Amanda Knox erneut schuldig gesprochen

Eine junge Frau blickt erwartungsvoll nach oben.
Der "Engel mit den Eisaugen" wurde zu 28 Jahren verurteilt. Knox befindet sich in den USA.

Nach über zwölf Stunden dauerten Beratungen hatte das Gericht in Florenz ein Urteil zu verkünden: Amanda Knox wurde erneut wegen des Mordes an der britischen Austauschstudentin Meredith Kercher verurteilt. Sie erhielt in Abwesenheit eine Haftstrafe von 28 Jahren und sechs Monaten. Ihr mitangeklagter Ex-Freund Raffaele Sollecito wurde zu 25 Jahren Haft verurteilt.

Sollecito wartete nicht wie ursprünglich angekündigt auf den Richterspruch. Vor Gericht anwesend waren dagegen Merediths aus Großbritannien angereisten Geschwister.

In einem ersten Statement verkündete Knox, dass sie "verängstigt und traurig" sei. Den Urteilsspruch empfindet sie als "ungerecht", sie hätte "mehr von der italienischen Justiz erwartet".

Freispruch aufgehoben

Es handelt sich bereits um das vierte Urteil in dem Fall. Knox und Sollecito waren 2009 in Italien wegen Mordes zu langen Haftstrafen verurteilt und 2011 wieder freigesprochen worden. Der Freispruch wurde im März 2013 vom Kassationsgericht in Rom aufgehoben. Das neue Hauptverfahren begann dann Ende September. Sollecito muss als Italiener die Haftstrafe antreten. Anders ist die Situation für Knox, die als US-Bürgerin zunächst an Italien ausgeliefert werden müsste. Die 26-Jährige betonte mehrmals, sie sei unschuldig und werde auf keinen Fall nach Italien zurückkehren. Im Falle einer Verurteilung sei sie dann eben eine "Flüchtige".

Auf der einen Seite standen Widersprüche der Angeklagten und zahlreiche Ungereimtheiten nach dem Mord an der Britin Meredith Kercher im November 2007, auf der anderen Seite Ermittlungspannen und kaum belastbare Indizien. Auch deshalb ist das vierte Urteil vermutlich noch nicht das letzte Wort in dem jahrelangen Justizkrimi.

Einspruch

Der Einspruch folgte auch sofort: Sollecito werde beim Kassationsgericht in Rom, der dritten und letzten Instanz im italienischen Justizsystem, Einspruch gegen seine Verurteilung einlegen, sagte die Anwältin. Er soll laut dem Richterbeschluss der Pass entzogen werde, damit er das Land nicht verlassen könne. Ihm droht jedoch bis zum letztinstanzlichen Urteil nicht die Haft. Auch die Anwälte von Knox kündigten Einspruch gegen das Urteil an.

Knox schrieb Angehörigen

Kurz vor dem Urteil hat Knox einen Brief an die Familie Kercher geschrieben. Die Familie des Opfers habe jedoch beschlossen, ihn nicht zu lesen, berichtete die Mailänder Tageszeitung Corriere della Sera. "Ich spüre nicht das Bedürfnis, mit Amanda Kontakt zu haben", erklärte Stephanie Kercher, die Schwester des Opfers. "Das Urteil ist ein Weg, um unserer Schwester zu gedenken. Wir wollen keine Rache. Wir wissen, dass die Richter nicht die genaue Wahrheit kennen. Wir hoffen, dass der Prozess zu Ende geht, damit wir uns auf unseren Schmerz konzentrieren können", sagte Stephanie Kercher.

Amanda Knox zeigte Verständnis für den Entschluss der Hinterbliebenen, ihren Brief nicht zu lesen. "Ich begreife, dass ein Austausch zwischen mir und der Familie Kercher den Angehörigen Schmerz verursachen würde, auch wenn mein Brief lediglich Worte des Trosts enthält", meinte Knox laut dem Blatt.

November 2007: Die britische Studentin Meredith Kercher wird in Perugia ermordet aufgefunden. Ein Barkeeper, Kerchers Mitbewohnerin Amanda Knox und deren Freund Raffaele Sollecito werden festgenommen. In Deutschland wird ein weiterer Verdächtiger gefasst und an Italien ausgeliefert, der Barmann kommt frei.

Oktober 2008: Ein Gericht verurteilt den in Deutschland gefassten Mann wegen Mordes zu 30 Jahren Haft. 2009 verringert ein Berufungsgericht die Strafe auf 16 Jahre wegen Beihilfe.

Dezember 2009: Wegen Mordes werden Knox und Sollecito in einem Indizienverfahren zu langen Haftstrafen verurteilt. Sie beteuern ihre Unschuld.

Oktober 2011: Ein Berufungsgericht spricht beide aus Mangel an Beweisen frei. Knox kehrt in die USA zurück.

26. März 2013: Das Kassationsgericht, die höchste Instanz in Italien, hebt die Freisprüche auf. Der Prozess wird neu aufgerollt.

30. April 2013: Knox' Autobiografie "Zeit, gehört zu werden" (Waiting to Be Heard) erscheint.

30. September 2013: Fast sechs Jahre nach dem Mord beginnt in Florenz ein neuer Prozess gegen Knox und Sollecito. Knox bleibt in den USA.

31. Oktober 2013: Im Prozess geht es um ein neues Gutachten zu DNA-Spuren von Amanda Knox an der möglichen Tatwaffe. Bei der Frage, was diese bedeuten, gehen die Interpretationen auseinander.

6. November 2013: Sollecito beteuert vor Gericht seine Unschuld.

26. November 2013: Der Staatsanwalt fordert lange Haftstrafen für Knox und Sollecito.

17. Dezember 2013: In einem E-Mail an das Gericht beteuert Knox abermals ihre Unschuld.

9. Jänner 2014: Sollecitos Anwältin wirft den Ermittlern vor, die Angeklagten seien nur beschuldigt worden, um die Öffentlichkeit zu beruhigen.

20. Jänner 2014: Am letzten Verhandlungstag fordern die Verteidiger erneut Freisprüche für Knox und Sollecito - ohne Erfolg.

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