Umstrittener Auftritt von Frei.Wild

Ein Mann mit Tätowierungen spielt auf der Bühne Gitarre.
Rund 2000 Fans kamen zum Konzert der umstrittenen Gruppe Frei.Wild in Graz.

Philipp ärgert sich. „Ich arbeit’, seit ich 15 bin“, deponiert der Techniker. „Wir sind keine arbeitslosen Asozialen, nur weil wir Frei.Wild mögen.“

Etwa 2000 Fans kamen Freitagnacht zum Konzert der Band im Rahmen ihrer jüngsten Tour nach Graz. Während Wels den Auftritt der Südtiroler, die sich als „Identitätsrocker“ bezeichnen, untersagte, hatten die Politiker in Graz und Kufstein in Tirol keine Bedenken. In Tirol stand Frei.Wild am Samstag Abend auf der Bühne und übte sich in lautem Rock.

Doch auch die Bedenken gegen die Gruppe sind laut. Das Mauthausen-Komitee urgierte mehrfach, Auftritte von Frei.Wild nicht zu erlauben. Die steirische Antidiskriminierungsstelle ist über die Rocker, deren Lead-Sänger und Texter Philipp Burger aus dem rechten Eck kam, nicht froh. „Auch wenn sich die Band gegen Nazis ausspricht, zieht sie die rechte Szene an“, heißt es in einer Stellungnahme.

„Unter aller Sau“

Eine Stunde vor dem offiziellen Einlass stehen Daniel und Sabrina schon vor dem Tor. Er ist Landschaftsgärtner-Meister, sie gelernte Floristin. „Ich mag einfach die Wahrheit in ihren Texten“, sagt sie, während er sich über die Etikettierung der Fans ärgert. „Das ist einfach unter aller Sau, das wir alle als Nazis beschimpft werden.“ David nippt an seinem Bier und vergleicht die Band mit Volksmusikern. „Die singen auch alle von der Heimat. Da sagt keiner was.“

Ein Grüppchen von 50, 60 Demonstranten wird durch Dutzende Polizisten von der Fangemeinde getrennt. „Say it loudly, say it clear, Frei.Wild is not welcome here“, skandieren sie. Die Fans kontern mit dem Refrain aus dem Song „Land der Vollidioten“: „Wir sind keine Neonazis, wir sind keine Anarchisten, wir sind gleich wie ihr.“

Die Polizei kann aber beruhigt wieder abziehen, befürchtete Ausschreitungen bleiben aus – vor dem Konzert wie nachher. „Graz, wir lieben euch“, ruft Sänger Burger dann auch ganz artig ins Publikum und beteuert erneut, man habe mit rechts nichts am Hut.

Gesetze ändern

Dennoch regt Daniela Grabovac von der Antidiskriminierungsstelle an, das Problemfeld rechte Musik generell zu thematisieren. Es müsse verstärkte Bewusstseinsarbeit gemacht werden. „Es gibt mittlerweile viele Bands, die sich mit ihren Texten in einem rechtlichen Graubereich bewegen.“ Ein Kriterienkatalog sei nötig. „Dieser Graubereich wird letztlich nur durch Gesetzesänderungen und Rechtssprechung durchsichtiger und eindeutiger.“

Videosex? Selbstmord? Die Entführung eines Mädchens? Alles kein Problem für den Pop – diesen Themen war zumindest je ein Nummer-Eins-Hit gewidmet.

Schwierig wird es für den Pop eigentlich nur in einem Themenbereich, der ursächlich dem Schlager gehört: der Heimat. Pop ist keine „Volks“-Musik, im Gegenteil: Im Nachkriegs-Wirtschaftswunder war die Heimatlosigkeit, die Internationalität dieser Musik ein Hauptgrund dafür, dass junge Menschen sich begeisterten. Pop war Protest gegen die heimatliche, auch: gedankliche Enge.

Das hat sich geändert: Tradition, Volk, Heimat haben sich Platz im Pop verschafft, aus verschiedenen Richtungen. Es ist ein musikalisch und gedanklich weites Spektrum, das sich etwa zwischen der einst heftig kritisierten Rammstein-Ästhetik, Heino oder Andreas Gabaliers „Volks-Rock’n’Roll“ aufgespannt hat. Hier werden Heimat und mitteleuropäische Identität auf höchst unterschiedlichem Niveau verhandelt. In anderen Fällen reicht diese Auseinandersetzung weit an den ganz rechten Rand heran. Dort ist Heimat ein Erfolgsrezept.

Nummer eins

Bestes Beispiel: Die Südtiroler Band Frei.Wild. Die sind jüngst Nummer eins der deutschen Albumcharts geworden – kurz nachdem sie wegen ihrer umstrittenen Texte vom Echo-Preis ausgeschlossen worden waren. In diesen Texten geht es um Volk, Heimat, um Bäume und ihre Wurzeln. Und um „Geschichte, die noch Kohle bringt“, was allzu leicht als antisemitisch gelesen werden kann. Der Frei.Wild-Sänger war einst in der ganz rechten Ecke, die Band dementiert aber die Nähe zur extremen Rechten. Eine neue Schwierigkeit für dieses Selbstbild dürfte sein, dass nun eine dezidierte Neonazi-Band Frei.Wild laut Süddeutscher Zeitung Songklau vorwirft: „Stahlgewitter“ nennt sich die Partie, und da weiß man schon, was einen erwartet. Nun sollen sich Frei.Wild beim „Stahlgewitter“-Machwerk „Auftrag Deutsches Reich“ bedient haben.

Aber Frei.Wild muss ohnehin nicht beim herkömmlichen Rechtsaußen-Sperrgebiet anstreifen. Denn das alte Rechts-links-Schema ist im Pop wie in der Politik überholt. So haben sich etwa die „Identitären“, eine neue Façette rechter Politik, von stramm rechter Rhetorik und einschlägiger Optik verabschiedet: Sie wehren sich gegen „Fremdeinflüsse“ und sehen sich als „Kulturverteidiger“. Und sie reagieren euphorisch auf das inhaltliche Spektrum von Frei.Wild. Denn auch den „Identitären“ geht es um Heimat. Und die wird bei Frei.Wild nun auch im Pop besungen.

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