Den Ursprung des Lebens suchen

Das Leben ist zäh. In Gesteinen, auf Berggipfeln, in heißen Quellen, in Tiefseegräben – und vielleicht sogar auf dem Mars. Überall dort existieren winzige Lebewesen, die Mikroben. Eine gigantische Vielfalt an Bakterien und Ur-Bakterien (Archaeen). Kein Ort ist ihnen zu kalt, zu heiß oder zu giftig, sogar unter Luftabschluss können diese ursprünglichen Lebewesen überdauern. Eines brauchen sie aber: Wasser.
Ein britisches Forscherteam des Antarctica Survey ist zur Probennahme aufgebrochen – zu einem sehr speziellen Ort: Ellsworth, ein unwirtlicher Gletscher in der eisigen Wüste der Westantarktis. Hier, unter kilometerdicken Eisschichten, liegt seit einer halben Million Jahren ein Süßwassersee verborgen, der Ellsworth-See. In seinem Wasser und in den Sedimenten darunter suchen die Geophysiker und Mikrobiologen nach den mysteriösen Anfängen des Lebens auf unserem Planeten.
Mithilfe einer speziellen Apparatur pumpen die zwölf Männer rund um Eisforscher Martin Siegert Heißwasser in drei Kilometer Tiefe hinunter. Der See ist nicht gefroren, dafür sorgt der immense Druck der Eismassen, trotz –2 C. An der Oberfläche hat es –20C.
„Wenn wir dort unten Leben finden, dann kann es überall existieren, nicht nur auf der Erde.“
Die Forscher setzen eine Schmelzsonde ein, ein Gerät, das aussieht wie ein Duschkopf. Das heiße Wasser, das da herausschießt, bohrt sich in gerader Linie in die Tiefe. Der Bohrer ist steril, das Wasser, das nach unten gepresst wird, wird mit Filtern und UV-Licht gesäubert, um die Proben nicht zu verunreinigen.
100 Stunden wird es dauern bis die Seeoberfläche erreicht ist. Innerhalb von 24 Stunden werden die Eiswasser- und Sedimentproben gezogen. Dann friert das Loch wieder zu. Wenn die 100-ml-Proben im Labor von John Parnell an der Universität Aberdeen eingetroffen sind, werden sie auf chemische Substanzen analysiert. Stoffe, die von Mikroben aus dem See stammen.
Was sich der Wissenschaftler erhofft? „Wenn wir Hinweise auf Leben unter derart widrigen Umständen finden, ist klar, dass Leben überall existieren kann, nicht nur auf der Erde, sondern auch außerhalb.“ Wo Wasser ist, ist Leben.
Der Ellsworth-See wurde vor rund 500.000 Jahren von der Außenwelt isoliert. Andere subglaziale Seen der Antarktis sind wesentlich älter. Der Wostok-See etwa ist seit schätzungsweise 15 bis 20 Millionen Jahren von der Umwelt abgeschnitten. Er liegt in vier Kilometern Tiefe. Dort bohrt ein russisches Forscherteam. Allerdings ist dessen Methode umstritten, vor allem der Einsatz von Frostschutzmittel bei der Bohrung wird kritisiert.
„Es gibt sicher Leben in diesen subglazialen Seen, da lasse ich mir die Hand abhacken.“
Sollten die Forscher in der Antarktis wider Erwarten auf keine Lebensformen stoßen, wäre das kein Beinbruch, sagt der Mikrobiologe David Pearce. „Dann wüssten wir genau, unter welchen Bedingungen Leben nicht mehr möglich ist.“
Doch davon geht niemand aus. Auch Alexander Loy nicht. Der Forscher am Department für mikrobielle Ökologie der Universität Wien meint: „Es sind sicher Mikroben im See, da würde ich mir die Hand abhacken.“ Ihre Aktivität und Menge werde aber vergleichsweise bescheiden sein, denn es handle sich um Spezialisten, die ohne Licht, mit wenigen Nährstoffen auskommen.
Die Ellsworth-Mikroben sind lebende Fossilien, die vor Jahrmillionen entstanden sind, als die Antarktis immer weiter nach Süden wanderte. In der Folge wurde der Eispanzer immer dicker und die Seen von der Außenwelt abgeschnitten. Für die Überlebenskünstler kein Problem: „Es gibt Berechnungen aus tiefen Sedimentschichten, wo Mikroorganismen von praktisch nichts leben. Es kann Tausende von Jahren dauern, bis sich eine Zelle teilt, weil so wenig Nährstoffe im System sind.“
Als extrem würde Alexander Loy die Bedingungen in der Antarktis nur vom menschlichen Standpunkt aus bewerten: „Aus mikrobieller Sicht gibt es keine extremen Lebensräume, weil Mikroorganismen alle uns bekannten Extreme besiedeln können.“
... mehr als 400 Gletscher-Seen unter dem antarktischen Eis schlummern? Sie stammen aus einer Zeit, als die Temperaturen deutlich höher waren.
... die Antarktis mit 12,4 Millionen der fünftgrößte Kontinent ist?
... der geografische Südpol mit 25 mm Jahresniederschlag nach der Stadt Arica in Chile (0,9 mm) der trockenste Ort der Welt ist? Über Jahrmillionen hat sich auf dem extrem trockenen Kontinent dickes Eis angesammelt. Die Luft ist zu kalt, um Feuchtigkeit zu halten. Im Tal des Todes gibt es immerhin 38 mm Regen im Jahr. Zum Vergleich: das östliche Österreich bekommt immerhin noch 500 mm.
... die niedrigste je gemessene Temperatur auf der Erde –89,2 C in der russischen Station Wostok nahe dem magnetischen Südpol gemessen wurde? Das war am 21. Juli 1983.
... die Antarktis in der Erdgeschichte nicht immer ein lebensfeindlicher Ort war? Vor ca. 50 Millionen Jahren lag die Durchschnittstemperatur in der Antarktis um 50 bis 60 C über der heutigen. In Sedimentproben wurden Pollen und Sporen tropischer bis subtropischer Pflanzen nachgewiesen.
... der abgeschiedenste Berg der Welt nahe dem Ellsworth-See liegt? Der Mount Vinson ist mit 4650 m der höchste Berg der Antarktis.
... 90 Prozent des Eises der Erde in der Antarktis vorkommen? Je mehr Eis schmilzt, desto weniger Sonnenenergie wird reflektiert. Das Meer erwärmt sich, das beschleunigt die Schmelze.
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