Wrackteil von MH370? Anzeichen verdichten sich

Französische Gendarmen untersuchen ein Trümmerteil auf einer Wiese.
Mittlerweile ist man sich sicher, dass das Teil von einer Boeing 777 stammt. Es wird nur eine 777 vermisst, jene von Flug MH370.

Mehr als ein Jahr nach dem mysteriösen Verschwinden eines malaysischen Passagierflugzeuges mit 239 Menschen an Bord ist auf der französischen Insel Reunion im Indischen Ozean ein Trümmerteil angeschwemmt worden. Das entdeckte Flugzeug-Wrackteil ist identisch mit Teilen, die zu Maschinen vom Typ Boeing 777 gehören, berichtete der TV-Sender CNN am Mittwoch unter Berufung auf nicht näher genannte Quellen.

Die malaysischen Behörden sind sich nach Regierungsangaben "fast sicher", dass ein vor der französischen Insel La Reunion im Indischen Ozean gefundenes Wrackteil zu einer Boeing 777 gehört. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass mehr als ein Jahr nach dem mysteriösen Verschwinden des Fluges MH370 erstmals ein Wrackteil gefunden wurde. Das Teil soll jetzt zur Untersuchung nach Frankreich gebracht werden. Nach Angaben des US-Luftfahrtexperten Greg Feith wird auf der südlichen Halbkugel keine weitere 777 vermisst, so dass es sich bei dem Trümmerteil um ein Überbleibsel des Unglücksflugs handeln müsste. An Bord des Malaysia-Airlines-Fluges waren 239 Menschen.

Teil eines Koffers von MH370?

Einen Tag nach dem Fund eines Flugzeugwrackteils auf der Insel La Reunion ist auch ein Teil eines Koffers entdeckt worden. Er sei an der selben Stelle aufgetaucht, wo das Wrackteil angeschwemmt wurde, berichtete die Regionalzeitung "Le Journal de l'Ile de la Reunion" am Donnerstag auf ihrer Internetseite. Ein Journalist der Zeitung veröffentlichte ein Foto auf Twitter, das die zerrissenen Überreste des Koffers zeigen soll. Die Gendarmerie habe das Fundstück mitgenommen. "Das Kofferstück war seit gestern dort, aber niemand hat darauf geachtet", sagte Johnny Begue, der das Flugzeugwrackteil entdeckt hatte.

Mittlerweile gehen die Ermittler aber davon aus, dass der Koffer nicht von der verschwunden Maschine stammt. Dafür lag er offenbar nicht lange genug im Wasser.

"Es ist so gut wie sicher, dass die Flügelklappe von einer Boeing 777 stammt", sagte Vize-Verkehrsminister Abdul Aziz Kaprawi. An dem Wrackteil, das eine Flügelklappe zu sein scheine, sei die aufgedruckte Nummer BB670 gefunden worden, berichtete der stellvertretende australische Ministerpräsident Warren Truss. Das sei keine Serien- oder Registrierungsnummer, aber vielleicht eine Wartungsnummer. Truss hält es für eine "realistische Möglichkeit", dass das Wrackteil zu MH370 gehört.

Das gefundene Tragflügelteil sehe nicht so aus, als sei es durch eine Explosion vom Rumpf getrennt worden, sagte John Cox, Chef der Luftfahrt-Consultingfirma Safety Operating Systems, dem US-Sender NBC. Sollte das Teil zu der vermissten Boeing gehören, deute dies auf eine "sanfte Landung" hin, wahrscheinlich auf dem Wasser.

Malaysia Airlines wollte sich an Spekulationen über den Fund zunächst nicht beteiligen. "Im Moment wäre es für die Airline zu früh, über die Herkunft des Objekts zu spekulieren", teilte Malaysia Airlines in Kuala Lumpur mit.

