Erdbeben trifft Kroatien in Corona-Zeit: "Sind in Häusern nicht mehr sicher"
Das Erdbeben hat die Stadt Zagreb regelrecht aus dem Schlaf gerissen. „Gegen halb sieben“, berichtet eine aufgeregte Bewohnerin dem KURIER am Telefon, „ging das heute los“. Sie lief mit ihren beiden Kindern ins Freie, um nach dem ersten Schock das Ausmaß der Schäden zu begutachten.
Zahlreiche Gebäude, speziell in der bei Touristen beliebten Unterstadt, sehen aus, als wären hier Granaten eingeschlagen: Autos sind unter dem herabgestürzten Mauerwerk begraben. Es gibt erste, noch unbestätigte Meldungen von komplett eingestürzten Häusern. Fotos von der ramponierten Kirchturmspitze der Zagreber Kathedrale machen in den sozialen Medien die Runde.
Zagreber Innenstadt nach dem Erdbeben
"Im Schock"
„Im Moment sind wir alle im Schock“, erzählt die Anruferin. „Gestern hat man uns noch gesagt, dass wir wegen des Coronavirus nicht auf die Straße gehen dürfen, und jetzt sind wir in unseren Häusern nicht mehr sicher.“ Sie hat in ihr Auto das Notwendigste gebracht. „Es ist noch völlig unklar, wo wir die nächste Nacht verbringen werden.“
Nach 8 Uhr setzte eine Welle von mehreren Nachbeben ein. In den TV-Nachrichten wird davon gesprochen, dass noch ein stärkeres Beben droht. Das erste Beben wurde mit einer Stärke von 5,3 auf der Richterskala registriert. Es dürften Dutzende Menschen verletzt worden sein, schreiben kroatische Medien; von Toten wurde bisher nicht berichtet. Ein 15-jähriges Mädchen wurde schwer verletzt. Es befinde sich in kritischem Zustand, hieß es aus dem Kinderspital, wo sie behandelt wird
Die Zagreber flüchten daher immer wieder auf die Straße hinaus, um dort kollektiv zu frösteln. Zu allem Pech kommt hinzu, dass es in der Nacht von Samstag auf Sonntag in Zagreb auf null Grad abgekühlt hat. Polizei patrouilliert in der Stadt. Das hält einige Unvernünftige jedoch nicht davon ab, in nächster Nähe miteinander Kaffee zu trinken.
Es war das stärkste Erdbeben in den letzten 140 Jahren. Die Behörden haben die Bewohner nun aufgefordert, vorerst nicht in ihre beschädigten Wohnungen zurückzukehren. Vor allem ältere Gebäude in der Innenstadt wurden stark beschädigt. Um die Trümmer von den Straßen zu beseitigen, wurde laut Medien auch die Armee eingesetzt.
Die Menschen wurden gleichzeitig aufgerufen, wegen der Corona-Epidemie Abstand zu einander zu halten. "Wir haben jetzt zwei Krisensituationen", sagte der kroatische Premier Andrej Plenkovic.
Turmspitze der Kathedrale abgebrochen
Auch die Kathedrale im Zentrum, das Wahrzeichen der Stadt, wurde beschädigt - eine der beiden Turmspitzen fiel aus mehr als 100 Metern Höhe zu Boden.
Der Erdbebendienst der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) in Wien teilte mit, dass sich das Erdbeben um 6.24 Uhr ereignet und eine Magnitude von 5,4 aufgewiesen habe. In Österreich sei nicht mit Gebäudeschäden zu rechnen. Die Bevölkerung in der Steiermark und im südöstlichen Teil Kärntens habe die Erschütterungen "großräumig deutlich verspürt". Auch in weiter entfernten Städten wie Villach, Salzburg, Linz und Wien sei das Beben vor allem in höheren Stockwerken wahrgenommen worden.
Beben in Corona-Zeiten
Der kroatische Innenminister Davor Bozinovic mahnte die Bevölkerung über Twitter, wegen der Ansteckungsgefahr mit dem Coronavirus Abstand voneinander zu halten. Die kroatische Seismologin Ines Ivancic sprach von einem starken Beben. Die Schäden könnten noch nicht abgeschätzt werden.
Krsko nicht betroffen
Das in Slowenien gelegene Atomkraftwerk Krsko, das sich etwa 50 Kilometer nordöstlich von Zagreb befindet, blieb von dem Erdbeben unbetroffen. "Das Atomkraftwerk funktioniert trotz des Erdbebens sicher", teilte der Betreiber des von Slowenien und Kroatien gemeinsamen betriebenen AKW mit.
In der Anlage, die weiterhin mit voller Kraft in Betrieb bleibe, werden präventive Checks durchgeführt, hieß es weiter. Das slowenische Infrastrukturministerium teilte unterdessen via Twitter mit, dass die Experten im AKW Krsko Analysen gemäß Protokolle durchführen und es bisher nicht erforderlich gewesen sei, die Anlage abzuschalten. "Es gibt keine Konsequenzen oder Gründe für eine Abschaltung", hieß es.
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