Noch kein Opfer identifiziert

Rettungskräfte versuchen seit dem Absturz der Germanwings-Maschine in den französischen Alpen die Leichenteile in dem schwer zugänglichen Gelände zu bergen. Dutzende DNA-Spezialisten und Rechtsmediziner arbeiten daran, die geborgenen Überreste der 150 Opfer zu identifizieren. Auch die Suche nach dem Flugdatenschreiber geht weiter. Die Behörden hoffen, dass die Bergung der Leichen bis zum Ende der kommenden Woche abgeschlossen ist.
Bild am Sonntag berichtet zudem, dass auch Leichenteile des Co-Piloten entdeckt worden waren. Der zuständige Staatsanwalt Brice Robin aber hat diese Meldung am Sonntag dementiert. "Wir haben noch keine Opfer identifiziert, sondern DNA-Spuren", sagte Robin. Von 78 Menschen sei die DNA gesichert.
Der Fund der Leiche des Co-Piloten wäre auch für die Rekonstruktion des Absturzes interessant. Möglicherweise lassen sich Medikamente im Körper nachweisen.
Allein im Cockpit
Nach bisherigen Erkenntnissen der Ermittler wurde der Absturz von Co-Piloten Andreas L. bewusst herbeigeführt. Zum Zeitpunkt des Unglücks war er allein im Cockpit. Der Flugkapitän hatte die Kabine kurz verlassen, um auf die Toilette zu gehen. Er kam danach nicht zurück ins Cockpit, weil der Co-Piloten offenbar bewusst die Tür nicht öffnete.
Die Bild am Sonntag berichtete über das Gespräch zwischen dem Flugkapitän und dem Co-Piloten im Cockpit, das auf dem sichergestellten Stimmrekorder aufgezeichnet worden sei. Demnach erzählte der Pilot unter anderem, dass er es in Barcelona nicht geschafft habe, auf Toilette zu gehen. Der Co-Piloten habe ihm daraufhin angeboten, er könne jederzeit übernehmen. Einige Minuten später habe der Flugkapitän dann zu Andreas L. gesagt. "Du kannst übernehmen." Daraufhin verließ er offenbar die Kabine.
Alarmsignal
Als sich die Maschine später im den Sinkflug befand, ertönte im Cockpit ein automatische Alarmsignal, wie die Bild am Sonntag weiter berichtete. Der Pilot habe dann offenbar versucht, die Tür zum Cockpit mit Gewalt zu öffnen. "Mach die verdammte Tür auf", rief er demnach. Auch Schreie der Passagiere seien zu hören gewesen, bevor das Flugzeug dann an einem Bergmassiv zerschellte.
Der Co-Pilot des Germanwings-Airbus, der am Dienstag in Südfrankreich abstürzte, dürfte das Flugzeug offenbar bewusst zum Absturz gebracht haben. Das geht aus den aktuellen Ermittlungen hervor. Der Staatsanwalt von Marseille geht davon aus, dass der Sinkflug mit Vorsatz eingeleitet wurde. Warum der Co-Pilot – der Pilot war, wie berichtet, aus dem Cockpit ausgesperrt – so handelte, ist noch unklar. Eine mögliche Theorie ist ein sogenannter Mitnahmesuizid des 28-jährigen Co-Piloten. Davon spricht man in der Psychiatrie dann, wenn neben der suizidalen Person bewusst weitere Menschen mit in den Tod genommen werden.
Meist Beziehungstat
„Üblicherweise gibt es eine Beziehung zwischen den Personen, meist stehen sie sich sehr nahe. Häufig handelt es sich um Eltern und Kinder oder Paare in Beziehungskrisen, auch bei älteren Paaren gibt es immer wieder Fälle eines erweiterten Suizids“, sagt Claudius Stein, Ärztlicher Leiter des Wiener Kriseninterventionszentrums. Bei Letzterem, dem sogenannten Doppelsuizid, besteht eine Übereinkunft über die Selbsttötung. Ob es eine solche wirklich gegeben hat, sei im Nachhinein aber schwer nachvollziehbar.
Laut Stein gibt es beim erweiterten Suizid bei Betroffenen meist die Vorstellung, die andere Person könnte ohne einen selbst nicht weiter existieren. „Insbesondere bei Müttern kann es, wenn die Verzweiflung sehr groß ist, zu der inneren Vorstellung kommen, dass ein Kind nicht ohne einen selbst lebensfähig ist. In einer anderen Konstellation, wenn eine sehr konflikthafte oder keine Beziehung zwischen den Beteiligten besteht, würde ich eher von Suizid und Mord sprechen“, meint Stein.
Fremde Personen
Man spricht dann von einem Homozid-Suizid, bei dem ganz fremde Personen unfreiwillig mit in den Tod genommen werden. Diese Siutationen seien sehr selten. Die Beteiligten können willkürlich gewählt sein und müssen keine Beziehung zum Suizidenten haben. Oft bleiben die Motive im Dunkeln. Eine Rolle dabei können Rache oder psychotische Paranoia spielen. Davon unterschieden werden müssen der Massensuizid, bei dem der Suizid nach der Tötung anderer erfolgt, sowie der Amok, wo das primäre Ziel die Tötung anderer ist, man aber in Kauf nimmt, selbst getötet zu werden.
Der Mitnahmesuizid könne aus der Situation heraus passieren, in der Regel geht dem Ereignis aber eine unterschiedlich lange Entwicklung voraus. Stein: "Zunächst befindet man sich in einer verzweifelten Situation und denkt darüber nach, als eine Möglichkeit, eine quälenden Situation zu beenden. Während dieser Vorlaufzeit werden verschiedene Möglichkeiten abgewogen und es kann zu starken inneren Impulsen kommen, nicht mehr leben zu wollen. Sie konkurrieren mit inneren Kräften, die weiterleben möchten."
Unterstützung anbieten
Es ist für Außenstehende, auch für professionelle Helfer, nicht immer einfach, die Absicht für einen Suizid zu erkennen. „In der Regel geben Betroffene Hinweise. Als Außenstehender ist es wichtig, aufmerksam zu sein und auch indirekte Bemerkungen ernst zu nehmen“, rät Stein. Dazu zählen etwa Aussagen wie „Ich kann nicht mehr weiter“ oder „So kann das nicht weitergehen.“ Angehörige und Freunde sollten in dieser Phase ihre Unterstützung anbieten. Fühlt man sich selbst überfordert, besteht ein Minimum an Hilfe darin, dem Betroffenen zu sagen, wo er Unterstützung finden kann, etwa in Kriseninterventionszentren. „Menschen, die über einen Suizid nachdenken, fühlen sich in der Regel in ihren Möglichkeiten eingeengt. Jedes Angebot von Menschen, die einem nahestehen, ist hilfreich und bietet Möglichkeiten der Entlastung“, sagt Stein. Selbst wenn ein solches Gesprächsangebot nicht gleich angenommen wird, kann es sein, dass Betroffene darüber nachdenken und vielleicht ein paar Tage später darauf zurückkommen.
Kommentare