Verdächtiger im Fall Maddie aus Haft entlassen

Die dreijährige Madeleine McCann verschwand 2007 aus einer portugiesischen Ferienanlage.
Zusammenfassung
- Der im Fall Maddie Verdächtige wurde nach Verbüßung einer Haftstrafe aus der JVA Sehnde entlassen.
- Der mehrfach vorbestrafte Sexualstraftäter steht seit Jahren im Verdacht, mit dem Verschwinden von Madeleine McCann 2007 in Verbindung zu stehen.
- Es gibt bislang keine Anklage im Fall McCann, und für den Verdächtigen gilt die Unschuldsvermutung.
Der im Fall Maddie Verdächtige ist aus der Haft entlassen worden. Der 48-jährige Deutsche habe die Justizvollzugsanstalt im niedersächsischen Sehnde verlassen, sagte der Polizeipressesprecher vor Ort der Deutschen Presse-Agentur.
Der Mann hat eine Gefängnisstrafe, zu der er 2019 vom Landgericht Braunschweig im Wesentlichen wegen schwerer Vergewaltigung verurteilt worden war, abgesessen.
Im Fokus ist der mehrmals vorbestrafte Sexualstraftäter seit einigen Jahren, weil deutsche Ermittler ihn im Fall Madeleine McCann unter Mordverdacht haben. Das damals dreijährige britische Mädchen verschwand am 3. Mai 2007 aus einer Appartementanlage in Praia da Luz in Portugal.
Im Juni 2020 informierte die Staatsanwaltschaft Braunschweig überraschend darüber, dass sie vom Tod des Mädchens ausgehe und einen Verdächtigen habe. Sein Verteidiger sprach mit Blick auf die Verdächtigungen öffentlich von einer „massiven Vorverurteilungskampagne“. Es gibt keine Anklage in dem Komplex und es gilt die Unschuldsvermutung.
Für die deutschen Ermittlungen zu dem Fall aus Portugal sind die Strafverfolger aus Niedersachsen zuständig, weil der Verdächtige seinen letzten Wohnsitz in Braunschweig hatte.
Warum endete die Haft?
"Spätestens mit 17. September" hat der Mann seine langjährige Haftstrafe abgesessen, zu der ihn das Landgericht Braunschweig im Jahr 2019 wegen Vergewaltigung einer 72-jährigen US-Amerikanerin in Portugal verurteilt hatte.
Das Justizministerium in Hannover verweist auf die eindeutige Rechtslage, nach der eine Entlassung aus dem Justizvollzug zum Strafende zwingend erfolgen muss. Das gelte auch im vorliegenden Fall. Über die Verurteilung wegen Vergewaltigung hinaus liegt bisher nichts öffentlich Bekanntes gegen den 48-Jährigen vor, was eine Haftverlängerung rechtfertigen würde.
Reicht der Mordverdacht nicht aus?
Im Fall der verschwundenen Madeleine McCann gibt es weiterhin nur den Verdacht, dass Christian B. das Mädchen entführt und getötet hat. Diesen haben die Ermittler öffentlich geäußert. Es gibt jedoch keine Anklage - und es gilt die Unschuldsvermutung.
Mit Blick auf die mittlerweile seit mehr als fünf Jahren im Raum stehenden Verdächtigungen Verteidiger Friedrich Fülscher schon mehrmals von einer "massiven Vorverurteilungskampagne" gegen seinen Mandanten. "Hätte ein hinreichender Tatverdacht bestanden, so wäre längst Anklage erhoben worden", sagte Fülscher der dpa.

