestohlen worden.
Es handle es sich bei den auf einem Speichermedium zugespielten Daten um Bögen mit 23 Fragen, die neue Kämpfer ausfüllen mussten, bevor sie vom IS aufgenommen wurden. Es geht dabei um Blutgruppen, Geburtsdaten und den Mädchennamen der Mutter. Es soll sich um Daten von Kämpfern aus 51 Ländern handeln, darunter aus Großbritannien, den USA und Kanada.
Mittel im Kampf gegen IS?
Die Behörden müssten nun genau schauen, inwiefern das Material im Kampf gegen den IS eingesetzt werden könne, sagte eine Sprecherin des britischen Premierministers David Cameron. Sollten die Dokumente echt sein, dürften sie Geheimdiensten dabei helfen, Kämpfern auf die Spur zu kommen, die nach Syrien und in den Irak ausgereist sind.
Richard Barrett, ein ehemaliges ranghohes Mitglied des britischen Geheimdienstes MI6, sagte zu dem Datenleck, dieses wäre eine "absolute Goldmine an Informationen", sollte es echt sein. Doch an der Authentizität der Bögen haben Experten sowie auch die syrische Opposition erhebliche Zweifel. Sie verweisen vor allem auf sprachliche Unstimmigkeiten und Nachlässigkeit im Umgang mit Symbolen.
Grammatikfehler
Bei ihm läuteten "große Alarmglocken", sagte Charlie Winter von der Georgia State University. So wird etwa der arabische frühere Name des IS, Islamischer Staat im Irak und in Syrien (ISIS), in zwei verschiedenen Varianten geschrieben. Außerdem benutzen die Verfasser das Wort "Todesdatum", obwohl die gängige Bezeichnung unter Jihadisten "Märtyrertum" ist. Nicht zuletzt seien die Grammatikfehler nicht typisch für IS-Dokumente, sagte Winter.
Der unabhängige Jihadismus-Experte Romain Caillet erklärte zudem, dass in einigen Dokumenten ein bisher nicht benutztes IS-Logo auftauche. Das syrische oppositionelle Nachrichtenportal "Zaman al-Wasl" berichtete zudem von tausenden Wiederholungen in den Dokumenten, sodass letztlich nur die Namen von 1700 statt 22.000 Menschen identifiziert werden könnten.
Dalia Ghanem-Jasbeck vom Carnegie Zentrum in Beirut gab zu bedenken, dass die Dokumente von Ende 2013 stammen - und damit aus einer Zeit, in der der IS noch am "Anfang des Aufbaus seiner staatsähnlichen Strukturen" gestanden habe. Die Fehler könnten also auf die damals erst aufkeimende Bürokratie zurückzuführen sein, erklärte sie. Trotzdem sei dem IS offenbar die Rekrutierung zahlreicher Kämpfer gelungen.
Anfang der Woche hatte der Rechercheverbund aus "Süddeutscher Zeitung", NDR und WDR bereits über ähnliche Dokumente berichtet, die Angaben zu deutschen Kämpfern enthalten sollen. Auch dabei handelt es sich demnach um 23 Fragen zur Person und der Erfahrung der Kämpfer. Dem deutschen Bundeskriminalamt (BKA) liegen die IS-Dokumente über mutmaßliche Mitglieder der Jihadistenmiliz vor.
"Dem Bundeskriminalamt sind derartige Unterlagen des sogenannten Islamischen Staates bekannt", erklärte der BKA-Pressesprecher und Kriminaldirektor Markus Koths auf Anfrage zu den Berichten. "Wir gehen davon aus, dass es sich mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit um echte Dokumente handelt", fügte der Kriminaldirektor hinzu. "Wir berücksichtigen sie daher im Rahmen unserer Maßnahmen der Strafverfolgung und Gefahrenabwehr."
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