Gewalt in der Türkei: Angst vor Bürgerkrieg

Polizisten drängen Demonstranten mit Schutzschilden zurück.
Bei erneuten Zusammenstößen zwischen Polizei und militanten Kurden wurden drei Menschen getötet.

In der Türkei dreht sich die Spirale der Gewalt weiter nach oben: Ankara macht Sympathisanten der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans PKK verantwortlich.

Polizisten hätten versucht, in der Stadt Silopi Gräben zu schließen, die Extremisten auf der Straße ausgehoben hätten, meldete die Nachrichtenagentur DHA. Sie seien dabei am Freitag beschossen worden und hätten das Feuer erwidert. Sieben Menschen seien verletzt worden, darunter zwei Polizisten. Einer der Polizisten habe schwere Verletzungen erlitten, als sein gepanzertes Fahrzeug mit einer Rakete beschossen worden sei.

Der Konflikt in der Türkei eskaliert seit vergangenem Monat. Die PKK greift beinahe täglich Sicherheitskräfte an. Die türkische Luftwaffe hat zahlreiche Angriffe auf PKK-Stellungen geflogen. Die Türkei hat zwar dem IS-Terror den Kampf angesagt. Aus Sicht vieler Kurden ist das aber nur ein Vorwand, um die PKK zu bekriegen. Sie glauben, dass Präsident Erdogan die Eskalation sucht - um seine Macht zu sichern.

Nach Freude herrscht Angst

Erst vor zwei Monaten hatten die Menschen in der südosttürkischen Kurdenmetropole Diyarbakir noch vor Freude auf den Straßen getanzt. Bei der Wahl im Juni war es der pro-kurdischen HDP gelungen, mit phänomenalen 13,1 Prozent ins Parlament einzuziehen. Inzwischen kann von Feierstimmung keine Rede mehr sein. In Diyarbakir herrscht Angst vor einem neuen Bürgerkrieg. Und es herrscht Wut - auf Präsident Recep Tayyip Erdogan, den fast alle hier für die jüngste Eskalation der Gewalt im Land verantwortlich machen.

Die Gewalt eskaliert seit dem schweren Selbstmordanschlag in Suruc am 20. Juli, der dem IS zugeschrieben wurde. Zwei Tage später wurden zwei Polizisten getötet, wozu sich die PKK bekannte - die der Regierung damit eine Steilvorlage für Vergeltungsschläge lieferte. Bei anschließenden Razzien wurden viel mehr mutmaßliche PKK-Anhänger festgenommen als IS-Verdächtige. Die türkische Luftwaffe flog zwar einige wenige Angriffe gegen den IS, vor allem greift sie aber PKK-Stellungen an. Inzwischen kommt es fast täglich zu blutigen PKK-Anschlägen und Zusammenstößen in der Südosttürkei

Spirale der Gewalt

Die türkische Regierung argumentiert, sie bekämpfe den Terror sowohl des IS wie auch der PKK. Die EU und die USA mahnen Ankara zwar zur Verhältnismäßigkeit, gestehen dem Nato-Partner aber zu, sich gegen die PKK zu wehren. Das Absurde an der Situation: Jeder Schlag gegen die PKK - die in der EU und der USA auf der Terrorliste steht - schwächt die YPG und damit den Widerstand gegen den IS. Die YPG wird wiederum militärisch von den USA unterstützt, obwohl sie ein Ableger der PKK ist und zu großen Teilen aus deren Kämpfern besteht.

Diese Haltung sei "paradox", sagt Öcalan-Anwalt Sinasi Tur. Er und seine Kanzlei-Kollegen fordern, die PKK von den Listen zu streichen. Und sie verlangen, Öcalans Isolation auf der Gefängnisinsel Imrali aufzuheben. Seit April verweigert die Regierung HDP-Delegationen Treffen mit dem PKK-Chef. Das schürt den Verdacht, dass Ankara keine Deeskalation will: Öcalan setzt sich seit Jahren für Mäßigung und Frieden ein, und keine Stimme hat mehr Gewicht bei den Kurden.

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