Im Prater blühen wieder die Bäume. In der Praterstraße blühen zudem einige neue. Gleich drei politische Mandatare sehen vor lauter neuen Bäumen keinen Mitbewerber mehr. Hört man genauer zu, könnte man meinen: Ohne ihre Partei wäre die Neugestaltung der traditionsreichen Prachtstraße niemals geglückt.
Alexander Nikolai (SPÖ) kann von sich behaupten, dass es ihm als Bezirksvorsteher vorbehalten war, den neuen „Rad-Highway“ und die neuen Verweilzonen zu eröffnen.
Christian Moritz (Neos) betont: „Das ist unser Herzensprojekt seit wir im Bezirk vertreten sind.“ Daher: Ohne Neos keine neue Praterstraße!
Der Grüne Bernhard Seitz, er ist aufgrund der Stimmenstärke seiner Partei Bezirksvorsteher-Stellvertreter in der Leopoldstadt, sagt sinngemäß: Bevor die SPÖ entdeckt hat, dass es auch Radfahrer in ihrer Stadt gibt, hätten die Grünen fertige Konzepte für die neue Praterstraße vorgelegt.
Der KURIER hat fünf Mandatare von den fünf stimmenstärksten Parteien gebeten, zu jeweils zwei Plätzen zu führen, die ihnen wichtig sind.
Der Bezirksvorsteher findet alles gut in seinem Bezirk: neben der Straße zum Praterstern auch den Platz vor dem gleichnamigen Bahnhof. Der Ex-Busfahrer der Wiener Linien, der über ein Betriebsratsmandat in die Kommunalpolitik hineingewachsen ist, steht zufrieden in der Morgensonne vor dem Bahnhof Praterstern.
Nikolai zeigt auf neue Bäume, Sträucher und Bänke, listet penibel auf, was unter seiner Regentschaft alles erneuert wurde. Freut sich über „viele positiven Reaktionen, die ich von den Bewohnern meines Bezirks bekommen habe“. Auch das Alkoholverbot (seit 2018) und das Waffenverbot (seit 2019) hätten dazu beigetragen, dass man es auf dem einst berüchtigten Praterstern gut aushalten könne.
Es ist also alles bestens, wenn der rote Bezirkschef in der Sonne am Praterstern über seinen Bezirk erzählt. Über die Schattenseiten des Pratersterns spricht er nicht.
Muss er auch nicht. Dafür gibt es in jeder Demokratie die Opposition: zum Beispiel ÖVP-Bezirksrat Daniel Kummer und FPÖ-Bezirksrat Franz Lindenbauer. Die Aufgabe, zwei Schätze im Zweiten zu zeigen, lösen sie, indem sie die eigenen „Schätze“ unter Anführungszeichen setzen.
Zur Schattenseite des Pratersterns führt Daniel Kummer, der diese auch als Polizist gut kennt. Schön wäre der alte Park schon, so Kummer. Auch die Grünanlagen und die Kinderspielplätze wären Schätze. Sein Name Venediger Au löst sogar Sehnsüchte aus. Es sind jedoch ganz andere Süchte, die dem Jungpolitiker Sorgen bereiten: „Wir haben hier nach dem Einbruch der Dämmerung ein massives Problem mit der Suchtmittelkriminalität von Jugendbanden. Jeden Abend wird in der Venediger Au gedealt.“
Der gebürtige Grazer, der in Wien einer Bereitschaftseinheit der Polizei angehört, weiß, wovon er spricht: „Immer wieder nehmen wir in der Venediger Au Leute fest.“ Oft müsse man sie mangels Beweisen wieder laufen lassen: „Eine Videoüberwachung würde uns da helfen“, zitiert Kummer seinen bekannteren Parteikollegen, den ÖVP-Stadtchef Karl Mahrer.
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Der böse, böse 18er
Die Venediger Au in der Nacht sei heute „ein Angstraum für Mädchen und Frauen“. Schließt Kummer. War sie allerdings auch schon, als er in Graz noch gar nicht geboren war.
