Starker Zulauf bei Austro-Taliban

Die Zahl jener Migranten in Österreich, die in den Bürgerkrieg nach Syrien zieht, ist innerhalb eines Jahres um ein Drittel gestiegen. Es gibt auch immer mehr Todesfälle.
Mit dem jüngsten Fall beschäftigt sich derzeit das Bezirksgericht Wien-Hietzing. Der 32-jährige Hasan B. soll bei den Kämpfen um den Flughafen Aleppo von einer Granate zerfetzt worden sein. Seine Familie beantragt nun eine amtliche Todeserklärung.
Der 32-Jährige wurde in Argun in Tschetschenien geboren. Als Jugendlicher floh er mit seiner Familie vor dem Bürgerkrieg und lebte zuletzt als anerkannter Konventionsflüchtling mit seiner Ehefrau in einer Wohnhausanlage in Hietzing.
Hasan B. ist eine von inzwischen 80 Personen mit österreichischen Reisedokumenten, die in Syrien gegen das Assad-Regime kämpfen. Im vergangenen Jahr hatte der Verfassungsschutz nur 60 Austro-Kämpfer am Terror-Radar. Der stark steigende Trend wird in ganz Europa registriert (Bericht unten). Als Grund dafür vermuten Experten die lange Dauer des Krieges in Syrien.
Terrorverdächtige
Die 80 Terrorverdächtigen haben laut Verfassungsschutz alle migrantischen Hintergrund. Sie sind Flüchtlinge oder Einwanderer der zweiten Generation von Afghanistan über die Türkei bis Marokko. Konvertiten, wie sie in Deutschland bereits aufgefallen sind, wurden in Österreich noch nicht ausgemacht.
Was Hasan B. dazu bewog, in den Kampf zu ziehen, ist unbekannt. Niemand glaubt aber, dass er dort für die Demokratie kämpfen wollte. Denn die Kämpfer aus Europa reihen sich durchwegs in fundamentalistische Milizen ein, die den Gottesstaat anpeilen.
In Aleppo, wo Hasan B. gestorben sein soll, wütete zu dieser Zeit der tschetschenische Islamistenführer Tarkhan Batirashvili alias Abu Omar al-Shishani alias Omar al-Chechen. Die Sicherheitsbehörden vermuten, dass Hasan B. nicht der einzige Austro-Dschihadist war, der bei al-Sistani eincheckte. Denn ein Drittel der insgesamt 80 Terrorverdächtigen Neo-Österreicher stammt aus der tschetschenischen Gemeinde.
Wie viele der österreichischen Dschihadisten bereits im Feuer der syrischen Regierungsarmee gefallen sind oder von rivalisierenden Milizen umgebracht wurden, kann man beim Verfassungsschutz seriös nicht sagen. Etwa zehn Fälle sind einigermaßen beweiskräftig bekannt. Das Problem: Gefallene Kämpfer werden meist vor Ort unter großem Druck verscharrt. Die meisten finden nicht einmal den Weg in die einschlägigen Internet-Märtyrerforen. In seltenen Fällen gibt es unscharfe Fotos oder Videos der Leichen.
Todeserklärung
Im Fall des Hasan B. wurde das tragische Ende über Umwege von angeblichen Mitkämpfern der Familie berichtet. Die Familie sieht sich nun genötigt, eine gerichtliche Todeserklärung zu veranlassen – auf Basis der zugetragenen Gerüchte.
Das Bezirksgericht Hietzing geht an diese Aufgabe nun mit einem öffentlichen Aufruf heran. Darin heißt es:
" Hasan B. wurde vermutlich am 5. 5. 2013 oder 4. 5. 2013 bei kriegsähnlichen Unternehmungen getötet. Hasan B. befand sich angeblich zu jenem Zeitpunkt in der Umgebung des Flughafens Aleppo, Syrien. (...) Er erlitt bei dem Angriff einen offenen Bauchraum und eine Abtrennung eines Armes. Da vermutet werden kann, dass keine ärztliche Hilfe vorhanden war, besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit des Todeseintritts."
Und direkt an Hasan B. gerichtet: "Die verschollene Person wird aufgefordert, sich bis spätestens 6. 5. 2014 bei diesem Gericht zu melden, widrigenfalls sie für tot erklärt werden kann." Dann ist Hasan B. auch offiziell tot. Was wirklich in Aleppo passiert ist, wird man nie erfahren.
Bis zu 2000 junge Menschen aus Europa hätten sich Al-Kaida-nahen Milizen in Syrien angeschlossen, erklärten im Dezember der französische Innenminister Manuel Valls und seine belgische Kollegin Joelle Milquet am Rande eines Innenministertreffens in Brüssel.
Bei dem Treffen ging es um die Frage, wie man die Anwerbung von Kämpfern über das Internet verhindern könne. Die teilweise rivalisierenden Milizen werben auf ihren jeweiligen Homepages. Ansprechbar sind vor allem jugendliche Zuwanderer, die Probleme in der Schule und beim Berufseinstieg haben. Sie sollen künftig nicht mehr unter den "kreuzzüglerischen Götzenanbetern" leben, sondern für die Scharia kämpfen.
Einer der eifrigsten österreichischen Werber war der Wiener Mohamed M., der mit seiner Millatu-Ibrahim-Bewegung den Dschihad bewarb. Nachdem er 2013 beim Versuch verhaftet wurde, illegal nach Syrien einzureisen, sitzt er in türkischer Haft.
Nach der Zerschlagung der Millatu-Bewegung beobachten Sicherheitsdienste, dass ein neues Netzwerk über Bahrain – Österreich – Deutschland aufgezogen wird. Die Zahl der Extremisten, die aus Deutschland nach Syrien reist, nimmt deutlich zu, berichtet indes die FAZ. Im Jänner waren demnach 270 Kämpfer im Bürgerkriegsland aktiv.
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