Sturzflut in Italien: „Kann auch in Österreich passieren“

In der Raganello-Schlucht starben mindestens zehn Menschen
Gewitter können Gebirgsbäche jederzeit zu einer tödlichen Flut anschwellen lassen, wie es sie in der Raganello-Schlucht gab

Wie eine Wasserwalze ist am Montag eine Sturzflut durch die Raganello-Schlucht im süditalienischen Kalabrien gerollt (der KURIER berichtete). Das beliebte Ausflugsziel verwandelte sich für mindestens zehn Wanderer in eine Todesfalle, 26 Menschen wurden lebend und zum Teil verletzt geborgen.

Sie dürften nicht bemerkt haben, wie stark es in den umliegenden Bergen geregnet hat. Sie wurden von den Wassermassen mitgerissen, die wie aus dem nichts durch das fast ausgetrocknete Bachbett der Schlucht schossen.

„So etwas kann auch bei uns passieren“, sagt der Tiroler Meteorologe Karl Gabl, der als Wetterpapst der Alpen gilt. In Österreich ist dem Präsidenten des Kuratoriums für Alpine Sicherheit kein vergleichbarer Fall bekannt. „Aber in der Schweiz sind bei so einem Unglück 1999 beim Canyoning 21 Leute ums Leben gekommen“, erzählt Gabl. Auch in diesem Fall sei oberhalb einer Schlucht ein Gewitter niedergegangen und löste binnen Minuten eine tödliche Sturzflut aus.

„Da gibt es kein Entrinnen“, sagt der Tiroler. Wie rasant ein Bächlein sich in reißende Fluten verwandeln kann, macht er an einem ebenfalls in der Schweiz dokumentierten Beispiel fest: „Dort ist ein Bach, der normaler Weise einen Durchfluss von zwei bis drei Kubikmeter hat, innerhalb einer Stunde auf 78 Kubikmeter angeschwollen.“

Unbemerkte Gefahr

Die Gefahr eines Sturzbaches ist eine trügerische. „Bei einem Gewitter ist die Zone mit Starkregen auf ein winziges Gebiet beschränkt“, erklärt der Meteorologe. So kann es passieren, dass in einem kleinen Gebiet riesige Regenmengen niedergehen, während es ein paar Kilometer weiter nur nieselt.

Im Wissen um diese Gefahr für Schluchtwanderer hat Gabl 1999 eine meteorologische Canyoning-Hotline in Tirol eingeführt. Die gibt es inzwischen nicht mehr, da Schluchtführer heute per Handy auf Wetter-Apps zugreifen können.

Um die latente Gefahr von Sturzfluten weiß auch Rainer Gstrein vom Tiroler Bergführerverband, bei dem Canyoning-Guides ausgebildet werden. „Das Wetter spielt eine zentrale Rolle bei jeder Tourenplanung. Die Guides haben daher alle Zugriffe auf regionale Wetterberichte und können die Wasserstände aller Schluchten im Internet abrufen.“ Canyoning gilt jedoch als weitestgehend sichere Sportart. In ganz Österreich gab es laut Gabl in den vergangen elf Jahren nur vier Tote.

Christian Willim

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