Co-Pilot war vor Jahren selbstmordgefährdet

Ein Denkmal mit Blumen und Kränzen auf einer Wiese vor einer Bergkulisse.
Das Motiv bleibt weiterhin unklar. SOKO "Alpen" soll Leben des Co-Piloten durchleuchten.

Der Todespilot des Germanwings-Jets war nach Angaben der Staatsanwaltschaft Düsseldorf in der Vergangenheit wegen Selbstmord-Gefahr in psychotherapeutischer Behandlung. Dies betreffe aber einen längeren Zeitraum bevor Andreas L. seinen Pilotenschein gemacht habe, teilten die Ermittler am Montag in Düsseldorf mit.

In jüngster Zeit hätten Ärzte bei dem 27-Jährigen jedoch weder eine Selbstmordgefahr noch ein Risiko für Angriffe auf andere Personen festgestellt. "Im Folgezeitraum und bis zuletzt haben weitere Arztbesuche bei Fachärzten für Neurologie und Psychiatrie mit Krankschreibungen stattgefunden, ohne dass Suizidalität oder Fremdaggressivität attestiert worden ist", erklärte die Staatsanwaltschaft. Ärztliche Dokumente über eine organische Erkrankung seien nicht gefunden worden. Dies gelte auch für die angeblichen Augenprobleme, über die Medien berichtet hatten. Der Copilot steht unter Verdacht, am Dienstag vor einer Woche einen Airbus in den französischen Alpen zum Absturz gebracht und 149 Menschen mit in den Tod gerissen zu haben.

"Soko Alpen"

Mehrere Personen in Schutzanzügen untersuchen einen Tatort in einer Lagerhalle.
A handout photo taken on March 26, 2015 in Seyne-les-Alpes and released by the French Gendarmerie Nationale, shows forensic experts of the French gendarmerie disaster victim identification unit (UGIVC) working near the site of the March 24 crash of a Germanwings Airbus A320 in which all 150 people on board were killed. Picture taken March 26, 2015. REUTERS/Sirpa - Gendarmerie Nationale/F. Balsamo/Handout NO ARCHIVES. FOR EDITORIAL USE ONLY. NOT FOR SALE FOR MARKETING OR ADVERTISING CAMPAIGNS. THIS IMAGE HAS BEEN SUPPLIED BY A THIRD PARTY. IT IS DISTRIBUTED, EXACTLY AS RECEIVED BY REUTERS, AS A SERVICE TO CLIENTS
Bei den Ermittlungen fanden die Staatsanwälte nach eigenen Angaben bisher weder im persönlichen und familiären Umfeld von Andreas L. noch an seinem Arbeitsplatz Hinweise auf ein Motiv. Auch fehle weiter eine Ankündigung für die Tat oder ein Bekennerschreiben. Die Behörde spielte damit offenbar auf entsprechende Medienberichte der vergangenen Tage an.

Bei der Düsseldorfer Polizei bemüht sich unterdessen die "Sonderkommission Alpen" weiter mit Hochdruck um die Aufklärung des Flugzeugabsturzes. Etwa 100 Beamte seien derzeit ausschließlich mit der Identifizierung der Opfer und den weiteren Ermittlungen in dem Fall beschäftigt, teilte die Behörde mit. Gemeinsam mit Seelsorgern besuchten sie die Wohnungen der Opfer in Nordrhein-Westfalen, um DNA-Spuren und Fingerabdrücke sicherzustellen.

Straße wird gebaut

Die französischen Behörden bemühten sich unterdessen mit schwerem Gerät, eine Straße in die Nähe der abgelegenen Absturzstelle in den Alpen zu bauen. So soll die Bergung der Leichenteile beschleunigt werden. Die Arbeiten würden vermutlich bis Dienstag oder Mittwoch abgeschlossen sein, sagte der Sprecher der Gendarmerie, Xavier Vialenc. "Damit werden wir Zeit sparen", erklärte er. Bisher seien DNA-Spuren von 78 Opfern entdeckt worden.

Die Identifizierung der Opfer kann nach Experteneinschätzung bis zu vier Monate dauern. Das kündigte der Leiter des zuständigen Kriminalinstituts der französischen Gendarmerie, Francois Daoust, am Montag an.