Im Fall Maddie gibt es weiterhin nur den Verdacht, dass der Deutsche Christian B. das Mädchen entführt und getötet hat
Ist die Lage damit eindeutig?
"Rein rechtlich ja", sagte der psychiatrische Gutachter und Sexualwissenschaftler Johannes Fuß jüngst im Interview der "Süddeutschen Zeitung". Nach sieben Jahren Haft sei irgendwann der letzte Tag im Gefängnis gekommen.
In so einem Fall könne der Schutz der Allgemeinheit nur durch Aufsicht und Auflagen durchgesetzt werden, eine vollständige Sicherheit gebe es aber nicht. "Die Gesellschaft muss die Unsicherheit aushalten", sagte der Professor der Universität Duisburg-Essen dem Blatt.
Freiheit trotz der bescheinigten Gefahr?
Die Staatsanwaltschaft verweist hingegen darauf, dass ein psychiatrischer Gutachter im jüngsten Prozess festgestellt habe, dass weitere Straftaten - insbesondere Sexualstraftaten - von dem Mann zu erwarten seien. Die Gefahr bestehe unter anderem, weil er in der Haft keine Therapie absolviert habe.
Seiner Einschätzung nach sei der Mann in "die absolute Topliga der Gefährlichkeit" einzuordnen, sagte der Arzt im September 2024 in einem weiteren Prozess gegen B. vor dem Landgericht Braunschweig. Der Psychiater betonte aber auch, dass er nur eine Verdachtsdiagnose stellen könne, weil der Verdächtige nicht bereit gewesen sei, sich mit ihm zu treffen und mit ihm zu sprechen.
In dem Prozess in Braunschweig hatte die Staatsanwaltschaft dem Mann drei Vergewaltigungen und zwei Fälle sexuellen Kindesmissbrauchs vorgeworfen, die er zwischen 2000 und 2017 in Portugal begangen haben soll. Im Oktober 2024 wurde er nach einem aufwendigen Prozess freigesprochen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, weil die Staatsanwaltschaft in Revision ging. Mit einer Entscheidung wird aber auf keinen Fall vor der bevorstehenden Haftentlassung gerechnet.

2007 verschwand Madeleine McCann aus einer Ferienanlage im portugiesischen Praia da Luz.
Wieso steht der Mann im Fall Madeleine derart im Fokus?
Mit den Ermittlungen wird oft auch die Hoffnung auf eine nicht mehr für möglich gehaltene Klärung des Schicksals des Mädchens verbunden. Der Mann ist ein mehrmals vorbestrafter Sexualstraftäter, der Anfang der 2000er in Portugal gelebt haben soll. Die Vergewaltigung der 72-jährigen US-Amerikanerin im Jahr 2005, für die er 2019 für schuldig gesprochen wurde, geschah in dem Ort Praia da Luz. An dem Ort an der Algarve verschwand auch Madeleine.
Die deutschen Strafverfolger sind überzeugt davon, dass der 48-Jährige das Kind entführt und getötet hat. "Und zwar allein er", bekräftigte der Sprecher der Staatsanwaltschaft Braunschweig, Hans Christian Wolters. Die Strafverfolger betonen, dass sie bei den jahrelangen Ermittlungen nichts gefunden haben, was den Tatverdacht entkräften könnte. "Keine entlastenden Beweise, kein Alibi, keinen Hinweis darauf, dass er nicht am Tatort gewesen sein könnte", fasste Wolters zusammen.
Warum gibt es dann keine Anklage?
Bisher gebe es offenbar keinerlei tragfähige Indizien, sagt indes Verteidiger Fülscher. Die Aussagen der Strafverfolger bezeichnet er als in höchstem Maße bedenklich. Es sei nicht Aufgabe eines Beschuldigten, seine Unschuld zu beweisen, sagte der Anwalt. Vielmehr sei die Staatsanwaltschaft verpflichtet, den Tatnachweis zu führen. Und ein unabhängiges Gericht davon zu überzeugen.
Was macht den "Fall Maddie" so besonders?
Kurz nach dem Verschwinden des Mädchens im Jahr 2007 zog ein Mediensturm über den beschaulichen Urlaubsort Praia da Luz. Eine professionelle PR-Maschinerie sollte verhindern, dass das Mädchen aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwindet.
Vor allem die britischen Boulevardmedien stürzen sich auf den Fall, der schnell auch weltweit Interesse auslöste, wie selten ein Vermisstenfall zuvor. Der Papst empfing die Eltern, und die Ermittlungen der britischen Polizei kosteten umgerechnet längst mehr als 15 Millionen Euro.
Völlig überraschend informierten Ermittler im Jahr 2020 in einem TV-Beitrag darüber, dass es einen deutschen Verdächtigen gibt. Nach mehr als einem Jahrzehnt der Ungewissheit dauerte es nur wenige Stunden, bis das internationale Interesse wieder aufflammte. Und besonders die britische Öffentlichkeit lässt der Fall bis heute nicht los: Es vergeht kaum eine Woche, in der Boulevardmedien nicht neue Maddie-Schlagzeilen produzieren.
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