Felssturz in der Schweiz: Ehepaar aus Österreich vermisst

Ein Dorf ist von einer Schlammlawine überflutet.
Vom Piz Cengalo bei der Ortschaft Bondo hatten sich Gesteinsmassen gelöst. Bisher keine Spur von den Vermissten.

Ein gewaltiger Felsabbruch in den Schweizer Alpen im Bondasca-Tal beim Dorf Bondo hat am Mittwoch acht Wanderer aus Österreicher, Deutschland und der Schweiz überrascht. Unter den Gesuchten befand sich ein österreichisches Ehepaar, wie Thomas Schnöll, Sprecher des Außenministeriums, der APA sagte.

Noch in der Nacht sei das Gelände ergebnislos per Helikopter abgesucht worden. Am Donnerstag wurde eruiert, wo man mit der terrestrischen Suche mit Hunden beginnen könne, berichtete Einsatzleiter Andrea Mittner bei einer Pressekonferenz in der Schweiz. "Bis jetzt wurde aber keine Person gefunden."

Weitere Vermisste

Mittner zufolge wurde außerdem noch eine Gruppe von fünf bis sechs Personen im Tal Bergell von Angehörigen als vermisst gemeldet. Es war aber noch nicht klar, ob ein Zusammenhang mit dem Bergsturz bestand.

Die vermissten Wanderer haben sich nach Angaben der Behörden in einem offiziell ausgewiesenen Gefahrengebiet aufgehalten. Die Gemeinde Bondo habe zuletzt am 14. August eine Warnung vor einem möglichen Felssturz herausgegeben, sagte die Gemeindepräsidentin Anna Giacometti am Donnerstag bei einer Pressekonferenz.
„Die Leute haben gewusst, sie bewegen sich in einem gefährdeten Gebiet.“ Auch die Hüttenwirte hätten Wanderer auf die Gefahren aufmerksam gemacht, sagte Giacometti. Allerdings seien nur wenige Teile des Tales gesperrt gewesen.

Das Bandasca-Tal rund 35 Kilometer südwestlich von St. Moritz ist ein beliebtes Wander- und Bergsteigergebiet. In die beiden Berghütten in der Region hatten sich die Vermissten vor dem Naturereignis nicht gerettet: Hubschrauber brachten schon am Mittwoch 32 Besucher und Wirte ins Tal. Zehn weitere Personen warteten in anderen Hütten am Donnerstag auf ihre Bergung. Für sie bestand der Polizei zufolge keine Gefahr. Feuerwehr, Polizei, Militär und Zivilschutz waren nach Angaben der Behörden mit 121 Einsatzkräften im Einsatz.

Es war eine enorme Geröllmasse. Mittner erläuterte vor Medien, in dem fünf Kilometer langen Gebiet hätten sich die Schuttkegel "mehrere zehn Meter" hoch aufgetürmt. Die acht Vermissten seien nicht zusammen unterwegs gewesen, sagte Mittner.

Eine Karte zeigt die Lage des Piz Cengalo in der Schweiz, wo es zu einem Bergsturz kam.
Lokalisierungskarte Grafik 0860-17, Format 88 x 55 mm

Alpinisten sprechen von einem Bergsturz und einem Murenabgang. Bei einem Bergsturz brechen Felsteile in steilem Gelände weg und donnern mit Schutt Richtung Tal. Bei einem Murenabgang schieben sich Schlamm und Geröll mit Wasser abwärts. "Natürliche Tau- und Gefrierprozesse fördern die Verwitterung des Gesteins", heißt es auf der amtlichen Informationsplattform für den Umgang mit Naturgefahren (Planat).

Vier Millionen Kubikmeter

Der Bergsturz am 3.369 Meter hohen Piz Cengalo war am Mittwoch so gewaltig, dass die Erdbebenwarte in Zürich die Erschütterungen registrierte. Nach Schätzungen rutschten bis zu vier Millionen Kubikmeter Geschiebe mit Schlamm mit größeren Gesteinsbrocken nach, wie die Lokalzeitung "Engadiner Post" berichtete. Das ist mehr, als die Außenalster in Hamburg an Volumen fasst.

Zwei Rettungskräfte in orangefarbener Arbeitskleidung gehen mit einem schwarzen Hund eine Straße entlang.
ABD0088_20170824 - BONDO - SCHWEIZ: Search and rescue teams arrive, in the village Bondo in Graubuenden in South Switzerland, on Thursday, August 24, 2017. The village had been hit by a massive landslide yesterday. The main road between Stampa and Castasegna is disconnected. The village has been evacuated. There are no casualties reported. (KEYSTONE/Gian Ehrenzeller).. - FOTO: APA/KEYSTONE/GIAN EHRENZELLER

Bergstürze sind in den Alpen nicht selten. "Dadurch, dass die Alpen ein geologisch junges Gebirge mit markanten hohen Berggipfeln und tief eingeschnittenen Tälern sind, stellen niederstürzende Gesteinsblöcke ein fast alltägliches Ereignis dar", heißt es auf es auf Planat. Da die Polizei erst keine Vermissten meldete, gab es wenig Aufmerksamkeit für das Ereignis. Die Vermisstenmeldungen der Angehörigen erreichten die Polizei erst viel später.