Nur sieben Minuten benötigt der passionierte Stadtradler auf der Hauptallee bis zur Kreuzung mit der Stadionallee. Hier soll schon in ein paar Monaten eine Straßenbahn, der 18er, weiter bis zum geplanten Busterminal drüberrollen.
Das Argument, dass eine Tram bei Regen einen längeren Bremsweg hat als ein Bus, überzeugt an einem Märztag, an dem die Trockenheit in Wien beklagt wird, nicht. Auch der Hinweis auf den Lärm der Bim wirkt angesichts der Lautstärke der Pkw weit hergeholt. Dass vonseiten der Stadt die ÖVP-Forderung, den 12er bis zum Stadion zu verlängern, mit dem Argument der Kosten zuerst abgelehnt wurde, um wenige Tage später den teureren 18er-Ausbau zu präsentieren, werfe aber Fragen auf.
Schützenhilfe bekommt die ÖVP in Sachen 18er von der FPÖ, und das beinahe wortident. „Keinen Mehrwert“ will Franz Lindenbauer bei diesem Projekt erkennen. „Man muss nur die Intervalle der Busse verkürzen, dann kann man auch mehr Fahrgäste transportieren.“
Außerdem müsste man dann die Parkplätze der aufgebrachten Kleingärtner auf der Wasserwiese nicht opfern. Und sie hätten weiterhin freie Fahrt zum Stadioncenter.
Heimspiel im Hora-Hof
Ein weiteres „Schatzerl“ ist für den Verteidiger der kleinen Leute (und der Autofahrer) auch der Hora-Hof an der Engerthstraße. Der wurde in den 1970er-Jahren errichtet und ist schon seit Längerem baufällig, wie ein sehr wütender Mieter wortreich schildert. Weil ihn Mitarbeiter von Wiener Wohnen bisher nicht gehört haben, der Mieter spricht in dieser Reihenfolge von Ignoranz, Arroganz bzw. Beschwichtigungsversuchen, darf der Vertreter der Freiheitlichen hier ein echtes Heimspiel bestreiten.
Insgesamt zählt man in Wien 220.000 Gemeindebauwohnungen. Wie man sie mit dem zur Verfügung stehenden Budget in Schuss halten kann, auf diese Frage hat der FPÖ-Parteiangestellte keine Antwort.
Beim Hora-Hof gibt es immerhin einen Übergang über die Bahn und den Handelskai zur Donaulände. Mehr solcher Übergänge fordert der Sozialarbeiter und Neos-Mandatar Christian Moritz. Außerdem soll der Asphalt am Donauufer aufgebrochen und eine Parklandschaft geschaffen werden: „Damit sich hier nicht nur die Schifffahrtstouristen, sondern auch die Anrainer wohlfühlen.“
Den Plan, dass die Via Donau eine Anlegestelle mit einem für ihre Mitarbeiter bestimmten Büroschiff belegt, lehnt Moritz kategorisch ab. „In Zukunft sollten uns von der Reichsbrücke stromaufwärts auch keine Kreuzfahrtschiffe mehr die Sicht auf die Donau verstellen.“
Der Grüne Bernhard Seitz verlangt wiederum weitere Verbesserungen der „Freien Mitte“, der Grünoase neben dem Nordbahnviertel, die auch seine vierjährige Tochter liebt. So wie seine Nachbarn verwehrt er sich gegen Pläne der MA 48, ihnen einen Mega-Mistplatz vor die Nase zu setzen. Klientelpolitik? „Nein, da geht es nicht um uns Bobos, sondern um eine Jahrhundertentscheidung.“
Zudem möchte Seitz den für die Anrainer lästigen Durchzugsverkehr in der Taborstraße stoppen: „Nur wenn sie sich in ihrer Straße wohlfühlen, werden auch die Geschäfte profitieren.“ Die Praterstraße sei das beste Beispiel für diese These. Bleibt abzuwarten, ob man sich auch für die Taborstraße einmal rühmen wird.
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