Der Preis eines Menschenlebens: für Boeing 131.543,01 Euro

„Gott klebt keine Preisschilder an Menschenleben“, sagt der Staranwalt, der Boeings Kompesationsfonds verwaltet.

vonSusanne Bobek

Wie bewertet man den Wert eines Menschenlebens? Der Washingtoner Anwalt Kenneth Feinberg (73) sagt in Interviews gerne, dass „Gott keine Preisschilder an Menschenleben klebt“. Doch Feinberg handelt bei Katastrophen Entschädigungen für Opfer und Hinterbliebene aus.

Nach 9/11, nach der BP-Ölkatastrophe im Golf von Mexiko, nach den Attentaten beim Boston-Marathon und in der Sandy Hook-Volksschule, nach dem Kino-Attentat in Colorado. Und jetzt im Fall des größten Desasters des US-Luftfahrtkonzerns Boeing nach zwei Flugzeugabstürzen wegen fehlerhafter Software.

Boeing startet sein Entschädigungsprogramm für Angehörige der Opfer der Flugzeugabstürze in Indonesien im Oktober 2018 und Äthiopien im März 2019. Seit März gilt ein weltweites Flugverbot für Flugzeuge des Typs 737 MAX.

Ansprüche ab sofort

An Bord der Maschine von Addis Abeba nach Nairobi waren am 11. März auch drei junge Ärzte aus Österreich und ein evangelischer Pfarrer aus Kärnten. Ihren Angehörigen wird nun jeweils 144.500 Dollar (131.543,01 Euro) Entschädigung geboten. Die Familien könnten ihre Ansprüche ab sofort geltend machen – und müssten dafür nicht im Gegenzug von Klagen gegen Boeing absehen, versicherte Feinberg. Eine Familie aus Ruanda hat bereits Klage vor einem Bundesgericht im US-Bundesstaat Illinois eingereicht.

Elmar Giemulla, Luftfahrtexperte und Honorarprofessor für Luftverkehrsrecht an der TU Berlin, der auch Angehörige der Germanwings Katastrophe in den französischen Alpen vertreten hat, rechnet damit, dass es im Fall Boeing zu den höchsten Schadenersatzansprüchen in der Luftfahrtgeschichte kommen könnte, weil die Maschinen offensichtlich einen Designfehler hatten. Boeing habe zudem riskiert, dass ein zweiter Absturz passiert.

Kein Honorar vom Staat

Das Stundenhonorar von Kenneth Feinberg, dem berühmtesten Schlichter der USA, beträgt 500 Dollar. Nur wenn er für den Staat arbeitet, etwa nach dem 11. September 2001, als die Twintowers in New York in Flammen aufgingen, dann nimmt er kein Geld. Das sei Ehrensache für den einstigen Mitarbeiter von Ted Kennedy.

Dafür kassierte er bei den Schadenersatzansprüchen der amerikanischen VW-Kunden und vertrat Bayer-Monsanto-Geschädigte. Der Richter bestimmte ihn zum Schlichter, weil sich Bayer und Klägeranwälte nicht verständigen konnten. Feinberg stellte sich schon oft auf harte Konfrontationen ein. In Detroit stellte er sich Arbeitnehmern, deren Betriebspension um 60 Prozent gekürzt wurde. Er brachte die Arbeiter dazu, das Angebot anzunehmen. Denn wem nützte es, wenn die Rentenfondsgesellschaft sonst pleite geht und die Betriebsrentner alles einbüßten?

An 5000 Überlebende und Hinterbliebene der Terroranschläge vom 11. September 2001 verteilte er sieben Milliarden Dollar. Familien von Feuerwehrleuten bekamen weniger Geld als Familien von Bankmitarbeitern. Entscheidend war der wirtschaftliche Schaden, der durch den Tod der Person voraussichtlich entstehen würde. Beschlossen hatte das der Kongress, der Zorn traf Feinberg. Dafür wurde er gefeiert, als er im Zuge der Banken- und Wirtschaftskrise 2008 eine Deckelung der Topmanagergehälter durchsetzte.

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