Fast eine Million Menschen mussten Häuser verlassen

Ein schweres Erdbeben vor der chilenischen Küste hat mindestens sechs Menschenleben gefordert. Zuvor war von fünf Toten berichtet worden. Es sei die Leiche einer Frau entdeckt worden, teilte Innenminister Rodrigo Penailillo am Mittwoch in der Hauptstadt Santiago de Chile mit. Zugleich gab er bekannt, dass der Tsunami-Alarm nun für das ganze Land aufgehoben worden sei.
Mehr als 900.000 Menschen waren zuvor in Sicherheit gebracht worden. Das teilte der Katastrophenschutz (Onemi) am Mittwoch in der Hauptstadt Santiago de Chile mit. Die Behörden hatten landesweit Evakuierungen angeordnet und die Bevölkerung aus Furcht vor den Riesenwellen eines Tsunami aufgefordert, Schutz in höher gelegenen Gebieten zu suchen.
"Es hat keine große Zerstörung gegeben", sagte Onemi-Chef Ricardo Toro nach einem Bericht des Radisosenders Bio Bio in einer ersten Einschätzung. Um Plünderungen zu vermeiden und bei Aufräumarbeiten zu helfen, patrouillierte dort das Militär. Präsidentin Michelle Bachelet hat drei Regionen im Norden des Landes zum Katastrophengebiet erklärt.
Das Beben am Dienstagabend hatte eine Stärke von 8,2. Das Epizentrum habe sich zwischen Arica und Iquique in 38,9 Kilometer Tiefe gelegen, teilte die chilenische Erdbebenwarte CSN mit.
Stromausfälle
Die Flughäfen von Arica und Iquique wurden geschlossen. Flüge, die von Santiago in die Städte im Norden bereits gestartet waren, kehrten zur chilenischen Hauptstadt zurück. In Antofagasta und Arica wurde der Schulunterricht für Mittwoch abgesagt. In Iquique gab es einige Plünderungsversuche, erklärte der Gouverneur Gonzalo Prieto.
Nachbeben
Die Staatschefin Michelle Bachelet verfolgte die Situation vom Regierungsgebäude in Santiago de Chile aus. In der ersten Stunde nach dem Erdbeben wurden vier Nachbeben von einer Stärke ab 5,0 verzeichnet. Das Hauptbeben war bis in der fast 500 Kilometer entfernten bolivianischen Hauptstadt La Paz zu spüren, wie der lokale Fernsehsender Unitel nach Angaben der Erdbebenwarte Boliviens berichtete.
Am 27. Februar 2010 waren bei einem Erdbeben der Stärke 8,8 in Südchile mehr als 500 Menschen umgekommen. In Nordchile waren dagegen seit dem 19. Jahrhundert keine Erdbeben dieser Stärke verzeichnet worden. In den vergangenen Wochen hatte rund 400 schwächere Beben das Gebiet erschüttert. Chile befindet sich an der Kontaktgrenze der tektonischen Nazca-Platte mit der südamerikanischen Platte.
Vor der chilenischen Küste hat sich am Dienstagabend ein Erdbeben der Stärke 8,2 ereignet. Mindestens sechs Menschen kamen ums Leben. Im Folgenden ein Überblick über einige der schwersten Erdbeben der vergangenen Jahrzehnte mit einer Stärke von mehr als 8:
2011 Japan wird von einem Beben der Stärke 9,0 erschüttert, das einen gewaltigen Tsunami auslöst. Mehr als 18.000 Menschen sterben, die Flutwelle trifft auch das Atomkraftwerk Fukushima und löst die schwerste Atomkatastrophe seit Tschernobyl 1986 aus.
2005 Bei einem Erdbeben der Stärke 8,6 nahe der indonesischen Insel Nias vor Sumatra kommen 900 Menschen ums Leben, 6.000 weitere werden verletzt.
2004 Ein Erdbeben der Stärke 9,1 vor der Küste Sumatras löst am Zweiten Weihnachtstag eine gigantische Tsunami-Welle aus. In mehreren Anrainerstaaten des Indischen Ozeans sterben etwa 220.000 Menschen.
1964 Alaska wird von einem Erdbeben der Stärke 9,2 und einem Tsunami heimgesucht, das Epizentrum liegt in der Nähe der Prince-William-Bucht im Süden des US-Bundesstaats. Mehr als 100 Menschen kommen ums Leben.
1960 Ein Erdbeben der Stärke 9,5 erschüttert Chile. Der Erdstoß löst einen Tsunami aus, der in vielen Pazifik-Staaten schwere Zerstörungen verursacht. In Chile kommen 5.700 Menschen ums Leben, 130 sterben in Japan und 61 auf Hawaii.
1952 Die Halbinsel Kamtschatka im Osten der damaligen Sowjetunion wird von einem Erdbeben der Stärke 9 erschüttert. Die Tsunami-Wellen richten sogar in Chile und Peru Zerstörungen an, mehr als 2.300 Menschen kommen ums Leben.
Chile ist in der Vergangenheit immer wieder von starken Erdbeben erschüttert worden. Das südamerikanische Land liegt am sogenannten Pazifischen Feuerring. An dem hufeisenförmigen Vulkangürtel, der den Pazifischen Ozean umgibt und fast die gesamte Pazifische Platte umschließt, stoßen gleich mehrere Kontinentalplatten und ozeanische Platten aneinander.

Schwächezonen
Der rund 40.000 Kilometer umfassende Feuerring besteht größtenteils aus einer Reihe von Inselbögen wie den Aleuten, den Kurilen und dem indonesischen Archipel. Er verläuft im Osten von Chile über Peru und die Westküste der USA bis nach Nord-Alaska und im Westen von Japan über Südostasien bis zu den Pazifik-Inseln. An den Rändern der Pazifischen Platte ist der Erdmantel an einigen Stellen nur wenige Kilometer dick. Die Plattenverschiebungen verursachen Schwächezonen und Risse, durch die Magma an die Oberfläche gelangt. Der Vulkangürtel ist der größte der Erde und für die meisten Beben verantwortlich.
Entscheidend für die Stärke von Erdbeben ist die Geschwindigkeit, mit der sich die Platten aufeinander zu bewegen. Vor Chile liegt die ozeanische Platte Nazca, die auf die Südamerikanische Kontinentalplatte trifft. Da sich die Nazca-Platte mit sieben bis acht Zentimetern pro Jahr relativ schnell bewegt, ist das Land besonders anfällig für Erdstöße. Das heftigste jemals registrierte Beben mit einer Stärke von 9,5 ereignete sich ebenfalls in Chile, im Mai 1960. Es löste einen heftigen Tsunami aus, der im gesamten Pazifik zu spüren war.
Nach Angaben der US-Erdbebenwarte USGS wurden seit 1900 entlang des Pazifischen Feuerrings pro Jahr knapp 20 Erdbeben mit einer Stärke von mehr als 7,0 gemessen. Auch der verheerende Tsunami in Südostasien zu Weihnachten 2004, bei dem mehr als 220.000 Menschen ums Leben kamen, wurde durch ein Beben in der Region des Feuergürtels ausgelöst. Dieses Beben hatte die Stärke 9,1.
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