"Fühle mich wie vom Zug überrollt"
28 Jahre und sechs Monate Haft. Als der erneute Schuldspruch gegen Amanda Knox in Florenz verkündet wird, ist die junge US-Amerikanerin 9000 Kilometer weit entfernt in ihrer Heimatstadt Seattle.
"Ich werde diesen Kampf bis zum bitteren Ende führen"
Am Tag danach spricht Knox nun im US-Frühstücksfernsehen auf ABC: "Ich konnte nicht glauben, was ich hörte. Ich fühle mich wie vom Zug überrollt." Immer wieder stockt ihre Stimme, die Augen füllen sich mit Tränen. "Mein Vertrauen in die italienische Justiz ist weg. Ich wurde bereits freigesprochen, wie können sie mich wieder verurteilen?" Bis zum bitteren Ende wolle sie den Kampf führen und ihre Unschuld verteidigen, so Knox.
Amanda Knox befindet sich in den USA, die Haftstrafe wird sie daher wohl nie antreten. Außer ihr Heimatstaat liefert die 26-Jährige nach Italien aus. Davor muss das Urteil aber noch von Italiens oberstem Gericht, dem Kassationsgerichtshof in Rom, bestätigt werden. Erst dann könnten die italienischen Behörden Knox' Auslieferung beantragen. Ein Szenario vor dem sich die Frau fürchtet: Sie werde "niemals freiwillig zurückgehen", betont sie am Freitag gegenüber ABC.
Sollecito: Festnahme in Udine
Anders ihr Ex-Freund, Raffaele Sollecito, der ebenfalls zu 25 Jahren Haft verurteilt wurde und in Italien weilt. Er soll bereits versucht haben das Land zu verlassen, wurde aber in Udine festgenommen und wenig später ohne Pass wieder freigelassen (mehr dazu hier). "Oh mein Gott, Raffaele. Er ist verletzlich. Ich weiß nicht, was ich mache, wenn sie ihn tatsächlich einsperren", betont Knox mit brüchiger Stimme.
Mordfall Kercher
Der Fall Knox ist einer der spektakulärsten Prozesse in der italienischen Justizgeschichte. Bereits vor vier Jahren wurden beide von einem Gericht in Perugia wegen des Mordes an der britischen Studentin Meredith Kercher zu je 26 und 25 Jahren Gefängnis verurteilt.
Kercher war am 2. November 2007 halbnackt und mit durchgeschnittener Kehle in der Wohnung entdeckt worden, die sie sich mit Knox teilte. Ihre Leiche wies 47 Messerstiche auf, die Studentin war zudem vergewaltigt worden. Bereits verurteilt wurde Rudy Guede, dessen DNA am Tatort gefunden wurde. Er wurde zu 16 Jahren Haft verurteilt. Den Ermittlern zufolge wurden die Stichwunden jedoch stark darauf hinweisen, dass es mehr als einen Täter gab.
November 2007: Die britische Studentin Meredith Kercher wird in Perugia ermordet aufgefunden. Ein Barkeeper, Kerchers Mitbewohnerin Amanda Knox und deren Freund Raffaele Sollecito werden festgenommen. In Deutschland wird ein weiterer Verdächtiger gefasst und an Italien ausgeliefert, der Barmann kommt frei.
Oktober 2008: Ein Gericht verurteilt den in Deutschland gefassten Mann wegen Mordes zu 30 Jahren Haft. 2009 verringert ein Berufungsgericht die Strafe auf 16 Jahre wegen Beihilfe.
Dezember 2009: Wegen Mordes werden Knox und Sollecito in einem Indizienverfahren zu langen Haftstrafen verurteilt. Sie beteuern ihre Unschuld.
Oktober 2011: Ein Berufungsgericht spricht beide aus Mangel an Beweisen frei. Knox kehrt in die USA zurück.
26. März 2013: Das Kassationsgericht, die höchste Instanz in Italien, hebt die Freisprüche auf. Der Prozess wird neu aufgerollt.
30. April 2013: Knox' Autobiografie "Zeit, gehört zu werden" (Waiting to Be Heard) erscheint.
30. September 2013: Fast sechs Jahre nach dem Mord beginnt in Florenz ein neuer Prozess gegen Knox und Sollecito. Knox bleibt in den USA.
31. Oktober 2013: Im Prozess geht es um ein neues Gutachten zu DNA-Spuren von Amanda Knox an der möglichen Tatwaffe. Bei der Frage, was diese bedeuten, gehen die Interpretationen auseinander.
6. November 2013: Sollecito beteuert vor Gericht seine Unschuld.
26. November 2013: Der Staatsanwalt fordert lange Haftstrafen für Knox und Sollecito.
17. Dezember 2013: In einem E-Mail an das Gericht beteuert Knox abermals ihre Unschuld.
9. Jänner 2014: Sollecitos Anwältin wirft den Ermittlern vor, die Angeklagten seien nur beschuldigt worden, um die Öffentlichkeit zu beruhigen.
20. Jänner 2014: Am letzten Verhandlungstag fordern die Verteidiger erneut Freisprüche für Knox und Sollecito - ohne Erfolg.
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