Billig-Implantate: TÜV unter Beschuss

Im Skandal um defekte Billig-Brustimplantate haben betroffene Patientinnen sowie Händler mehr als 50 Millionen Euro vom TÜV Rheinland wegen mangelhafter Kontrollen verlangt. In einem Zivilprozess vor dem Handelsgericht in der südfranzösischen Stadt Toulon sagte Opferanwalt Laurent Gaudon am Freitag: "Der TÜV hat weltweit Produkte vertrauenswürdig gemacht, die es nicht wert waren." Der TÜV, der die fehlerhaften Billigimplantate der Firma PIP zertifiziert hatte, sieht sich selbst als Opfer eines Betruges.
Strafprozess beginnt am 17. April
Der Strafprozess in dem Skandal, der weltweit für Schlagzeilen sorgte, soll am 17. April in Marseille beginnen. In Toulon geht es aber auch darum, einen Schuldigen zu finden, der die Opfer finanziell entschädigt, denn die Firma PIP unter ihrem Firmengründer Jean-Claude Mas ist seit Jahren pleite. PIP hatte weltweit Hunderttausende Brustimplantate verkauft, die mit Industriesilikon gefüllt waren. Die Billigkissen reißen häufiger und rufen Entzündungen hervor.
Nach Ansicht der Kläger war der Skandal nur möglich, weil es wiederholt Fehler bei den Inspektionen durch den TÜV gab. Sechs Händler aus Bulgarien, Brasilien, Italien, Syrien, Mexiko und Rumänien verlangen deshalb insgesamt 28 Millionen Euro Schadenersatz. Mehr als 1.600 Frauen, vor allem Südamerikanerinnen, aber auch Französinnen und Britinnen, verlangen in Toulon 16.000 Euro Schmerzensgeld pro Person, insgesamt fast 25 Millionen Euro.
Interventionsmöglichkeiten
Händler-Anwalt Olivier Aumaitre wandte sich gegen ein Verteidigungsargument, demzufolge die Interventionsmöglichkeiten des TÜV beschränkt gewesen seien. Die EU-Richtlinie sowie der Vertrag des TÜV mit der Firma PIP hätten dem deutschen Kontrollinstitut "weitreichende" Möglichkeiten eingeräumt, die der TÜV aber nie genutzt habe. "Es hätte gereicht, eine einzige der Hunderttausenden von PIP weltweit verkauften Prothesen zu untersuchen."
PIP-Gründer Mas hatte zugegeben, seit 1995 drei Viertel seiner Prothesen illegal mit einem Billig-Gel gefüllt zu haben, das er mit einem eigentlich für Industrieprodukte bestimmten Silikon mixte. Nur ein Viertel der Kissen habe das siebenmal teurere US-Produkt Nusil enthalten, das Mas auch gegenüber dem TÜV Rheinland angab. Er hatte im Polizeiverhör auch eingeräumt, den TÜV, der seine Kontrollen zehn Tage vorher ankündigte, gezielt getäuscht zu haben. Seine Angestellten hätten sogar ganze Container verschwinden lassen, sagte Mas, der seine Firma 2010 auflösen musste.
Zuständigkeit
Laut TÜV beschränkte sich seine Aufgabe darauf, den Herstellungsprozess zu kontrollieren und nicht die Implantate selbst. Zum Auftakt der Verhandlung in Toulon widersprach die Verteidigung daher der Zulässigkeit des Verfahrens, die Staatsanwaltschaft vertrat die Gegenposition.
Gesundheitsbehörden hatten den betroffenen Frauen empfohlen, sich die Billig-Implantate entfernen zu lassen. In Frankreich wurden sogar rund 20 Krebsfälle bei Frauen mit PIP-Implantaten registriert. Einen Beweis, dass die Verwendung des Billig-Silikons dafür verantwortlich ist, gibt es bisher nicht. Mas versichert, dass seine Produkte nicht gesundheitsgefährdend gewesen seien.
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