Frontex verurteilt "neuen Grad der Grausamkeit"

Das Heck des Frachtschiffs „Blue Sky M“ im Wasser.
"Ezadeen" und "Blue Sky M" trieben mit Flüchtlingen an Bord führerlos im Mittelmeer. Frontex: "Das ist eine neue Erscheinung dieses Winters."

Die italienische Küstenwache hat derzeit alle Hände voll zu tun. Die raue See bringt Schiffe wiederholt in Seenot und schon zum zeiten Mal traf es ein Führerloses Geisterschiff mit hunderten Flüchtlingen an Bord: Die Einsatzkräfte brachten am Freitag die unter der Flagge Sierra Leones fahrende "Ezadeen" nach eigenen Angaben unter Kontrolle. Das Geisterschiff mit etwa 450 Migranten an Bord sollte in den Hafen der kalabrischen Küstenstadt Crotone geschleppt werden.

Es ist bereits das zweite Mal innerhalb weniger Tage, dass ein Flüchtlingsschiff ohne Besatzung vor der Küste des Landes im Mittelmeer entdeckt wurde. Die EU-Grenzschutzagentur Frontex bezeichnete das Phänomen dieser Schiffe, auf denen Flüchtlinge ohne Besatzung ihrem Schicksal überlassen werden, als "neuen Grad der Grausamkeit" der Schlepper. "Das ist eine neue Erscheinung dieses Winters", sagte Frontex-Sprecherin Ewa Moncure in Warschau. Der Schmuggel von Flüchtlingen sei ein "Multimillionengeschäft". Für die Schmuggler lohne sich die Rechnung, wenn ein bereits ausgemustertes Schiff ohne Crew und Treibstoff auf dem Meer zurückgelassen werde.

Flüchtlingsdramen sind "Multimillionengeschäft"

Eine Karte, die die Routen der Flüchtlingsschiffe „Blue Sky M“ und „Ezadeen“ im Mittelmeer zeigt.
Die "Ezadeen" sollte laut NachrichtenagenturAnsavon einem isländischen Schiff der EU-Grenzschutzmission "Triton" abgeschleppt werden. Der Frachter trieb manövrierunfähig auf die Küste Italiens zu, nachdem ihm der Sprit ausgegangen war. Den Flüchtlingen sei es gelungen, einen Notruf abzusetzen, woraufhin Italiens Küstenwache am Donnerstagabend einen Rettungseinsatz startete. Ein Hubschrauber der Küstenwache brachte mehrere Einsatzkräfte an Bord des Schiffes, darunter auch einige Ärzte. Der 1966 gebaute Frachter ist normalerweise für Viehtransporte vorgesehen und sollte den französischen Mittelmeerhafen Sete ansteuern. Nach Angaben des Schiffsinformationsdienstes MarineTraffic war der letzte bekannte Hafen, in dem der Frachter Mitte Dezember angelegt hatte, Famagusta in Nordzypern. Als vorheriger Hafen wurde Tartus in Syrien angegeben.

Erst am Dienstag hatte die italienische Küstenwache in letzter Minute ein Flüchtlingsdrama verhindert und den Frachter "Blue Sky M" mit rund 770 syrischen Bürgerkriegsflüchtlingen an Bord von einem Kollisionskurs mit der apulischen Küste abgebracht. Die Besatzung hatte die Steuerung blockiert und das Schiff und die Insassen sich selbst überlassen.

Menschenschmuggler, die sich die gefährliche Überfahrt nach Europa teuer bezahlen lassen, verlassen immer häufiger die Schiffe und überlassen die Flüchtlinge ihrem Schicksal. In den vergangenen 14 Monaten retteten die italienischen Behörden mehr als 170.000 illegale Einwanderer. Hunderte, möglicherweise Tausende ertranken bei der gefährlichen Überfahrt von Afrika nach Europa. "Das ist ein Multimillionengeschäft", sagte Frontex-Pressesprecherin Moncure über den Schmuggel von Flüchtlingen, die auf eine bessere Zukunft in Europa hoffen. "Aus jedem dieser Flüchtlinge werden mehrere tausend Euro oder Dollar für den Transport auf See gepresst. Da lässt sich leicht ausrechnen, wie viel bei einem Schiff mit mehreren hundert Menschen zusammenkommt." Für die Schmuggler lohne sich daher die Rechnung, wenn ein ohnehin bereits ausgemustertes Schiff ohne Crew und Treibstoff auf dem Meer zurückgelassen werde.

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