Flüchtlingsdrama: Bis zu 300 Tote befürchtet

Eine neuerliche Flüchtlingstragödie von enormem Ausmaß hat sich vor der süditalienischen Insel Lampedusa ereignet. Die Küstenwache hat ein viertes Boot mit 105 Menschen an Bord aufgegriffen, das am Sonntag gemeinsam mit den vermissten Booten trotz stürmischer See unterwegs war. Auf dem geretteten Boot waren 29 Menschen erfroren. Ihre Särge wurden in den sizilianischen Hafen von Porto Empedocle gebracht. Das jüngste Opfer ist ein Zwölfjähriger.
"Wir sind ins Wasser gefallen und haben uns an einem Seil festhalten können, während die meisten neben uns im Meer verschwunden sind", berichtet ein Überlebender.
"Kaltes Herz"
Es war nur eine Frage der Zeit, bis es zu einer weiteren Katastrophe kam. Nach Ende der Mare-Nostrum-Mission der italienischen Marine Ende Oktober warnten Menschenrechtsorganisationen, dass die neue EU-Mission Triton vollkommen unzureichend sei. Den EU-Verantwortlichen in Brüssel wird ein "kaltes Herz" und "fehlendes Mitgefühl" vorgeworfen. Die EU verschließe die Augen davor, endlich eine ernsthafte humanitäre Rettungsaktion in die Wege zu leiten, hieß es.
"Die Tragödie erinnert an zwei Schlüsselpunkte: Erstens – die Überfahrten halten auch im Winter trotz schlechter Wetterbedingungen und stürmischer See an. Zweitens kehren wir mit den neuen Frontex-EU-Grenzschutzmaßnahmen zur Situation vor Oktober 2013 zurück, als Hunderte Flüchtlinge ertranken. Aktuell ist die Lage aufgrund des Syrienkrieges, der Krisen im Irak und Sudan sowie anderen Krisengebieten noch schlimmer", erklärt Martin Xuereb von der privaten Rettungsmission MOAS gegenüber dem KURIER.
Außenminister Paolo Gentiloni fordert erneut, Italien mit dem Flüchtlingsphänomen nicht allein zu lassen: "Der Triton-Einsatz genügt nicht. Es müssen mehr Ressourcen zur Rettung der Flüchtlinge eingesetzt werden." Die Mare-Nostrum-Mission – bei der 150.000 Menschen gerettet wurden – müsse nun von der gesamten EU getragen werden. Auch Papst Franziskus hat bei seiner Generalaudienz zu mehr Solidarität und Rettungseinsatz für Flüchtlinge aufgerufen.
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