Richter wollen mehr „Rechtsfrieden“

Richter wollen mehr „Rechtsfrieden“
Die Einführung eines Vergleichs zwischen Behörde und Bürger könnte Verfahren vereinfachen.

Das könnte die verwaltungsgerichtlichen Verfahren in Österreich ungemein vereinfachen und beschleunigen: Der Abgeordnete Alfred Noll von der Liste Pilz bringt einen Gesetzesentschließungsantrag im Parlament ein, mit dem auch vor den Verwaltungsgerichten eine Vergleichsmöglichkeit geschaffen werden soll.

In der Mitte treffen

Das heißt: Verfahren müssen nicht mehr bis zum bitteren Ende (zumindest für eine Streitpartei) geführt und mit einem Urteil erledigt werden, sondern man trifft sich in der Mitte und geht einen vom Richter schriftlich festgehaltenen Kompromiss ein. Bei zivilgerichtlichen Verfahren ist das längst bewährte Praxis.

Anwendbar wäre der Vergleich etwa bei Baurechtsverfahren, Bewilligungen für Schanigärten, Sozialhilfefällen und anderen.

Der Präsident der Verwaltungsrichter-Vereinigung, Siegfried Königshofer, verspricht sich von der vorgeschlagenen Änderung einen „größeren Rechtsfrieden“. Und er erwartet sich dadurch eine Kostenersparnis, weil man in diesen Fällen ohne teure Gutachten auskommen würde.

Alles von vorne

Königshofer ist Richter im Landesverwaltungsgericht Wien, das im Jahr rund 24.000 Verfahren führt. Er skizziert für den KURIER ein Verfahren wegen Rückzahlung der Mindestsicherung als Beispiel: Eine Person bekommt Mindestsicherung, weil sie sich nicht selbst erhalten kann. Dann erbt sie, kommt also zu Vermögen, das Sozialamt streicht deshalb die Mindestsicherung oder setzt zumindest den Betrag herunter. Und weil zwischen Antritt des Erbes und Neubemessung ein paar Wochen oder Monate vergangen sind, wird die bereits ausgezahlte Mindestsicherung zurückverlangt.

Nur: Wie viel Vermögen genau brachte die Erbschaft? Wie viel Geld genau benötigt die Person für den Unterhalt? Wenn die Behörde nicht ganz exakt alles belegt und berechnet, beklagt sich der Bürger beim Verwaltungsgericht. Dieses hebt den Beschluss des Sozialamtes auf, wenn die Einwendungen berechtigt sind, und alles beginnt von vorne.

„Einen Interessensausgleich kann ich mit dem Erkenntnis des Gerichts nicht herbeiführen“, sagt Königshofer: Mit einem Vergleich erspare sich die Behörde die Arbeit, der Beschwerdeführer die ausufernden Anwaltskosten bei mehrfach vertagten Verhandlungen, und der Richter das aufgeblähte Verfahren samt Abfassung des Urteils. Königshofer: „Und ich kann sofort einen Rechtsfrieden herstellen.“

Die österreichischen Verwaltungsrichter haben den von der Liste Pilz vorgeschlagenen Vergleich auch auf ihrer Reformagenda. Sie schielen dabei nach Deutschland, wo es diese Möglichkeit seit Jahrzehnten gibt. 50 bis 60 Prozent aller Verwaltungsgerichtsverfahren werden dort auf diese Weise erledigt. Es wird ein vollstreckbarer Vertrag zwischen Behörde und Kläger geschlossen, etwas Ähnliches schwebt Königshofer für Österreich auch vor.

Man müsse einander nach Möglichkeit entgegenkommen, sagt der Verwaltungsrichter: Die Behörde behalte ja im Prinzip ihren Rechtsanspruch, auch wenn sie von ihrer Forderung etwas abrückt.

Mediation

Die Verwaltungsrichter-Vereinigung fordert zur Verfahrensbeschleunigung auch noch die Einführung einer außergerichtlichen Streitbeilegung durch eine Mediation. Und in komplexen Verfahren oder solchen mit großer Medienöffentlichkeit soll der Druck auf einzelne Richter dadurch vermindert werden, dass ein mehrköpfiger Senat entscheidet.

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