Leiche von Schüler, der Notruf absetzte, gefunden

Bergungsarbeiten vor Südkorea
Bis jetzt sind es 169 Todesopfer. Einige Eltern der getöteten Schüler verlangen eine Obduktion.

Mehr als eine Woche nach dem Fährunglück vor Südkorea haben Taucher im Wrack die Leiche jenes Schülers gefunden, der noch vor der Besatzung einen Notruf abgesetzt hatte. Der Bursche sei von seinen Eltern identifiziert worden, berichtete die Nachrichtenagentur Yonhap. Er hatte drei Minuten vor der Besatzung in seinem Notruf völlig verängstigt berichtet, dass die Fähre sinke.

Der Anruf des Schülers heizte den Ärger über die späte Reaktion von Kapitän und Besatzung weiter an. Die "Sewol" war vor einer Woche auf dem Weg zur Insel Jeju mit 476 Menschen an Bord gekentert und später gesunken. 174 Insassen wurden gerettet, darunter der 69-jährige Kapitän und zwei Drittel seiner Besatzung. Die Zahl der bestätigten Todesopfer stieg am Donnerstag auf 169, 133 galten noch als vermisst. Ihre Bergung in dem trüben Wasser ist äußerst mühsam.

An Bord der Unglücksfähre befanden sich 352 Schüler einer Mittelschule der Stadt Ansan sowie rund ein Dutzend ihrer Lehrer, die zu einem Ausflug auf die Urlaubsinsel Jeju wollten. Nur 75 der Jugendlichen überlebten das Unglück.

Zu lange Bergungsarbeiten?

Nach Angaben von Gerichtsmedizinern wollen einige Eltern der getöteten Schüler eine Obduktion verlangen, um die genaue Todesursache festzustellen. Sie glauben, dass ihre Kinder möglicherweise zunächst in Lufteinschlüssen überlebt haben und möglicherweise nicht gestorben wären, hätten die Bergungsarbeiten nicht so lange gedauert. Bis die Taucher zu den ersten Leichen vordrangen, vergingen vier Tage.

Sieben Crew-Mitglieder festgenommen

Die Umstände des Unglücks sind noch nicht aufgeklärt. Sieben Crew-Mitglieder wurden verhaftet, darunter Kapitän Lee Joon Seok. Sie sollen die Evakuierung verzögert und die Passagiere im Stich gelassen haben, weil sie frühzeitig das Schiff verließen. Vier weitere Besatzungsmitglieder sind festgenommen, aber bisher noch nicht angeklagt. Sie wurden am Donnerstag im Fernsehen gezeigt. Einer von ihnen, der leitende Maschinist der "Sewol", sagte aus, er habe vor dem Unglück keine technischen Probleme festgestellt.

Betreiber im Visier

Die Ermittler nehmen sich aber auch den Betreiber der Unglücksfähre vor. Zahlreiche Büros der Reederei Chonghaejin Marine wurden durchsucht. Gegen den Eigentümer Yoo Byung-eun und das Management wird unter anderem wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung und Untreue ermittelt. Die Ermittler wollen Vermögenswerten nachspüren, damit später Schadenersatz an die Familien der Opfer gezahlt werden kann.

Der südkoreanische Fernsehsender Arirang berichtete unterdessen, dass die Besatzung der Fähre zwei Wochen vor dem Unglück ein technisches Problem an der Ruderanlage feststellte und eine Reparatur beantragt hatte. Das Steuerungssystem habe "kein Strom" gemeldet, berichtete der staatliche Sender. Der Defekt sei aber offenbar nicht behoben und die Fähre nicht aus dem Verkehr gezogen worden.

Die Werft, die das Schiff sonst repariert hatte, gab an, in jüngster Zeit keine Arbeiten am Ruder vorgenommen zu haben. Die Ermittler gehen eventuellen Problemen an der Steuerung nach, weil eine abrupte Kursänderung dazu geführt haben könnte, dass die Ladung verrutschte und das Schiff in Schieflage geriet.

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