Bulgarien: "Jedes zweite Kind in unserem Land ist arm"

Der Balkanstaat gilt als das ärmste Land Europas. Caritas schlägt Alarm.

Bulgarien gilt heute als das ärmste Land Europas. Knapp die Hälfte der Einwohner im Balkanstaat lebt in Armut. Weit über dem EU-Durchschnitt liegt auch die Kinderarmut - 2013 bei 21 Prozent. Familien mit mehreren Kindern sind besonders armutsgefährdet. "Eigentlich ist in unserem Land jedes zweite Kind arm", betonte Emanouil Patashev, Generalsekretär der bulgarischen Caritas.

"Verletzung der Kinderrechte"

"Ein Aufwachsen in Armut bedeutet eine Verletzung der Kinderrechte", sagte Caritas-Präsident Michael Landau bei einer Pressereise anlässlich der Kampagne "Hilfe für Kinder in Not" nach Bulgarien. Zwar hat sich in den vergangenen 20 Jahren in Osteuropa vieles zugunsten der Kinder verändert. Dennoch sind viele in Gefahr, vergessen zu werden. Das UN-Kinderhilfswerk Unicef spricht hier "von den unsichtbaren Kindern Osteuropas": Kinder in Heimen, auf der Flucht, mit Behinderung, von den Eltern zurückgelassen.

"Ihnen wird die Kindheit zerstört und auch ihre Zukunft", kritisierte Christoph Schweifer, Generalsekretär der Caritas-Auslandshilfe. Besonders schwierig ist in Bulgarien die Situation der Roma-Kinder. "Jedes zweite Roma-Kind in Bulgarien hat nicht mal einen Volksschulabschluss", sagte Schweifer. "Wir müssen versuchen, die Erbfolge der Armut zu unterbrechen", betonte er. Die österreichische Caritas unterstützt dafür zahlreiche Projekte in Bulgarien.

Der in Sofia gelegene Stadtteil Fakulteta ist mit etwa 50.000 Bewohnern eine der größten Roma-Siedlungen Südosteuropas. Der Großteil der dort lebenden Familien wohnt in desolaten Gebäuden ohne Fließwasser und Strom. Alltagssprache ist oft nicht Bulgarisch, sondern Romani. Die Caritas unterstützt in der Siedlung das Projekt "I am studying and playing in Bulgarien". Roma-Kinder werden spielerisch beim Spracherwerb gefördert. "Im Zentrum werden 60 Kinder betreut", sagte der Leiter, Yane Nikolov. "Für Roma ist Bildung oftmals nicht wichtig", schilderte der junge Mann. Doch genau das soll den Kindern in der Einrichtung vermittelt werden.

Auch die vierjährige Bojidarka kommt jeden Tag ins Zentrum, ihr gefällt das Angebot gut. "Ich habe noch drei weitere Kinder, sie sind in staatlichen Einrichtungen", erzählte ihre 29-jährige Mutter Anka. Die gesamte Familie ist nicht krankenversichert, die Frau arbeitslos, der Mann als Straßenkehrer tätig. Auch der zwölfjährige Atracho wird von den Pädagogen und Erziehern betreut. "Am liebsten bin ich hier zum Lernen, besonders gerne habe ich Mathematik", sagte der Bursche, dessen Berufswunsch es ist, Profifußballer zu werden.

Arbeiten

Für viele bulgarische Kinder existiert keine klassische Familie, Erwachsene müssen aufgrund der wirtschaftlichen Lage fern von der Familie arbeiten. Ein warmes Essen in der Schulküche der Caritas und Lernbetreuung - das bekommen 65 Kinder in Banya, einem kleinen Dorf im Süden Bulgariens. Die Menschen leben in ärmlichen Verhältnissen und baufälligen Häusern. Fast 90 Prozent der 4.000 Einwohner Banyas gehören der Volksgruppe der Roma an. "Viele Kinder werden bei den Großeltern zurückgelassen, wenn die Eltern ins Ausland arbeiten gehen. Mittlerweile sind wir froh darüber, dass die meisten Kinder zum Schulbeginn im Herbst pünktlich zurückkommen", sagte die Schuldirektorin Elena Alexandrova.

In der südbulgarischen Stadt Malko Tarnovo, nahe der türkischen Grenze, leben 3.000 Menschen, hauptsächlich Roma. Es ist eine der ärmsten Regionen Europas. Die Caritas betreibt dort ein "Community support center". Rund 50 sozial benachteiligte und von Gewalt betroffene Kinder werden betreut. "Wir schließen mit den Eltern einen Vertrag mit Zielvereinbarungen ab, etwa, dass die Kinder regelmäßig in die Schule gehen müssen", sagte die Leiterin Maria Dimieva. Das Tageszentrum ist für rund 50 sozial benachteiligte und von Gewalt betroffene Kinder die einzige Anlaufstelle. Betreut wird unter anderem auch der zehnjährige Galina. "Ihm gefällt es sehr gut im Zentrum", sagte seine Mutter Maria. Sie ist arbeitslos und hat noch zwei weitere Kinder, darunter einen kleinwüchsigen Sohn der mehr Betreuung benötigt. "Die Arbeit mit Familien zeigt Erfolg, sie verändert", betonte Landau.*

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