Wegen Fahrlässigkeit: Lokführer festgenommen

Ein Feuerwehrmann untersucht die Trümmer eines entgleisten Zuges.
78 Tote: Das schwerste Zugunglück in Spanien seit mehr als 40 Jahren ist offenbar auf menschliches Versagen zurückzuführen. Gegen den Fahrer wird ermittelt.

Als sich am Mittwoch um 20:41 Uhr der Schnellzug der Kurve rund vier Kilometer vor Santiago de Compostela näherte, soll ein Alarmsignal den Lokführer auf die zu schnelle Geschwindigkeit aufmerksam gemacht haben. Von 190 Stundenkilometern hätte er auf 80 reduzieren müssen.

Der 52-jährige Fahrer dürfte den Alarm ignoriert oder zu spät reagiert haben – es kommt zum schwerwiegendsten Zugunfall in Spanien seit 40 Jahren. 78 Menschen starben, 130 wurden verletzt. 200 Einsatzkräfte suchen in den Trümmern immer noch nach möglichen Überlebenden. Zunächst war von 80 Todesopfern die Rede gewesen, diese Angaben wurden von der Polizei aber korrigiert. Die Fahrgäste sind größtenteils aus Spanien. Unter den Opfern sind aber auch ein Algerier, ein US-Amerikaner und ein Mexikaner.

„Ich hätte auf 80 gehen sollen und gehe auf 190“

Ein blutender Mann telefoniert, während ein Polizist ihn begleitet.
An injured passenger is helped by a policeman after a train crashed near Santiago de Compostela, northwestern Spain, July 24, 2013. At least 35 people died after a train derailed in the outskirts of the northern Spanish city of Santiago de Compostela, the head of Spain's Galicia region, Alberto Nunez Feijoo, told Cadena Ser radio on Wednesday. A woman who was close to the site of the accident told the radio station that she had first heard a loud explosion and then seen the train derailed. REUTERS/Oscar Corral (SPAIN - Tags: DISASTER TRANSPORT)

Obwohl es offiziell noch keine Angaben über die Ursache der zu hohen Geschwindigkeit gibt, dürfte der zuständige Richter von menschlichem Versagen ausgehen. Er hat bereits angeordnet, den Lokführer als Beschuldigten zu verhören, berichtetEl País.DiePolizei bestätigte am Freitag, dass der Fahrer noch am Abend in Gewahrsam genommen wurde. Er könnte wegen fahrlässiger Tötung in - bislang - 78 Fällen angeklagt werden.

Der Fahrer hat nach dem Unfall - beinahe unverletzt - bei der Notfallstelle angerufen und gesagt: „Ich hätte auf 80 gehen sollen und gehe auf 190.“ Dieser Anruf wurde aufgezeichnet, die Aufnahme liegt dem Richter vor. In dem Funkspruch sprach der Lokführer von den „armen Passagieren“ und betonte: „Hoffentlich gibt es keine Toten“. In einer ersten Rekonstruktion der Ereignisse soll der Fahrer auch erklärt haben, dass er den Alarm gehört habe. Außerdem betonte er laut El Mundo: "Ich habe es verschissen. Ich möchte sterben."

Lokführer verweigerte Aussage

Warum der erfahrene Lokführer nicht oder zu spät gebremst hat, obwohl ihm die Gefahr bewusst gewesen sein musste, hätte sich am Freitag klären sollen. Derzeit wird der Mann, der bei dem Unfall leicht verletzt wurde, unter Polizeibewachung in einem Krankenhaus behandelt - dort hat ihn die Polizei unter dem Vorwurf der Fahrlässigkeit noch im Krankenhausbett liegend festgenommen. Ausgesagt hat er dennoch nichts: Er verweigerte am Freitag seine Aussage.

Laut englischen Medienberichten soll der Lokführer außerdem in der Vergangenheit auf Facebook Bilder gepostet haben, auf denen er mit seinem rasanten Fahrstil prahlt. Sein Facebook-Profil wurde nach dem Unfall gelöscht.

"Wie Dantes Inferno"

Mit den Worten "wie Dantes Inferno", beschrieb Galiciens Ministerpräsident Alberto Nuñez Feijoo den Unglücksort am Donnerstag. Es sei der "traurigste Tag seines Lebens", betonte auch Premier Mariano Rajoy. Er veranlasste drei Tage Staatstrauer. Thronfolger Felipe und seine Frau Letizia wollen am Freitag zum Unglücksort reisen.

Kein automatisches Bremssystem

Der Unfall ereignete sich auf einem Neubauabschnitt des Hochgeschwindigkeitsnetzes der spanischen Bahn. Die Kurve an der Unglücksstelle ist relativ eng. Experten sollen bereits bei der Planung der Strecke darauf hingewiesen haben, dass die Kurve „problematisch“ sei. Der fahrende Schnellzug war mit einem Alarmsystem ausgestattet. Allerdings war dies ein System, welches nicht automatisch bremst, sondern nur warnt. Wie El Mundo schreibt, hätte der Unfall wohl mit einem automatischen Bremssystem verhindert werden können.

