Soko Donau-Muschel: Warum Biologen ins Donauwasser gehen

Man könnte sagen: Die beiden gehen der Sache so richtig auf den Grund. Patrick Leitner und Thomas Huber stehen bis zum Bauch im Donauwasser. Huber wirbelt mit seinem Fuß das grautrübe Gewässer auf, um dann mit einem Sacknetz verschiedene Tierchen aus der Donau einzusacken. Kollege Leitner hält für diesen Fang seinen weißen Kübel bereit.
„Wir sind auf aquatische Wirbellose spezialisiert“, rufen die Forscher des Instituts für Hydrobiologie und Gewässermanagement an der Universität für Bodenkultur ans Ufer, gut drei Kilometer unterhalb des Kraftwerks Freudenau.

Der leicht ratlose Blick des Redakteurs scheint sie nicht zu irritieren. Nahtlos fügen sie hinzu: „Das sind kleine Tiere, die im Wasser leben und keine Wirbelsäule aufweisen.“ Die kleinsten Wirbellosen sind nur wenige Millimeter groß: die Larven von Eintags-, Köcher- und Steinfliegen, von Gelsen und Libellen. Weitaus größer sind hingegen Weichtiere wie Schnecken oder Muscheln, auch Krebse und Würmer.
Die Donau unterhalb von Wien ist für die Hydrobiologen eine von fünf Entnahmestellen im Rahmen des Forschungsprojekts „JDS5“, an dem rund 1.000 Forscher und Forscherinnen mitarbeiten (mehr Infos siehe unten).
Zum 5. Mal: Die internationale Donaustudie wird alle sechs Jahre erstellt – nun zum 5. Mal, daher auch der Name: „Joint Danube Survey 5“.
1.000 x Wissenschaft: 1.000 Forscher und Forscherinnen von 100 Institutionen aus 14 Ländern sind in den „JDS5“ involviert.

Der Fluss im Kübel
Am Vortag waren Leitner und Huber ober- und unterhalb von Linz und auch in der Wachau im Einsatz. Und nach der Entnahme in Wien 22 geht es heute noch weiter nach Hainburg. Das Geniale an der laufenden 5. Donaustudie: Die Kollegen in allen beteiligten Ländern arbeiten nach der genau selben Methodik – von der Entnahme bis zur Analyse. Die übergeordnete Frage für alle lautet: In welchem aktuellen Zustand befindet sich der mit knapp 3.000 Kilometer zweitlängste Fluss Europas?
Was nun im weißen Kübel von Patrick Leitner schwimmt, kreucht und fleucht, erzählt ihm etwas über die Artenvielfalt in der Donau: Hunderte Wirbellose werden im heute stark kanalisierten Flussbett und in den Donau-Zuflüssen vermutet.

„Manchmal finden wir eine Art, die wir eigentlich schon abgeschrieben hatten“, sagen die beiden Männer im Fluss. Doch nicht jeder Fund sorgt für pure Freude: Dominant im weißen Kübel und damit in der Donau ist zum Beispiel der Höckerflohkrebs, der vermutlich im Ballastwasser der Schiffe vom Schwarzen Meer bis zu uns kommt.
„Heute kann diese Art in großen Dichten vorkommen“, wissen Leitner und Huber. Das Problem ist ein Phänomen der Evolution: Sie verdrängen die, die vor ihnen da waren – wie zum Beispiel die nur mehr sehr selten anzutreffende Gemeine oder Kleine Flussmuschel.

Inzwischen arbeiten die Hydrobiologen auch mit der Methode der Umwelt-DNA. Die der Donau entnommenen Proben liefern den Genetikern wertvolle Aufschlüsse. Überspitzt formuliert können sie in ihren Labors sogar die Zellen jeder dahergeschwommenen Gelsenlarve nachweisen.
Die Bitte der Biologen
Apropos Gelse. Thomas Huber lächelt kurz, für ihn ist sie kein Quälgeist: „Ich bin in der Au bei Mannswörth aufgewachsen. Dort lernt man auch, mit den Stichen zu leben.“ Was seinen Kollegen und ihm in die Karten spiele, sei die Tatsache, dass die Gelsen stehende Gewässer dem Fluss vorziehen.
Wichtiger für die Forscher ist etwas anderes: „Klar, die Donau hat ökonomische Aspekte. Doch es geht für uns auch um die Habitatsvielfalt. Darauf könnte und sollte noch mehr geachtet werden.“
Kommentare