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Hunderte Flüchtlinge kamen in Wien an
In Ungarn hatten sie die Züge gestürmt. Am Abend Ankunft am Westbahnhof.
Hunderte Flüchtlinge haben am Montag in der ungarischen Hauptstadt Budapest die Züge Richtung Deutschland und Österreich gestürmt. Allerdings weigerten sich die ÖBB zunächst aufgrund von "Überfüllung", diese an der österreichisch-ungarischen Grenze zu übernehmen. Das Zugteam habe die ungarische Polizei gerufen, um den Railjet 64 "von überzähligen Fahrgästen zu räumen", sagte ÖBB-Sprecher Michael Braun. Rund 300 Flüchtlinge hatten sich an Bord befunden. Auch in einem weiteren Railjet befanden sich rund 250 Flüchtlinge. Am Abend kamen dann Hunderte am Wiener Westbahnhof an. Drei ÖBB-Railjets transportierten sie in die Bundeshauptstadt. Insgesamt wurden drei Bahnsteige für Züge aus dem Nachbarland bereitgestellt. Die Ereignisse verliefen turbulent. Die Flüchtlinge kamen sichtlich abgekämpft, teilweise mit Kindern im Arm, am Westbahnhof an. Neben der Polizei wurden sie auch von freiwilligen Helfern in Empfang genommen, die sie mit Mineralwasser und Obst versorgten.

Auf dem Wiener Westbahnhof machten auch eine Handvoll Demonstranten ihrem Ärger über die Asyl-Zustände in Österreich Luft. Sie skandierten Parolen wie "No Border, no Nation" und hielten Plakate in die Höhe, auf denen "Refugees Welcome" zu lesen war.
Ungarische Polizei zog sich zurück
Die ungarische Polizei hatte sich laut ungarischen Medienberichten bereits Montagvormittag vom Budapester Ostbahnhof zurückgezogen, wo sie bisher Flüchtlinge davon abgehalten hatte, Züge in Richtung Österreich und Deutschland zu besteigen. Ein Umstand, der der APA von informierten Quellen bestätigt wurde: Ungarn habe den Schritt mit Personalknappheit und daraus resultierender Gefährdung der Beamten begründet. Von ungarischer Seite gab es zunächst keine Begründung für das Vorgehen. Eine Regierungsaussendung vom Montag ging nicht auf den Abzug der Polizei vom Bahnhof ein, sondern betonte lediglich, dass sich angesichts des Flüchtlingsandrangs die ungarischen Behörden an "die Rechtsvorschriften der Europäischen Union" gehalten hätten. Die deutsche Kanzlerin Merkel sagte, es sei hier offenbar zu einem "Missverständnis" gekommen. Sie betonte, es gelte nach wie vor die Dublin-Verordnung in Europa.
Deutschland: Züge im Zwei-Stunden-Takt
Der deutsche Regierungssprecher Steffen Seibert dementierte unterdessen auf Twitter das Gerücht, dass die deutsche Regierung Sonderzüge für Flüchtlinge für den Transport nach Deutschland zur Verfügung gestellt habe. Vielmehr müssten sich Flüchtlinge in Ungarn registrieren lassen. Asylverfahren seien dort durchzuführen.
Der Großteil der Flüchtlinge will nach Deutschland, auch Österreich ist für viele nur ein Transitland. Berlin hatte zuletzt angekündigt, dass es syrische Asylbewerber, nicht mehr in andere EU-Länder zurückschicken will, über die sie in die Europäische Union eingereist sind, wie es die Dublin-Regelung vorsehen würde.
Auch in Deutschland kamen am Montagabend Züge aus Ungarn an. Die Polizei in München rechnete für den Abend noch mit 500 Asylbewerbern. Im Zwei-Stunden-Takt kämen die Züge an.
Zaun wirkt nicht
Der nun fertiggestellte Stacheldrahtzaun an der ungarisch-serbischen Grenze zeigt auch keine spürbare Wirkung. Die ungarische Polizei griff nach eigenen Angaben allein am Sonntag 2.890 Flüchtlinge auf, die neu aus Serbien nach Ungarn gekommen waren. Am Samstag waren es 3.080 gewesen. Am selben Tag hatte das ungarische Verteidigungsministerium bekannt gegeben, dass der 175 Kilometer lange Zaun fertiggestellt worden sei - zwei Tage früher als geplant.
Mikl-Leitner: Aussetzen von Dublin kommt nicht in Frage
Innenministerin Johanna Mikl-Leitner hat angesichts der ungehinderten Weiterreise Hunderter Flüchtlinge aus Ungarn betont, "ein ersatzloses Streichen des Dublin-Systems" führe "automatisch zu einer noch stärkeren Schieflage innerhalb Europas". Damit werde "die Lage nur verschärft - das hat sich heute auch beim Zugverkehr gezeigt".
"Dublin ersatzlos auszusetzen kommt für mich nicht in Frage", so Mikl-Leitner in einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber der APA. Die Ministerin betonte, "wir brauchen eine faire, gleichmäßige Verteilung auf alle EU-Mitgliedsstaaten und legale Wege für echte Kriegsflüchtlinge". Aufgrund der geografischen Lage zwischen Ungarn und Deutschland sei "die Klarstellung Deutschlands, ebenfalls weiterhin an der Dublin-Verordnung festzuhalten, daher auch für Österreich wichtig."
Deutschland hatte vor einigen Tagen angekündigt, bei syrischen Flüchtlingen auf die "Dublin-Prüfung" zu verzichten und sie nicht mehr in andere EU-Staaten zurückzuschicken. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte am Montag, es sei hier offenbar zu einem "Missverständnis" gekommen. Sie betonte, es gelte nach wie vor die Dublin-Verordnung in Europa. Diese sieht vor, dass derjenige EU-Staat für ein Asylverfahren zuständig ist, in dem ein Asylbewerber erstmals europäischen Boden betritt.
Mikl-Leitner betonte weiters, es müsse auch die Sicherheit auf den österreichischen Bahnstrecken gewährleistet sein: "Überfüllte Züge sind ein Sicherheitsrisiko für den Bahnbetrieb und alle Fahrgäste. Die Sicherheit in den Zügen muss gewährleistet werden können, alles andere wäre inakzeptabel."
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