Nach Angaben des Institutschefs ist der Ausgang der Arbeiten unklar. "Wir können nicht versprechen, dass alle Opfer identifiziert werden können", sagte Daoust. Beim Absturz einer Maschine von Air Algérie in Mali im vergangenen Jahr habe das Institut 115 von 116 Opfern identifizieren können. "Den 116. konnten wir nicht identifizieren, weil wir nichts von ihm wiedergefunden haben."

Bisher müssen die Bergungshelfer von der Gendarmerie mit Hubschraubern zur Absturzstelle gebracht werden. Die Hänge dort sind so steil, dass sie nur angeseilt arbeiten können. Schlechtes Wetter schränkt die Helikopterflüge ein. Die Helfer suchen außerdem nach dem zweiten Flugschreiber, der die technischen Daten des Fluges aufzeichnet. Die bisherigen Ermittlungsergebnisse beziehen sich auf die Auswertung des Stimmenrekorders aus dem Cockpit.

Diskussion um Schweigepflicht

Als Konsequenz aus dem Absturz wurden Forderungen nach einer Lockerung der ärztlichen Schweigepflicht laut. Der Präsident der deutschen Bundesärztekammer, Frank-Ulrich Montgomery, warnte jedoch davor. Die Schweigepflicht sei ein hohes Gut und ein Menschenrecht, sagte er. Montgomery verwies ebenso wie eine Sprecherin des deutschen Gesundheitsministeriums darauf, dass ein Arzt schon heute zur Offenlegung von Informationen berechtigt sei, wenn es Anhaltspunkte für die Gefährdung anderer Menschen gebe. Die ärztliche Schweigepflicht gilt auch über den Tod eines Patienten hinaus.

Für die Angehörigen wurde vor Ort ein Betreuungszentrum eingerichtet. Bisher kamen 325 Menschen nach Seyne-les-Alpes, wie Germanwings bekanntgab. Die Airline hatte auch eine Soforthilfe für jede Familie in Höhe von 50.000 Euro beschlossen und die Angehörigen seit Donnerstag mit drei Sonderflügen und einem Bus zur Absturzstelle gebracht.

Bericht: 300 Millionen Dollar zurückgestellt

Nach dem Absturz der Germanwings-Maschine hat das Versichererkonsortium der Lufthansa-Gruppe unterdessen einem Zeitungsbericht zufolge wegen möglicher Schadensersatzforderungen 300 Millionen Dollar (275 Millionen Euro) an Rückstellungen gebildet. Zu diesem Schritt habe sich das von der Allianz angeführte Konsortium Ende vergangener Woche entschlossen, erfuhr das "Handelsblatt" (Dienstagsausgabe) aus Versichererkreisen. Das sei fast das Doppelte der üblicherweise kalkulierten Summe.

In der Regel werde in der Luftfahrt im Todesfall pro Passagier mit einer Entschädigung von einer Million US-Dollar kalkuliert, im Fall von Flug 4U9525 wären das 150 Millionen Dollar. Hinzu kommen die Kosten für das Flugzeug, das in diesem Fall mit 6,5 Millionen Dollar versichert gewesen sein soll, heißt es in dem Bericht weiter. Dass die Assekuranzen nun deutlich mehr Geld zurückstellten, lasse den Schluss zu, dass sie mit langwierigen und teuren Entschädigungsprozessen rechneten. Lufthansa wollte den Bericht demnach nicht kommentieren.

Vor allem US-Bürger dürfen vor US-Gerichten auf Schadensersatz klagen; an Bord waren drei Staatsbürger aus den USA. Sollten Angehörige der Opfer die Fluggesellschaft tatsächlich verklagen, müsste Lufthansa glaubhaft machen, dass sie das Unglück nicht habe verhindern können. Die Germanwings-Maschine war auf dem Weg von Barcelona nach Düsseldorf, als sie der deutsche Co-Pilot Andreas L. nach Erkenntnissen der Ermittler wohl absichtlich in eine Felswand in den Alpen steuerte.

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