Wiener Polit-Streit um Verbot von kindlichen Sexpuppen
Die Wiener FPÖ fordert ein Verbot von Kindersexpuppen, die es im Internet zu kaufen gibt. Sie scheitern damit an SPÖ, Neos und Grünen. Experten orten eine „rechtliche Grauzone“ und sind uneins, ob strengere Gesetze helfen.
Ein leicht bekleideter Mädchenkörper, neben ihr ein Stoffhase, darunter eine Produktbeschreibung, die sich liest wie folgt: „Lassen Sie uns heute Abend mit Ihrer Traumfreundin spielen.“ Erst bei genauerem Hinschauen erkennt man, dass es sich um eine Puppe handelt. Oder wie der Anbieter schreibt: eine „Sexpuppe für Männer“.
Zu kaufen ist das konkrete Modell auf Amazon. Wer länger im Internet sucht, der findet aber unzählige Seiten, die derartige Produkte anbieten. Als Kindersexpuppen deklariert sind diese nicht. Die Größe von 1,25 Metern und ein Gewicht von 20 Kilogramm sind aber recht eindeutig. Besonders, da sich Körbchengröße oder Gesichtszüge nach Wunsch anpassen lassen.
Der Umstand, dass diese Puppen, die in Österreich offiziell als Sexspielzeug gelten, erlaubt sind, rief jetzt die Wiener FPÖ auf den Plan. In einem Beschlussantrag forderte sie den Landtag auf, sich gegen einen Verkauf von Kindersexpuppen auszusprechen. Die Mehrheit aus SPÖ, Neos und Grünen stimmte dagegen.
In der FPÖ gibt man sich verstört über das Stimmverhalten der anderen Parteien und wirft der SPÖ vor, „Missbrauch Vorschub zu leisten“. Wien alleine kann in der Causa freilich wenig ausrichten, das weiß auch die FPÖ. Man verstehe den Antrag vor allem als Aufforderung an den Bund, in der Sache tätig zu werden, heißt es.
Sexpuppe
Darunter versteht man die lebensgroße Nachbildung des menschlichen Körpers, die meist zur Selbstbefriedung benutzt wird.
Spezialanfertigung
Gesichtszüge, Augenfarbe, Körpergröße und -form – all das können sich Käufer individuell zusammenstellen. Im Darknet soll es Anbieter geben, die auf Wunsch Puppen basierend auf Kinderfotos herstellen.
3.000 Euro
kosten hochwertige Puppen, die sogar sprechen können. Kindliche Sexpuppen, die wesentlich kleiner und leichter sind, sind auch um rund 500 erhältlich.
In der Praxis wäre aber auch ein österreichweites Verbot nur schwer umzusetzen, sagen Experten. Katharina Beclin, Strafrechtlerin und Kriminologin an der Uni Wien, meint dazu: „Die wenigsten spazieren mit der Sexpuppe unter dem Arm heim. Wie soll kontrolliert werden, ob sich jemand eine Kunststoffpuppe online bestellt?“
Außerdem sei die sachliche Begründung eines solchen Verbots fraglich: Anders als bei Missbrauchsdarstellungen von Minderjährigen käme bei Sexpuppen niemand zu schaden. Aus kriminologischer Sicht sei es zudem nicht erwiesen, dass derartige „Sexspielzeuge“ zu mehr physischen Übergriffen führen.
Dass die Puppen trotzdem umstritten sind, lässt sich nach einem Gespräch mit Josef Le nachvollziehen. Er ist Österreichs größter Fachhändler für sogenannte „Real Dolls“, also besonders lebensechte Exemplare.
Puppen sprechen mit Kinderstimmen
Sexpuppen mit Kinderproportionen führt er nicht im Sortiment. Doch er kennt die Szene: „Auf Fachmessen habe ich solche Puppen gesehen. Man erkennt sie sofort, sie sind zierlich mit flachem Körper und hoher Stimme.“ Ja, manche der Puppen können sogar sprechen. Sie sagen Dinge wie „No, no Daddy“, „Gibs mir“ oder auch „Ich hab dich lieb“.