Eine Karte des Indischen Ozeans und Westaustraliens mit der eingezeichneten Unterwasser-Suchzone GO Phoenix.
epa04865642 A handout image made available by the Australian Transport Safety Bureau (ATSB) on 30 July 2015 and released on 16 April 2015 shows the search area for the missing Malaysia Airlines flight MH370 which vanished on a flight from Kuala Lumpur to Beijing in March 2014 with 239 people on board. The Australian government minister in charge of the MH370 search operation in the southern Indian Ocean said 30 July 2015 that if the wreckage found on La Reunion Island is from the missing flight, it would prove authorities were looking in the right area. A two-metre-long piece of debris covered in small shells was found on 29 July 2015 on the coast near Saint-Andre on the eastern side of La Reunion, local media reports said. EPA/ATSB HANDOUT EDITORIAL USE ONLY/NO SALES

Australische Meeresbiologen untersuchten, ob die Muscheln auf dem etwa zwei Meter langen Stück dazu passen, dass MH370 mehr als 16 Monate lang im Wasser getrieben sein müsste. Truss warnte bei einer Pressekonferenz am Donnerstag: Selbst wenn die Flügelklappe vom verschwundenen Flugzeug stamme, wisse man noch immer nicht, wo der Rumpf liege. Aber man könne nachvollziehen, ob die Suchmannschaften "ungefähr am richtigen Ort" unterwegs seien. Australien koordiniert die Wracksuche im Ozean. Auch Ermittler des Flugzeugbauers Boeing arbeiteten an der Identifizierung.

Der Ozeanograf David Griffin sagte dem australischen Rundfunksender ABC, Meeresströmungen und Winde könnten schwimmende Teile Tausende Kilometer weit zur Insel La Reunion vor der Küste Afrikas bringen. Zwischen dem Fundort und der Position, von der das letzte Signal der Maschine aufgefangen wurde, liegen rund 4.000 Kilometer. Schiffe mit Unterwasser- und Sonargeräten suchen seit mehr als einem Jahr in einem riesigen Gebiet des Indischen Ozeans nach dem Wrack. Es ist eine der abgelegendsten Meeresregionen der Welt. Das Wasser ist dort teils 6.000 Meter tief. 55.000 Quadratkilometer sind bisher ergebnislos abgesucht worden, wie die australische Koordinationsstelle für die Suche (JACC) mitteilte.

Strömungen und Wind würden Wrackteile vom Suchgebiet zuerst nach Norden tragen, sagte Ozeanograf Griffin bei ABC weiter. Von dort würde alles, was aus dem Wasser ragt, entlang des Äquators nach Westen treiben. "Und La Reunion liegt sehr nah am Äquator."

Insel-Präfektur noch zurückhaltend

Die Herkunft des auf La Reunion angeschwemmten Flugzeugwrackteils ist nach Angaben der Präfektur der Insel noch unklar. Bisher sei das Fundstück nicht identifiziert, teilte die Behörde am Donnerstag mit. "Keine Hypothese kann ausgeschlossen werden, einschließlich der Herkunft von einer Boeing 777."

Eine Infografik zum vermissten Flug MH370 der Malaysia Airlines seit dem 8. März 2014.
Flug MH370 ­ geplante Route, Suchgebiet, Lokalisierung der Insel La Reunion Grafik 0876-15-Luftfahrt.ai, Format 88 x 120 mm

Die französische Flugunfall-Untersuchungsbehörde Bea wurde zur Unterstützung herangezogen. Sie soll die französischen Ermittlungen mit der internationalen Untersuchung zum Verschwinden von Flug MH370 koordinieren.

Das im März 2014 verschollene Flugzeug der Malaysia-Airlines war ebenfalls eine Maschine vom Typ Boeing 777. Das rund zwei Meter lange Tragflächenstück war nach Berichten lokaler Medien am Mittwoch an der Küste bei Saint-Andre im Osten der Insel im Indischen Ozean gefunden worden.

So wurde das Teil entdeckt

Eine Pfefferschote hat beim Fund des mysteriösen Flugzeug-Wrackteils auf der französischen Insel La Reunion eine entscheidende Rolle gespielt. Johnny Begue, der das Wrackteil entdeckt hat, wollte eigentlich am Strand nach einem Stein suchen, um eine Peperoni zu zerreiben - und sah dann ein "merkwürdiges Ding" am Ufer.

