Haushalt als Falle: Unfälle werden mehr

Die Opfer waren meist arm, drogenabhängig oder anders benachteiligt.
Vier von fünf tödliche Unfälle passieren im Haushalt und der Freizeit. Tendenz steigend.

In den eigenen vier Wänden wähnt man sich in Sicherheit und dennoch passieren vier von fünf tödliche Unfälle genau hier, in der Freizeit und beim Sport. Und die Tendenz steigt: In den vergangenen zehn Jahren gab es in diesen Bereichen einen Anstieg von 16 Prozent. Im Gegensatz dazu sank die Anzahl an tödlichen Unfällen im Verkehr und in der Arbeit deutlich ab.

Othmar Thann, Direktor des Kuratoriums für Verkehrssicherheit, führt diese gegenläufige Entwicklung im Rahmen eines Pressegesprächs auf mangelnde Präventionsmaßnahmen im Bereich der Freizeit und des Haushalts zurück. „Bei Arbeitsunfällen hat man in den letzten 30 Jahren gewaltige Fortschritte erzielt – ebenso im Straßenverkehr. Um Unfälle im Haushalt und der Freizeit kümmert sich hingegen niemand. Keiner heult auf, wenn man sagt, es gibt hier fünf Getötete pro Tag.“

Zurzeit mangle es an Statistiken und gemeinsamen Programmen, da ein „Kompetenz-Wirrwarr“ zwischen Bund und Ländern herrsche. Auch liege kein Interesse vor. Und das obwohl Unfälle abseits der Arbeit jährliche Kosten in der Höhe von 20,6 Milliarden Euro verursachen.

Kinder und Senioren

Die mangelnde Prävention trifft laut einer Prognose des Kuratoriums für Verkehrssicherheit vor allem Senioren. Menschen werden immer älter und Volkskrankheiten wie Osteoporose nehmen stark zu, wodurch Verletzungen wie Knochenbrüche wahrscheinlicher werden. Auch Kinder dürften in Zukunft öfter bei Unfällen zu Schaden kommen. Zurückgeführt wird das auf die „Generation Smartphone“. „Viele Kinder können heute nicht mehr balancieren, tun sich schon schwer beim Rad fahren und können noch nicht einmal einen Ball richtig fangen“, sagt Thann. Sie würden anstatt sich in der Freizeit zu bewegen und notwendige Bewegungsabläufe einzulernen lieber auf einer Couch liegen.

Im Jahr 2035 könnte es nach Berechnungen des Kuratoriums für Verkehrssicherheit in etwa 100.000 Unfälle mit Verletzten mehr geben. Im vergangenen Jahr waren es insgesamt 784.300, wovon sich rund drei Viertel im Haushalt, der Freizeit und beim Sport ereigneten. Aber auch bei tödlichen Unfällen würde es nach derzeitigem Trend einen Anstieg von fünf Prozent geben.

Unterschätzte Gefahr

„Freizeit- und Haushaltsunfälle werden oft unterschätzt“, erklärt auch Elisabeth Stadler, Vizepräsidentin des Roten Kreuzes anlässlich des Pressegesprächs. „Man denkt zuerst an den Straßenverkehr, der als risikobehaftet wahrgenommen wird.“ In der Freizeit sei man jedoch oft unkonzentriert und erledige mehrere Dinge parallel, was das Risiko für Unfälle erhöhe. Auch würden „moderne, risikoreiche Freizeitsportarten“ zunehmend im Trend liegen.

„Früher hat man nach der Arbeit Ruhe gesucht, weil man körperlich ausgelastet war“, sagt Thann. Heute gehe es am Freitagabend hingegen erst richtig los. Die Suche nach einem Ausgleich zur Bürotätigkeit würde mitunter extreme Formen wie Paragleiten oder Canyoning annehmen. „Man kann nur sagen, sie wissen nicht, was sie tun“, sagt Thann.

 

Von Lukas Wodicka

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