"Viele Förderungen wird man kappen"

2016 wird für Kärnten zum Schicksalsjahr. Im besten Fall erhöht sich der Schuldenstand um weitere 1,2 Milliarden Euro, doch die Insolvenz erscheint als wahrscheinlicheres Szenario. Der KURIER sprach mit Politikwissenschafterin Kathrin Stainer-Hämmerle von der Uni Klagenfurt über die unterschiedlichen Folgen, die Rolle des Bundes, die aktuelle Volksmeinung und mögliche Profiteure der Krise.
Das 75-Prozent-Rückkaufangebot an die Heta-Gläubiger ist gelegt, ein entscheidender Teil hat es bereits abgelehnt. Auch wenn das Schicksal Kärntens erst am 11. Mai entschieden werden soll; es deutet viel auf eine Insolvenz hin.Stainer-Hämmerle: Das Brisante ist, es gab meines Wissens keine Vorverhandlungen und soll auch keine Nachverhandlungen geben. Also wird die Antwort ja oder nein lauten. Prognosen sind unmöglich und unseriös.
Ist es denkbar, dass der Bund Kärnten links liegen und in die Insolvenz schlittern lässt?
Man möchte glauben, die Republik müsste und würde alles tun, um dies zu verhindern. Österreichs Ruf steht auf dem Spiel, nicht nur das Rating Kärntens. Und kann man Kärnten einfach bluten lassen? Was passiert dann? Man sieht es ja jetzt schon beim Durchgriffsrecht: das Bundesland erfüllt die Flüchtlingsquote fast (zu 98,97 Prozent, Anm.) und bekommt immer wieder Großquartiere zugewiesen. Da entsteht schon der Eindruck, man würde Kärnten für den Hypo-Skandal bestrafen. Aber andererseits: wenn Kärnten damit durchkommt, könnten es andere Bundesländer in ähnlich gelagerten Fällen ja auch probieren.
Kärnten geht also in Konkurs und dann wird beurteilt, was das Land für den laufenden Betrieb noch benötigt, und was nicht?
Niemand weiß, was passiert, wenn der Masseverwalter in der Landesregierung sitzt. Die Insolvenz eines Bundeslandes wäre einzigartig in der EU, ein Präzedenzfall. Natürlich steht die Verwaltung, stehen Schulen und Spitäler außer Streit. Aber ob dann noch Geld für die Instandhaltung des ländlichen Wegenetzes fließt? Wird eine Straße asphaltiert? Ja, man kann Museen sperren und Förderungen stoppen ohne sofortigen Schaden. Aber die Folgeschäden sind nicht abschätzbar. Da würde eine Lawine losgetreten, die nicht zu stoppen ist.
Im besten Fall hat Kärnten um 1,2 Milliarden Euro mehr Schulden und muss die nächsten Jahrzehnte noch intensiver sparen. Aber wo und wie?
Den Beamtenapparat kann man weiter verschlanken, aber die gehen ja jetzt auch nicht spazieren. Soziales, Bildung und Gesundheit sind die großen Brocken, vor allem Spitäler haben Einsparungspotenziale. Viele Förderungen wird man kappen, Baumaßnahmen stoppen.
Hat die Bevölkerung Verständnis dafür, dass sie die Zeche zahlen muss?
Es wird Aufgabe der SPÖ-ÖVP-Grün-Regierung sein, den Sparstift gerecht anzusetzen. Jeder muss gleichermaßen betroffen sein, keiner darf seine Klientel schützen.
Welche Partei könnte von der aktuellen Situation profitieren?Die FPÖ, weil Emotionen hochgeschaukelt werden. Die Freiheitlichen müssen gar nicht zwingend alternative Lösungswege und Maßnahmen anbieten. Derzeit reicht Pauschalkritik, um Punkte zu sammeln.
Hält die Koalition bis 2018?Ja, sie hat keine andere Möglichkeit. Niemand würde von einer Neuwahl profitieren. Außerdem würde ein Wahlkampf das Land weiter blockieren – das würde auch der Bund nicht gerne sehen; von der Bevölkerung ganz zu schweigen.
Gibt es Themen, die Kärnten aufgrund der Skandale vernachlässigt? Trends, die verschlafen werden?HCB und die Hypo-Heta-Problematik haben in den letzten Monaten alles überschattet. Mehr Herausforderungen braucht ein Bundesland wirklich nicht. Dass man die Flüchtlingsproblematik recht gut im Griff hat, eine Verfassungsreform geschafft hat und in vielen Bereichen bemüht ist, langfristig die richtigen Weichen zu stellen, geht bei den großen Skandalen naturgemäß unter.
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