Geste des Papstes rührte Gläubige zu Tränen

Papst Franziskus hat bei der Generalaudienz am Mittwoch wieder seine Fürsorge und Offenheit für Kranke und leidende Menschen bewiesen. Der Pontifex näherte sich auf dem Petersplatz einem schwerkranken Mann, dessen Gesicht und Händen von Beulen und Wunden bedeckt waren. Franziskus lächelte dem Mann zu, umarmte und streichelte ihn auf dem Kopf und küsste ihn. Viele Pilger bekamen Tränen in den Augen, als sie die Geste des Papstes sahen.

Noemi sei getauft und damit "eine von uns". "Bitten wir den Herrn, dass er ihr hilft und ihr die Gesundheit zurückgibt." Nach einem Moment der Stille betete der Papst.
Papst Franziskus im Porträt:
Papst Franziskus will das Kirchenvolk hören und schickte einen Fragebogen an alle Bischofskonferenzen, die auch heiße Eisen wie Scheidung, Verhütung und Homo-Ehe betreffen. Während die österreichischen Bischöfe bis Freitag in Klausur sind, sickerte am Montag durch, dass das Vorbereitungsdokument aus Rom zur Familiensynode 2014 eher nicht dazu geeignet sei, es unkommentiert zu veröffentlichen. Dienstag Mittag stellte es Radio Vatikan in allen Sprachen online. Die Katze war also aus dem Sack. Innerhalb kürzester Zeit waren engagierte Katholiken informiert, der Fragebogen wurde weltweit weitergeschickt. Nicht ausgesprochenes Ziel: Das Kirchenvolk soll sich mit den Themen beschäftigen und über die Bischöfe Rückmeldung geben.
Spirituelle Krise
Es handelt sich um ein siebenseitiges Dokument, in dem sich alles um das Thema Familie dreht, die aus Sicht des Vatikans in einer „klar erkennbaren sozialen und spirituellen Krise“ steckt. Ein Fragebogen mit neun Leitthemen und insgesamt 39 Einzelfragen ist beigefügt. Dabei geht es auch darum, ob die Botschaft Christi verstanden wird und im Alltag lebbar ist. Heiße Eisen wie Scheidung, Verhütung, Adoption in Homo-Ehen und Polygamie werden angetastet. Das weckt vor allem bei jenen Hoffnung, die seit Langem für eine Öffnung und Änderung in der Familienseelsorge eintreten, besonders im Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen.
Mitreißender Papst
Vatikanexperte Paolo Rodari sagt: „Die Zeiten, in denen die Kirche von oben herab im Alleingang entschieden und befohlen hat, sind vorbei.“ Der Rektor des päpstlichen Instituts Santa Maria dell’Anima, Franz Xaver Brandmayr, erkennt ein „deutliches Zeichen, dass man eine ehrliche und nüchterne Bestandsaufnahme machen wolle“. Der Wunsch des Papstes ist es, „sich mit der Lebensrealität der Menschen auseinanderzusetzen. Er bereitet die Synode so breit vor, damit dann auch etwas herauskommen kann. Das ist schon eine Art Revolution von oben“.
Denn jetzt, so Brandmayr, fühlten sich viele Gläubige mit ihren Problemen alleine gelassen. Es gehe darum zu fragen, wo die Kirche helfen kann. Je mehr Lebenserfahrungen Gläubige miteinander teilen können, desto leichter können sie auch den Glauben teilen“, glaubt der Oberösterreicher, der seit vielen Jahren in Rom lebt: „Das erste, was man hier gelernt hat, ist die Langsamkeit.“
Franziskus aber will keine Zeit verlieren. „Nicht aus Altersgründen, sondern weil er direkt redet, er ist einfach so – ansteckend und mitreißend. Ich nehme ein sehr großes Gottvertrauen bei ihm wahr. Und er macht es uns mit seinem neuen Stil leichter, Freude an der Botschaft Christi zu haben“, sagt Brandmayr.
Im Vatikan wurde am Dienstag betont, dass es sich bei dem Fragebogen weniger um eine Volksbefragung zur Kirchenlehre handle. Der neue Generalsekretär der Bischofssynode, Lorenzo Baldisserie, bekräftigte: Es gehe darum herauszufinden, wie umfangreich diese Kirchenlehre verstanden wird. Das Dokument hätte einen „beratenden Charakter“. Papst Franziskus will seine Fragen bereits Ende Jänner beantwortet haben. Der Papst erwartet sich Vorschläge der Bischöfe, „um das Evangelium für die Familie glaubwürdig zu verkünden und zu leben“.
Schon bei seiner Inauguration blitzten die Zeremonienmeister mit den üblichen spitzenbesetzten Prunkornaten ab: „Lasst diese römischen Faschingskostüme bleiben.“ Verbindlich im Ton, aber bestimmt in der Sache übernahm im März Papst Franziskus die Führung der krisengebeutelten römisch-katholischen Kirche. Kontrastreiche Szenen prägen auch sein erstes Erscheinungsbild: Statt der päpstlichen Gemächer bezieht er ein Zimmer im Gästehaus. Statt im kleinen Kreis zu dinieren, bevorzugt er die Gäste-Kantine. „Im ersten halben Jahr wird er sich alles in Ruhe anschauen. Dann wird er den Apparat so umbauen, dass bald kein Stein auf dem anderen bleibt“, prophezeite ein Papst-Intimus am Rande der Inauguration dem Autor.
In der Tat: An die Spitze der Kurie berief Franziskus einen, der offen über den Zölibat reden will. Jetzt will der Vatikan mit ausdrücklichem Segen des Papstes ein Bündel von Dauer-Ärgernissen zwischen römischer Lehre und weltlicher Praxis ins Visier nehmen: Verhütung, Homo-Ehe und Geschiedene. Dieser Tage ging ein Fragebogen an alle Bischöfe – mit dem Auftrag, auch die Meinung der Gläubigen zu diesen ewigen Streitfragen einzuholen.
Den Wunsch nach mehr Mitsprache gab es schon bisher. In Österreich noch gut in Erinnerung ist das Kirchenvolksbegehren nach der Affäre Groër, das von mehr als einer halben Million Katholiken unterzeichnet wurde. Gutgläubige Reform-Initiativen wie diese versandeten in Frust, weil sie im Vatikan nicht einmal ignoriert wurden.
Für Außenstehende mag Franziskus’ Fragenkatalog nicht mehr als eine etwas umständlich formulierte Meinungsumfrage sein. Für die Kirche ist die erste weltweite Kirchenvolksbefragung eine Revolution von oben – initiiert von einem Papst, der verspricht, noch für viele positive Überraschungen gut zu sein.
Kommentare