Begue leitet ein Team, das im Auftrag eines Vereins den Strand der Gemeinde Saint-Andre im Osten von Le Reunion säubert. "Wir haben um 7.00 Uhr angefangen zu arbeiten" erzählt er. "Gegen 9.00 Uhr haben wir eine Pause eingelegt. Ich wollte am Strand einen runden Kieselstein suchen, um ihn als Stößel zu benutzen. Da habe ich am Ufer so ein merkwürdiges Ding gesehen."

Ein beschädigtes Flugzeugteil liegt auf einer Wiese.
epa04866273 A picture made available 30 July 2015 shows a piece of debris from an unidentified aircraft apparently washed ashore in Saint-Andre de la Reunion, eastern La Reunion island, France, 29 July 2015. A Malaysian government team is being dispatched to the French island of Reunion in the Indian Ocean, where newly found aircraft wreckage awakened speculation over flight MH370, which went missing last year with 239 people aboard. EPA/ZINFOS974

"Ich habe gleich gesehen, dass das ein Flugzeugteil ist", versichert Cedric Gobalsoumy, der zu dem Reinigungsteam gehört. Mit seinen Kollegen habe er das Teil weiter an Land gezogen, um zu verhindern, dass es von den Wellen fortgeschwemmt wird.

Zuerst hätten sie das Wrackteil einfach liegen lassen wollen. "Doch dann habe ich mir gesagt, das können wir nicht tun", sagt Gobalsoumy. "Ein Flugzeugteil im Meer ist ja nicht normal. Wir haben uns gesagt, in diesem Flugzeug sind vielleicht Menschen gestorben, und die Familien würden wissen wollen, was geschehen ist."

Das Team benachrichtigte daraufhin die Polizei. Die Nachricht von dem Wrackteil ging rasch um die Welt - und entfachte prompt neue Spekulationen über die vermisste Boeing 777 der Malaysia-Airlines, die im März 2014 auf dem Weg von Kuala Lumpur nach Peking verschwunden war. Die Bewohner der Insel La Reunion im Indischen Ozean sind beeindruckt vom Medienrummel. "Sogar CNN in den USA spricht von uns und zeigt die Insel auf einer Karte", freut sich Jean-Marc Alagama, ein 43 Jahre alter Familienvater.

239 Menschen an Bord

Ein Mann betrachtet ein Wandgemälde eines Flugzeugs der Malaysia Airlines, umgeben von Puzzleteilen.
Gedenken an die Opfer des Fluges MH370.
Der FlugMH370 ist eines der größten Dramen der Luftfahrtgeschichte: Die Boeing 777 war am 8. März 2014 mit 239 Menschen an Bord auf dem Weg von Kuala Lumpur nach Peking spurlos verschwunden. Das Flugzeug wurde seither ohne Erfolg gesucht. Die Suchaktionen, die seitdem von Australien geleitet werden, konzentrieren sich auf ein riesiges Gebiet im südlichen Indischen Ozean. Reunion liegt im westlichen Teil des Meeres etwa 700 Kilometer vor der Küste Madagaskars.

Nach dem jüngsten Fund sprach der französische Luftsicherheitsexperte Xavier Tytelman von einer unglaublichen Ähnlichkeit zwischen dem gefundenen Wrackstück und einem Teil eines Ruders einer Boeing 777. Auf seinem Twitter-Account und seinem Blog veröffentlichte er eine Skizze dazu. "In einigen Tagen werden wir eine sichere Antwort haben", schrieb Tytelman.

Angehörige hoffen auf Gewissheit

Nach dem Fund eines Wrackteils, das von der verschwundenen Malaysia-Airlines-Maschine des Fluges MH370 stammen könnte, sind die Gefühle von Angehörigen der Passagiere wieder aufgewühlt. Ihr sei "ein bisschen schlecht" geworden, als sie die ersten Berichte dazu am Fernsehen gesehen habe, sagte Sara Weeks, die Schwester eines neuseeländischen Passagiers, der Mediengruppe Fairfax New Zealand.

"Wir müssen wissen, was passiert ist", betonte Weeks. Auch ein Mann, dessen malaysischer Sohn an Bord war, äußerte die Hoffnung auf Gewissheit: "Ich will einen Abschluss dieses Rätsels", sagte er. Zugleich hoffte er aber, dass sein Sohn weiter am Leben sei.

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