Hauptverdächtiger im Entführungsfall angeklagt

Der mutmaßliche Kidnapper junger Frauen in Cleveland (US-Staat Ohio) ist offiziell der Entführung und Vergewaltigung beschuldigt worden. Die Anklage gegen Ariel Castro werde am Donnerstag vor Gericht verlesen, sagte der Staatsanwalt Victor Perez am Mittwochabend (Ortszeit). Gegen seine beiden ebenfalls festgenommen Brüder gebe es hingegen keine rechtlichen Vorwürfe in dem Fall.
Die Freiheitsberaubung von Berrys sechsjähriger Tochter Jocelyn, die während der Gefangenschaft in einem Kinderplanschbecken zur Welt gekommen sei, werde in der Anklage als vierter Entführungsfall behandelt. Ein Vaterschaftstest solle klären, ob Castro das Kind gezeugt habe. Die Ermittler gingen derzeit nicht von weiteren Opfern aus.
Ermittlungen gehen weiter
Die Ermittlungen in dem Fall seien längst nicht abgeschlossen, teilten Behördenvertreter weiter mit. So müsse noch geklärt werden, wie oft die festgehaltenen Frauen schwanger gewesen sein könnten und warum es zu mutmaßlichen Fehlgeburten kam. Nach Polizeiangaben wurden die Frauen phasenweise mit Seilen und Ketten gefesselt und im Keller eingekerkert.
Die Befreiung der drei entführten Frauen aus jahrelanger Gefangenschaft löste in den USA Kritik an den Ermittlern aus. Nachbarn gaben an, die Polizei mehrmals auf eigenartige Vorgänge in dem "Horrorhaus" aufmerksam gemacht zu haben, wie Medien am Mittwoch berichteten. Angeblich wollen Anrainer in den vergangenen Jahren von "Frauen in Ketten" und "nackten, krabbelnden Frauen im Garten" berichtet haben.
Die Polizei von Cleveland wies die Vorwürfe zurück. Die Behörden hätten alles in ihrer Macht getan, um die Vermisstenfälle zu lösen, sagte der städtische Polizeichef Mike McGrath. Es seien in den vergangenen Jahrzehnten nur zwei Hinweise in Zusammenhang mit der betreffenden Adresse eingegangen und diese hätten beide nichts mit den vermissten Frauen zu tun gehabt.
Die ausführliche Befragung der drei Opfer wurde den Polizeiangaben zufolge zunächst verschoben, damit die jungen Frauen ihre Familien wiedertreffen können. Der Nachbar, der am Montag die Hilferufe von Berry gehört hatte, sie aus einem Spalt winken sehen und daraufhin die Tür eingetreten hatte, wird inzwischen als Held gefeiert.
Zwei Frauen wieder bei Familien
Die Polizei befreite auch DeJesus und Knight, die heute 23 und 32 Jahre alt sind.
Ex-Schulbusfahrer Castro
CNN zufolge ist Ariel Castro ein ehemaliger Schulbusfahrer, der wegen "schlechten Urteilvermögens" entlassen worden sei. Er soll seine Frau schwer misshandelt haben, wie aus Gerichtspapieren aus dem Jahr 2005 hervorgehe. Demnach erlitt die Frau unter anderem Rippenbrüche und ein Blutgerinnsel im Gehirn. Beide Schultern seien ausgekugelt gewesen.

Ermittler suchten unterdessen das Haus und die Umgebung nach weiteren möglichen Entführungsopfern ab.
In seinem Garten bastelte er an Autos, in seinem Haus hielt er drei Frauen gefangen: Der Hauptverdächtige im Entführungsfall von Cleveland, Ariel Castro, führte offenbar mehr als zehn Jahre lang ein Doppelleben. Weder Nachbarn noch Angehörige bemerkten, was in seinem zweistöckigen, weißen Haus in der Seymour Avenue vor sich ging. Sein Onkel Julio Castro sagte dem spanischen Programm von CNN: "Vielleicht war er die Art Mensch, die ein Doppelleben führte."
Der 52-Jährige stammt aus einer Großfamilie, die nach dem Zweiten Weltkrieg aus Puerto Rico in die USA einwanderte. Die Familie ließ sich in Cleveland im Bundesstaat Ohio nieder - damals war die Stadt noch eine florierende Industriemetropole. Ariel Castros inzwischen verstorbener Vater Nona hatte einen Abstellplatz für Gebrauchtwagen. Sein Onkel Julio, 78, führt einen Lebensmittelladen und ist in der hispanischen Gemeinde Clevelands gut bekannt.
In der Nachbarschaft hatte Ariel Castro einen insgesamt guten Ruf. "Ich hab mit diesem Typen gegrillt", berichtete Nachbar Charles Ramsey, der Castros mutmaßlichen Entführungsopfern bei der Flucht half. Auch habe er Castro im Garten mit seinen Hunden spielen und an Autos und Motorrädern herumschrauben gesehen, sagte Ramsey.
Zu Castros Leidenschaften zählt Musik. 15 Jahre lang spielte er Bass in der Latin-Band Grupo Kanon. Doch beim Chef der Gruppe, Ivan Ruiz, wuchsen die Bedenken. "Er war komisch", sagte Ruiz der Tageszeitung "Cleveland Plain Dealer". Der Bassist sei immer unzuverlässiger geworden. "Es war, als könne er sein Haus nicht verlassen." Im vergangenen Jahr habe er Castro aus der Band geworfen.
Auch der Onkel, Julio Castro, erinnert sich an eine Verhaltensänderung. Nach dem Tod des Vaters im Jahr 2004 habe sich Ariel von der Verwandtschaft abgeschottet. In diesem Jahr wurde Gina DeJesus entführt. Bereits ein Jahr zuvor war Amanda Berry verschwunden, ein weiteres Jahr davor Michelle Knight. Alle drei Frauen sowie Berrys sechsjährige Tochter wurden Anfang der Woche aus Castros Haus befreit.
22 Jahre lang war Ariel Castro als Busfahrer tätig, wurde im November 2012 aber gefeuert. Grund für den Rauswurf war laut den Schulakten, dass Castro den Bus stehen ließ und nach Hause ging, "um sich auszuruhen". Schon zuvor war Castro unangenehm aufgefallen. Unter anderem ließ er ein behindertes Kind allein im Bus, während er sich einen Hamburger kaufte.
Schwierigkeiten hatte Castro nicht nur im Beruf, sondern auch in der Familie. Seine Ex-Frau warf ihm 2005 in einer Anzeige vor, er habe die gemeinsamen Töchter "häufig entführt" und von der Mutter ferngehalten. Zudem sind in den Akten zahlreiche Verletzungen der Ex-Frau vermerkt, darunter zwei Nasenfrakturen und gebrochene Rippen. Zur Anklage kam es aber nicht. Der Sohn des Paares sagte der britischen Tageszeitung "Daily News", seine Mutter habe Castro 1996 nach Jahren der Gewalt verlassen.
Ariel Castros Cousine Maria Castro Montres zeigte sich über die mutmaßlich von ihrem Vetter begangenen Taten entsetzt. "Wer so etwas tut, ist ein Psychopath", sagte sie AFP. "Wenn eines unserer Familienmitglieder das getan hat, muss es dafür bezahlen."
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