Republik zahlt gelähmtem Ex-Häftling 160.000 Euro
Was wir wollten, haben wir bekommen.“ Anwältin Karin Prutsch ist froh über das Urteil des Grazer Zivilgerichts: Ihr Mandant bekam 160.000 Euro Schmerzengeld sowie eine monatliche Rente von 1500 Euro zugesprochen.
Zahlen muss die Republik: Der 65-Jährige ist seit vier Jahren querschnittsgelähmt, nachdem er im Gefängnis von vier Justizwachebeamten fixiert wurde. Friedrich G. sollte auf der Krankenstation eine Spritze gegen seine „schizoaffektive Psychose“ bekommen, doch er wehrte sich dagegen: „Das ist Folter.“ Er packte die Krankenschwester, die sich losreißen konnten und die Beamten holte.
Einer hielt G. links, einer rechts, einer lag über seinen Beinen, einer kniete auf ihm. Dabei ist es auch passiert: 135 Kilogramm wog allein jener Beamte, der auf G. kniete. Dann hörten die Beamten „ein Knacksen“, wie sie im Prozess schilderten. Viel später stellte sich heraus, dass dieses „Knacksen“ ein verschobener Wirbel samt Rippenbrüchen war.
G. wurde letztlich an Händen und Füßen gefesselt in eine extra gesicherte Zelle gebracht, nackt übrigens. „Er wurde visitiert und vom Gewand befreit“, umschrieb ein Beamter. Immerhin wurde G. zugedeckt. Die Justizwache informierte den diensthabenden Arzt der Justizanstalt Karlau, doch der blickte nur durch das Fenster in die Zelle. „Er ist gegangen, hat geschrien. Da erschien mir keine Lebensgefahr“, sagte der Mediziner beim Prozess. G. beteuert jedoch, am Boden gelegen zu haben, weil er sich nicht mehr bewegen konnte.
Fehlverhalten
Genau hier hakt die Zivilrichterin ein: Die Beamten haben „das Knacken“ im Rücken gemeldet, das hätte mit Röntgen abgeklärt werden müssen. Das Fehlverhalten lastet sie deshalb den Medizinern an, nicht den Beamten. „Den Ärzten der Justizanstalt ist vorwerfbar, dass sie nicht rasch eine radiologische Abklärung vornehmen ließen“, begründet die Richterin. „Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit hätte die Querschnittslähmung verhindert werden können.“ Doch G. wurde erst zwei Tage nach dem Vorfall untersucht, eine Operation half nicht mehr.
Prutsch gewann nun die Klage in erster Instanz. Doch aus dem Justizministerium kommt bereits grünes Licht: Das Urteil des Grazer Zivilgerichts werde nicht bekämpft, obwohl bis 1. Dezember dafür Zeit sei.
G. wurde mittlerweile aus der Haft entlassen und lebt in einem Pflegeheim. Er wurde wegen Drohung zu zehn Monaten Haft verurteilt, saß aber als sogenannter geistig abnormer Rechtsbrecher insgesamt zehn Jahre im Maßnahmenvollzug, einer Art vorbeugenden Haft.
Strafrechtlich ist der Fall längst erledigt. Die Staatsanwaltschaft Graz hat die Ermittlungen gegen Beamte und Ärzte eingestellt. „Theoretisch könnte sie die Ermittlungen aber wieder aufnehmen“, überlegt Anwältin Prutsch. „Das Urteil des Zivilgerichts konterkariert eigentlich die Einstellung.“
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