Dennoch: Als Kinderpuppen werden sie von den Herstellern, die vor allem in China produzieren, selten ausgewiesen. „Eine Puppe hat kein Alter. Was für den einen kindlich aussieht, tut das für einen anderen vielleicht nicht“, beschreibt Le eine gewisse rechtliche Grauzone.
„Sex mit Puppen, das ist eine ganz spezielle Art der sexuellen Erregung, die nur selten mit Pädophilie zu tun hat“
von Reingard Cancola
Psychotherapeutin
Dezidierte Besitz- oder Verkaufsverbote der lebensgroßen Sexspielzeuge sind daher die Ausnahme. Nicht erlaubt sind sie in Dänemark oder Deutschland. Experten beurteilen die Maßnahme als populistisch – sie würden immer dann erlassen, wenn Taten Pädophiler an die Öffentlichkeit gelangen.
"Spezielle Erregung"
Die Psychotherapeutin Reingard Cancola, die im Forensisch-Therapeutischen Zentrum Wien auch Männer betreut, die wegen Kindesmissbrauchs verurteilt wurden, hat kaum Erfahrung mit Patienten gemacht, die derartige Puppen benutzen.
„Man erkennt Kindersexpuppen sofort, sie sind zierlich mit flachem Körper und hoher Stimme“
von Josef Le
Fachhändler für Sexpuppen
„Das ist eine ganz spezielle Art der sexuellen Erregung, die nur selten mit Pädophilie zu tun hat“, befindet sie. Ihr zufolge ist wissenschaftlich nicht belegbar, dass die Puppen Pädophile ermutigen. Aber: Man könne ebenso wenig mit Gewissheit sagen, dass diese als Ventil dienen, um Übergriffe auf Minderjährige zu verhindern. „Der Weg zum Missbrauch ist komplex, ein Puppenverbot ist da zu kurz gedacht“, meint Cancola deshalb.
Stattdessen brauche es mehr Betreuungsplätze für Männer, die ihre Störung kennen und nicht zu Tätern werden wollen, fordert Petra Birchbauer. Sie ist Vorsitzende der Österreichischen Kinderschutzzentren: Mittlerweile sei belegt, dass höhere Strafen nicht helfen. Ebenso wisse man, was Kindern wirklich hilft. Nämlich, die betroffenen Männer aus der Tabu-Zone zu holen, damit sich diese helfen lassen.
Jonni Brem, der bei der Wiener Männerberatung Pädophile therapiert, stimmt prinzipiell zu. Beim Thema Kindersexpuppen weicht die Meinung des Psychologen aber von der seiner Kollegen ab: „Das ist meine persönliche und eine nicht unbedingt wissenschaftliche Meinung, aber ich habe mit Tätern gearbeitet und habe gesehen, wie diese ihre Kindersexpuppen behandelt und teils verunstaltet haben.“ Er schließt nicht aus, dass deren Verwendung eine „problematische Sexualisierung von Kindern“ fördern könne.
"Blaue Hetze"
Laut Brem handle es sich bei den hochwertigeren Puppen um kleine Roboter, die die Käufer in ihren Fantasien bestärken. Das sei ähnlich wie bei animierten Sexfilmen, in denen Kinder vorkommen. „Ich sehe deren Einsatz nicht als hilfreich für Menschen im therapeutischen Prozess.“
Die Parteien, die gegen das Verbot stimmten, rechtfertigen das auf KURIER-Nachfrage: Die SPÖ spricht von einem „strategischen Abstimmungsverhalten“, inhaltlich sei man natürlich gegen Pädophilie und Missbrauch. „Die FPÖ hat das Thema mit der LGBTQ+-Community verknüpft, diese Hetze unterstützen wir nicht“, heißt es aus dem roten Rathausklub.
„Der von der FPÖ einberufene Sonderlandtag unter dem Deckmantel des Kinderschutzes wurde dazu benutzt, die Gesellschaft zu spalten, Hass zu säen und mit dem Schmerz transsexueller Menschen zu spielen“, sagt Neos-Klubchefin Bettina Emmerling.
Und die Grünen verweisen (wie auch SPÖ und Neos) auf den Bund, der die nötigen Gesetze erlassen müsste.
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