„Papst Franziskus hat die Herzen der Gläubigen erobert“
Mit Papst Franziskus ist eine neue Ära im Vatikan angebrochen: Jorge Mario Bergoglio, wie der Argentinier eigentlich heißt, begeistert in den ersten 100 Tagen seiner Amtszeit mit seinem einfachen Stil, seiner Bescheidenheit und vor allem seinem Einsatz für eine Kirche der Armen.
Eine Reihe bunter Symbolbilder verdeutlicht wichtige Momente aus den ersten drei Monaten des 76-jährigen Pontifex: Dabei ist Franziskus zu sehen, wie er persönlich seine Hotelrechnung an der Rezeption begleicht, wie er Vorgänger Papst Benedikt XVI. umarmt, oder wie er sein Lieblingsgetränk, Mate-Tee, genießt. Aber auch wie er am Gründonnerstag jugendlichen Straftätern die Füße wäscht oder Harley-Davidson-Fahrer segnet.
„Papst Franziskus wendet sich in einer direkten Sprache, wie ein Mann von der Straße, an die Gläubigen. Er erinnert an Papst Johannes XXIII. Und hat binnen kurzer Zeit die Herzen der Gläubigen erobert“, sagt der Vatikanist Marco Tosatti. Das bestätigt auch das Institut Demopolis, laut dessen Umfrage 85 Prozent der Italiener dem Papst „vom anderen Ende der Welt“ vertrauen. Drei Viertel der Befragten loben seine Spontanität, zwei Drittel schätzen sein Engagement für die Ärmsten. Auch Nicht-Katholiken imponieren diese Eigenschaften.
„Die Worte und Gesten von Franziskus machen Hoffnung auf eine neue, reformierte Kirche. Dazu gehören Bischöfe und Priester, die sich nicht als Machtträger verstehen und die bescheiden, statt mondän leben“, betont der Vatikan-Experte Marco Politi im KURIER-Gespräch. Laut Politi gäbe es positive Signale, die auf eine radikale Erneuerung der Kirchenführung hindeuteten.
Verzicht auf Prunk
Jorge Mario Bergoglio ist nicht nur der erste Papst aus Lateinamerika und der erste Jesuit als Pontifex, sondern auch der Erste, der sich nach Franz von Assisi, dem Schutzpatron der Tiere, der Natur und der Umwelt benennt. Der ehemalige Erzbischof von Buenos Aires, der in den Armenvierteln der argentinischen Metropole unterwegs war, brach sofort mit einigen Traditionen des Kirchenstaates. Nach der Papstwahl benutzte er nicht die Limousine, sondern stieg zu den Kardinälen in den Bus. Er wohnt nach wie vor in einfachen zwei Zimmern im Gästehaus Santa Marta und übersiedelte noch nicht in den Apostolischen Palast. Bei offiziellen Zeremonien verzichtet er auf prunkvolle Gewänder.
Der Zugang zum Pontifex ist für Mitarbeiter und Kardinäle unkomplizierter geworden. Die Frühmesse in der Kapelle von Santa Marta, an der Vatikan-Mitarbeiter und Gäste teilnehmen können, zählt mittlerweile zum festen Ritual. Zum Mittagessen leisten dem Papst nicht nur Kardinäle, sondern auch Priester und Besucher Gesellschaft.
„Als Jesuit hat er sich für einen bescheidenen Stil entschieden. Er hat immer ein Lächeln im Gesicht und bittet die Gläubigen, für ihn zu beten. Ich habe den Eindruck, dass wir zu den wahren Wurzeln des Christentums zurückkehren“, schwärmt ein mexikanischer Pilger. Binnen kurzer Zeit sind die Besucherzahlen bei den Audienzen am Petersplatz deutlich gestiegen.
Selbst nach einer kürzlich im kleinen Kreis getätigten Aussage über eine „Schwulen-Lobby“ im Vatikan, die weltweit für Schlagzeilen gesorgt hatte, blieb Franziskus gelassen. Für die dringend notwendige Kurien-Reform hat er eine vielversprechende achtköpfige Kardinalskommission beauftragt. Und in Kürze soll der umstrittene Kardinalstaatssekretär Bertone – bisher einer der mächtigsten Männer im Vatikan – abgelöst werden.
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