Annecy-Morde: Überraschende Wende

Ermittlungen zu den Morden nahe dem französischen Urlaubsort Annecy haben offenbar völlig neue Erkenntnisse und eine Wende gebracht. Das berichtete der ORF unter Berufung auf internationale Medien am Sonntagabend in der Zeit im Bild und auf seiner Homepage.
Nachdem lange die britische Familie als Ziel vermutet wurde, zeigte sich nun nach Analyse aller Spuren, dass der Mörder eigentlich hinter dem französischen Radfahrer her war, der lange als unbeteiligter Zeuge gegolten hatte, so der ORF.
Die erste Kugel traf laut dem Polizeibericht, der in der französischen Zeitung Le Parisien und dem britischen Blatt Daily Mail veröffentlicht wurde, den Radfahrer Sylvain Mollier. Offenbar wurde der Mörder von Saad al-Hilli, einem britisch-irakischen Familienvater der mit seiner Familie in den französischen Alpen auf Campingurlaub war, beobachtet.
Räder drehten durch
Als dieser mit seiner Frau Iqbal, der Schwiegermutter Suhaila al-Allef und den beiden Töchtern fliehen wollte, wurden auch sie vom Mörder getötet.
Den Spuren am Tatort nach dürfte der Täter zunächst Mollier, einem 45-jährigen Nuklearforscher, aufgelauert haben, der aus einer Ortschaft in der Nähe stammt und eine Radtour unternommen hatte, wie BBC-Reporter Christian Fraser aus Frankreich berichtete.
Offenbar wurden Hilli und seine siebenjährige Tochter Zeugen der Bluttat. In Panik rannten die beiden zum Auto zurück, doch als der Vater Vollgas geben wollte, geriet er mit der Hinterachse in ein Schlammloch, und die durchdrehenden Räder vereitelten die Flucht.
Mit einer automatischen Waffe tötete der Unbekannte die drei erwachsenen Insassen, traf die Siebenjährige an der Schulter und schlug sie mit der Waffe zusätzlich nieder. Doch sie überlebte wie auch ihre vierjährige Schwester, die sich im Fußraum des Autos hinter den Beinen ihrer Mutter verstecken konnte.
Hinrichtung
Dann wendete sich der Mörder wieder Mollier zu, der zu diesem Zeitpunkt noch gelebt haben dürfte. Er richtete den dreifachen Familienvater mit fünf Kopfschüssen regelrecht hin. Die Polizei beschreibt den Mörder in dem Bericht als skrupellos, aber zugleich als unorganisiert. Das lässt den Schluss zu, dass es sich nicht um einen Profikiller gehandelt haben dürfte.
Dieser Tathergang legt nahe, dass die Morde nicht wie anfänglich angenommen gegen die Familie gerichtet waren, sondern das Hauptziel Mollier war, der lange als unbeteiligter Zeuge gegolten hatte, der einfach "zur falschen Zeit am falschen Ort" war, wie es der französische Ermittlungschef Eric Maillaud einmal ausdrückte.
Für Nuklearfirma tätig
Mollier arbeitete für die Nuklearfirma Cezus, eine Tochterfirma der international tätigen Areva-Gruppe, die Hüllen für atomare Brennstäbe herstellt. Mollier könnte ein Doppelleben geführt haben. Deshalb wurde der 45-Jährige auch nicht wie von seiner Familie gewünscht verbrannt, sondern vorerst normal bestattet. So haben die Forensiker später noch die Möglichkeit, weitere Theorien am Leichnam zu überprüfen.
Doch zunächst konzentrierten sich die Ermittlungen hauptsächlich auf die Familie. Denn Hilli arbeitete für einen Rüstungskonzern, der Satelliten entwickelte, die zu Spionagezwecken eingesetzt werden. Doch sowohl Hausdurchsuchungen als auch Verhöre innerhalb der Verwandtschaft brachten keine Ergebnisse.
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