Sex mit Patientinnen: Wiener Psychotherapeut verurteilt

Sex mit Patientinnen: Wiener Psychotherapeut verurteilt
Der Richter sagte am Ende des Verfahrens: "Sie therapieren auf völlig ungewöhnlichen Wegen, um daraus einen sexuellen Vorteil ziehen."

Ein mehr als abschreckendes Beispiel für seinen Berufsstand hat ein Wiener Psychotherapeut am Dienstag am Wiener Landesgericht abgegeben. Am Ende einer mehr als vierstündigen Verhandlung nahm es Richter Philipp Krasa als erwiesen an, dass der Mittfünfziger mit drei Patientinnen sexuelle Kontakte hatte, die er zugleich als Patientinnen behandelte.

Darüber hinaus stalkte er nach Ansicht des Richters zwei betroffene Frauen über Monate hinweg, nachdem diese die sexuelle Beziehung beendet hatten. Einer flog der Psychotherapeut sogar in den Thailand-Urlaub nach. Plötzlich tauchte er in ihrem Hotel in Koh Samui auf, um ihre Nähe zu suchen. Eine andere Patientin nahm er mit in den Urlaub nach Ägypten, mit der er dann gemeinsam mit seiner Verlobten zu dritt in einem Hotelbett nächtigte.

"Ich akzeptiere das nicht!"

"Sie therapieren auf völlig ungewöhnlichen Wegen, um daraus einen sexuellen Vorteil zu ziehen", beschied ihm der Richter am Ende des Verfahrens. Verurteilt wurde der Psychotherapeut wegen Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses und beharrlicher Verfolgung. Der bisher Unbescholtene fasste eine Freiheitsstrafe von elf Monaten aus, die ihm bedingt nachgesehen wurde.

Er meldete dagegen Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an und zeigte sich über den Schuldspruch erbost. "Sie sind einseitig", rief er dem Richter zu, "ich akzeptiere das nicht! Das ist ungerecht." Die Staatsanwältin legte Berufung gegen die in ihren Augen zu milde Strafe ein. Das Urteil ist damit nicht rechtskräftig.

Sex: "Habe wie ferngesteuert zugestimmt"

Wohl am übelsten hatte der Psychotherapeut einer AHS-Lehrerin mitgespielt, die sich nach einer Scheidung bei ihm in Behandlung begeben und anvertraut hatte. Sie hoffte, mit Hilfe des Therapeuten wieder Vertrauen in das andere Geschlecht zu erlangen. Sie habe in dem Mann "einen Idealtherapeuten, eine Idealvaterfigur" gesehen, schilderte die 32-Jährige dem Richter. Sie habe sich strikt an seine Vorgaben gehalten, "wie wenn man den Papa glücklich machen möchte".

Daher fand sie nichts dabei, den Therapeuten samt seiner Verlobten in den Urlaub zu begleiten. Sie ließ ihn gewähren, als er in seiner Ordination ihre Brüste massierte, um vorgebliche psychische Spannungen zu lösen. Am Massagetisch wurde auch "gekuschelt und geschmust", berichtete die Betroffene. Sie habe in den Therapeuten "blindes Vertrauen" gehabt: "Wie ein Lemming."

Im September 2015 übernachtete die Frau mit ihrem mehr als 20 Jahre älteren Therapeuten in einem Hotel in der Wachau. Dort kam es ihrer Darstellung nach zu Sex. Der Mann habe sie nach ihrem Einverständnis gefragt: "Ich habe wie ferngesteuert zugestimmt. Von mir gab es wirklich kein sexuelles Interesse. Ich habe keine aktiven Schritte gesetzt. Aber ich hatte das Gefühl, ihm etwas schuldig zu sein." Im Nachhinein sei ihr klar, das sie manipuliert wurde.

Therapeut lauerte Ex-Patienten auf

Im Anschluss sagten zwei weitere ehemalige Patientinnen des Angeklagten als Zeuginnen aus. Sie berichteten, dieser habe mit ihnen jeweils sexuelle Beziehungen unterhalten. In beiden Fällen gab der Psychotherapeut vor, die Betroffenen müssten lernen, wieder beziehungsfähig zu werden. Eine mittlerweile 56 Jahre alte Frau berichtete, sie habe das intime Verhältnis und die Therapie im April 2016 abgebrochen, "weil mir die Übergriffe und Grenzüberschreitungen zu viel geworden sind". Darauf hin habe sie der Mann abgepasst, regelmäßig angerufen und sei plötzlich im Frühstücksraum in ihrem Hotel in Thailand gestanden.

Die dritte Betroffene begann im November 2016 mit einer Therapie, aus der dann mehr wurde. Als sie von dem Mann nichts mehr wissen wollte, tauchte er zwischen Jänner und Mai 2018 fast täglich an ihrem Arbeitsplatz auf. Der Chef der Betroffenen sprach schließlich sogar ein Lokalverbot aus, um den lästigen Mann loszuwerden, der auch Kolleginnen der Frau in Gespräche verwickelte. Darauf hin lauerte der Psychotherapeut seiner Ex-Patientin auf der Straße und vor ihrer Wohnung auf.

"Ein Komplott!"

Der Angeklagte hatte sämtliche Vorwürfe in Abrede gestellt, wobei während seiner Befragung auf Antrag des Verteidigers die Öffentlichkeit ausgeschlossen wurde. Unmittelbar vor der Urteilsverkündung versicherte der Therapeut, es sei mit keiner einzigen Zeugin jemals zu Sex gekommen: "Sie lügen! Das ist eine Verleumdung!" Die drei hätten sich gegen ihn verschworen: "Ein Komplott! Sie sind befreundet, es wurde alles ausgemacht."

Das Gesundheitsministerium hat den Wiener Psychotherapeuten schon vor zweieinhalb Jahren aus dem Verkehr gezogen. Er wurde nach Bekanntwerden der gegen ihn gerichteten Anschuldigungen mit einem vorläufigen Berufsverbot belegt. "Ich gehe davon aus, dass Sie nicht mehr Ihren Beruf ausüben werden", bemerkte der Richter abschließend, ehe der Mann unter Unmutsäußerungen den Gerichtssaal verließ.

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