Die Einwohner des Örtchens Bondo im Tal sahen riesige Staubwolken aufsteigen. Ein vor nicht allzu langer Zeit eigens installiertes Murenabgang-Warnsystem rettete womöglich einigen das Leben: Der Alarm ging im Dorf los, und wenig später schoben sich die grauen Geröll- und Schlammmassen direkt auf das Dorf zu. Die Polizei brachte die rund 100 Einwohner rechtzeitig in Sicherheit. Die graue Masse schob knapp an dem Ort vorbei. Auf Bildern waren riesige graue Geröllwüsten zu sehen. Die Anrainer fürchteten Regenfälle. Die Auffangbecken seien mit Schlamm verstopft, dann drohten Überschwemmungen, hieß es.

Ein Murenabgang ist ein gewaltiges Naturereignis. Aus der Ferne sieht er aus wie ein breiter Lavastrom. Riesige Felsbrocken stürzen dabei in einer Schlammlawine bergab und begraben Wiesen und Straßen unter sich. Bäume und Masten werden umgerissen, Ställe und Gebäude stürzen innerhalb von Sekunden ein und werden mitgerissen. In Bondo waren es zwei Ställe. Insgesamt wurden zwölf Gebäude beschädigt.

Eine steile, graue Felswand unter einem Himmel mit einigen Wolken.
ABD0064_20170824 - BONDO - SCHWEIZ: The abortion point of the massive landslide that hit the village Bondo in South Switzerland, Wednesday, August 23, 2017. The main road between Stampa and Castasegna is disconnected. The village has been evacuated. There are no casualties reported. (KEYSTONE/Giancarlo Cattaneo). - FOTO: APA/KEYSTONE/Giancarlo Cattaneo

"Bergstürze lassen sich mit technischen Mitteln nicht verhindern", heißt es bei Planat. Gefährdete Gebiete sollten gemieden werden. Am Piz Cengalo waren 2011 schon einmal größere Felsstücke abgebrochen. Eine ähnliche Menge Geröll stürzte ab, blieb aber im hinteren Teil des Bondasca-Tals liegen.

Der Klimawandel könnte zu vermehrten Bergstürzen beitragen, berichtete die Arbeitsgruppe Naturgefahren des Kantons Bern. Wenn sich der Permafrost im Felsen zurückbilde, würden neue Trennflächen aktiv. Wenn sich Gestein ablöse, gebe es neue Fließwege für Wasser und neue Druckverhältnisse, was den Fels zusätzlich destabilisiere.

Weitere Bilder aus Graubünden

Ein Schlammlawine hat eine Straße und Häuser in einem Dorf überflutet.
Still image taken from video shows the remote village of Bondo in Switzerland, August 23, 2017 after a landslide struck it. REUTERS/LOCAL TEAM via Reuters TV NO ACCESS IT WEBSITES ITALY OUT SWITZERLAND OUT
Ein Fluss hat nach einem Unwetter eine Schneise der Verwüstung hinterlassen.
Still image taken from video shows mud and stones blocking a road in the remote village of Bondo in Switzerland, August 23, 2017 after a landslide struck it. REUTERS/LOCAL TEAM via Reuters TV NO ACCESS IT WEBSITES ITALY OUT SWITZERLAND OUT
Ein Flussbett ist mit Geröll und Schlamm bedeckt, im Hintergrund Häuser.
Still image taken from video shows the remote village of Bondo in Switzerland, August 23, 2017 after a landslide struck it. REUTERS/LOCAL TEAM via Reuters TV NO ACCESS IT WEBSITES ITALY OUT SWITZERLAND OUT
Ein Schweizer Polizeihelikopter überfliegt ein Dorf in den Bergen.
ABD0036_20170824 - BONDO - SCHWEIZ: A police helicopter is pictured above the village Bondo in Graubuenden in South Switzerland, on Thursday, August 24, 2017. The village had been hit by a massive landslide yesterday. The main road between Stampa and Castasegna is disconnected. The village has been evacuated. There are no casualties reported. (KEYSTONE/Gian Ehrenzeller).. - FOTO: APA/KEYSTONE/GIAN EHRENZELLER

Bergsturz Schweiz Interview

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