Ein Feuerwehrmann trägt ein schmutziges, verletztes Mädchen vor einem entgleisten Zug weg.
Schwerstes Zugunglück in Spanien seit Jahrzehnten: 80 Menschen starben, 130 wurden verletzt.
Ein Zugunglück mit Rettungskräften vor Ort.

SPAIN TRAIN ACCIDENT
Nach einem Zugunglück werden Verletzte auf einer Bahre abtransportiert.

SPAIN TRAIN ACCIDENT
Ein Feuerwehrmann löscht einen zerstörten Zug, während Rettungskräfte vor Ort sind.

SPAIN TRAIN ACCIDENT
Ein entgleister Zug liegt auf der Seite, umgeben von Rettungskräften und Zuschauern.

SPAIN TRAIN ACCIDENT
Ein beschädigter Renfe-Hochgeschwindigkeitszug liegt neben den Gleisen, ein Arbeiter untersucht den Unfallort.

An official inspects the train engine amongst the
Ein schwer beschädigter Zug nach einem Unfall, mit Rettungskräften vor Ort.

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Ein verunglückter Renfe-Zug liegt neben den Gleisen, umgeben von Rettungskräften.

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Ein verunglückter Zug der spanischen Bahngesellschaft Renfe liegt neben den Gleisen, umgeben von Rettungskräften.

SPAIN TRAIN ACCIDENT
Ein Zugunglück mit Rettungskräften und einem Feuerwehrwagen vor Ort.

Rescue workers stand amongst the wreckage of a tra
Drei Polizisten untersuchen Gepäckstücke auf einem Bahngleis.

SPAIN TRAIN ACCIDENT
Ein beschädigter RENFE-Hochgeschwindigkeitszug steht neben einem Gleis, während ein Arbeiter in Sicherheitskleidung vorbeigeht.

Workers walk past the train engine amongst the wre

Zugfahren ist relativ sicher. Aber Unglücke auf den Schienen - so wie am Mittwoch in Spanien - haben meist verheerende Folgen. Im Folgenden eine Dokumentation einiger Unfälle in den vergangenen Jahren.

Juli 2013 - Frankreich: Am Bahnhof von Bretigny-sur-Orge springen mehrere Waggons eines Intercity-Zuges aus den Gleisen. Sechs Menschen sterben. Dutzende der 385 Reisenden in dem Zug werden verletzt.

März 2012 - Polen: 16 Menschen kommen ums Leben, als ein Interregio frontal mit einem entgegenkommenden Intercity zusammenstößt. Bei dem Unglück nahe Zawiercie, nördlich von Krakau, werden rund 50 Menschen verletzt.

Jänner 2011 - Deutschland: Zehn Menschen sterben, als ein Nahverkehrszug bei Oschersleben in Sachsen-Anhalt mit einem Güterzug zusammenstößt. Ein Lokführer soll ein Haltesignal überfahren haben.

Februar 2010 - Belgien: In Buizingen bei Brüssel übersieht ein Lokführer ein Stoppsignal, zwei voll besetzte Regionalzüge prallen zusammen. Mindestens 18 Menschen sterben, rund 80 werden verletzt.

Juli 2005: Bei einem Frontalzusammenstoß von zwei Zuggarnituren der Pinzgaubahn bei Bramberg (Salzburg) sterben ein Lokführer und eine Urlauberin aus Niederösterreich, 34 Menschen werden zum Teil schwer verletzt.

Jänner 2005 - Italien: Auf der eingleisigen Strecke Bologna-Verona prallen ein Passagierzug und ein Güterzug zusammen. 17 Menschen sterben. Ein Lokführer hatte ein Haltesignal übersehen.

Juni 2003: Bei Schrozberg in Baden-Württemberg stoßen zwei Regionalzüge frontal zusammen. Sechs Menschen sterben, 25 werden verletzt.

Oktober 2002: Im Ortsgebiet von Ebersdorf im Bezirk Melk stoßen ein Güterzug und eine mit ÖBB-Bediensteten besetzte Draisine zusammen: vier Tote und zwei Schwerletzte.

Februar 2002: Wegen eines Bremsdefektes prallen auf der Pottendorfer Linie in Wampersdorf (Bezirk Baden) ein Güterzug und eine "Rollende Landstraße" zusammen. Sechs Tote und 16 teils Schwerverletzte sind die Folge.

August 2000: Bei einem Zusammenstoß von zwei Personenzügen in Traun bei Linz werden 48 Menschen verletzt.

Ein Zugunglück mit Rettungskräften an einem Bahnhof.
Bretigny-sur-Orge, 13. Juli 2013
Ein schweres Zugunglück mit mehreren entgleisten Waggons und Rettungskräften vor Ort.
Buizingen, 15. Februar 2010

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