45 Leichen an Bord von Flüchtlingsboot entdeckt

An Bord eines vor Sizilien geretteten Flüchtlingsboots, das am Dienstagnachmittag auf der Insel eingetroffen ist, wurden die Leichen von 45 Migranten geborgen. Bisher waren die italienischen Behörden von 30 Todesopfern ausgegangen. Die Feuerwehrmannschaften brauchten Zeit, um die Leichen aus dem engen Lagerraum zu bergen, in dem die eingepferchten Flüchtlinge erdrückt oder erstickt sind.
"Es ist wie ein Massengrab, das an Auschwitz erinnert", berichtete der Polizeichef der sizilianischen Stadt Ragusa, Antonino Ciavola. Die Leichen werden jetzt in der sizilianischen Hafenstadt Pozzallo obduziert. Die Todesopfer - Männer aus Zentralafrika - wurden in einem Fischerboot entdeckt, auf dem sich 590 Migranten befanden, doppelt so viele wie es der Sicherheit entsprochen hätte. Das Fischerboot wurde von einem Schiff der italienischen Marine nach Pozzallo geschleppt. Die Überlebenden wurden befragt. Zwei mutmaßliche Schlepper wurden festgenommen.
Flüchtlingsproblematik auf Agenda

"Italiens EU-Vorsitz ist eine einmalige Gelegenheit, um die EU zu überzeugen, dass sie sich konkret zur Bewältigung der Flüchtlingswelle engagieren muss", kommentierte der Senator der Regierungspartei NCD, Renato Schifani.
Druck
Rechtsparteien verschärfen hingegen ihren Druck auf die Regierung für ein sofortiges Ende des Einsatzes " Mare Nostrum", der ihrer Ansicht nach den Menschenhandel über das Mittelmeer nur noch fördern würde. "Wir haben zwar die Pflicht, Menschen in Seenot zu retten. Wir können jedoch diese verzweifelte Flucht aus Afrika nicht unterstützen, die kriminelle Schlepperbanden bereichert", betonte der Senator der oppositionellen Forza Italia Maurizio Gasparri.
Die Mission " Mare Nostrum" hatte im Oktober nach zwei Schiffsunglücken vor Lampedusa mit mehr als 360 Toten begonnen. Der Einsatz kostet den italienischen Staat neun Millionen Euro pro Monat. Die Marine fordert zusätzliche Finanzierungen für Treibstoff, die Erneuerung der Flotte und Ersatzteile für die Schiffe. Außerdem drängt Italien die EU auf mehr Hilfe im Umgang mit dem Flüchtlingsproblem. Laut dem italienischen Innenministerium warten 800.000 Menschen in Libyen auf die Abfahrt nach Europa.
Inzwischen wächst der Protest auf Sizilien, wo die Flüchtlingslager chronisch überlastet sind. 50.000 Migranten haben seit Jahresbeginn Süditalien erreicht, das sind 6.000 mehr als im Gesamtjahr 2013. "Die Lage ist außer Kontrolle, wir stehen vor einem unmenschlichen Drama", betonte der Bürgermeister der sizilianischen Hafenstadt Porto Empedocle, Lillo Firetto. Die sizilianischen Stadtoberhäupter machen Druck auf Rom und auf Brüssel. "Sizilien steht vor dem Zusammenbruch. Die Regierung in Rom sollte den Notstand erklären. Ganz Italien muss bei der Bewältigung dieser Situation helfen", betonte der Bürgermeister von Catania, Enzo Bianco. Sein Kollege aus Palermo, Leoluca Orlando, klagte dass Europa angesichts des Dramas, das sich in den Gewässern vor Sizilien abspiele, unsensibel bleibe.
Nach ihrem Eintreffen auf Sizilien wandern die Migranten durch Städte und Dörfer, in denen sie aufgenommen wurden, auf der Suche nach Wegen, um die Insel zu verlassen. Die meisten von ihnen wollen Angehörige in Norditalien, Deutschland oder Frankreich erreichen. Etwa 30.000 Migranten, die seit Jahresbeginn Italien erreicht haben, sind bereits untergetaucht, berichteten italienische Medien.
Die sizilianischen Behörden helfen, wo sie nur können, befürchten jedoch zugleich Auswirkungen der Migrantenwelle auf die öffentliche Gesundheit. Bei einigen Flüchtlingen wurde Krätze diagnostiziert, ein Somalier sei an Malaria erkrankt, berichteten italienische Medien. Um die öffentliche Sicherheit bangen vor allem die Bewohner Agrigents. Hunderte Auswanderer halten sich auf den Straßen der Innenstadt auf, schlafen auf Bänken und versuchen, mit allen Mitteln das italienische Festland zu erreichen.
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