Plagiatsaffäre: Villacher Nationalratsabgeordneter legt Magistertitel zurück

Erneut gibt es eine Plagiatsaffäre.
Ein Monat vor der Gemeinderats- und Bürgermeisterwahl herrscht Aufregung im Villacher Vorwahlkampf. Plagiatsjäger Stefan Weber hat wieder zugeschlagen.

Nur wenige Tage nach dem Fall Christine Aschbacher erhebt Plagiatsgutachter Stefan Weber den nächsten Plagiatsvorwurf gegenüber einer „Politiker-Diplomarbeit“: Es handelt sich diesmal um die rechtswissenschaftliche Abschlussarbeit „Die Kanadische Kompetenzverteilung und ihre mögliche Bedeutung für die föderalistische Debatte innerhalb der EU“, angenommen im Jahr 2003 an der Universität Graz. Verfasser ist der ehemalige Villacher Stadtrat und jetzige ÖVP-Nationalratsabgeordnete Peter Weidinger. Er hat im Januar 2020 das Nationalratsmandat von Elisabeth Köstinger übernommen.


Plagiatsgutachter Weber will ein nur selten rekonstruierbares und deshalb umso interessanteres Plagiatsmuster entdeckt haben: Der Verfasser schreibt von einer englischsprachigen Quelle ab, indem er den Text ins Deutsche übersetzt. Anführungszeichen und Quellenangaben finden sich vor Ort der Übernahmen nicht. Zudem hat der Nationalratsabgeordnete auch deutschsprachige Quellen plagiiert, darunter im Internet zugängliche Dokumente wie einen Länderbericht oder ein universitäres Kanada-Lexikon. Diese Übereinstimmungen wurden wie schon im Fall Aschbacher mit der Software „Turnitin“ gefunden. Insgesamt hat Weber in einem 29-seitigen Gutachten 30 Plagiatsfragmente dokumentiert. Die Diplomarbeit umfasst 107 Seiten.


Der Verfasser Peter Weidinger hat in seiner „ehrenwörtlichen Erklärung“ unterschrieben, alle „den benützten Quellen wörtlich […] entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht“ zu haben. Ein pikantes Detail: Begutachter der Diplomarbeit war der damalige außerordentliche Professor Martin Polaschek. Er ist heute Rektor der Universität Graz und war Vizerektor, als es an der Universität Graz zur Aberkennung des Doktorgrades von VP-Landesrat Christian Buchmann kam.


Irgendjemand dürfte zuvor bereits Verdacht geschöpft haben, denn die Diplomarbeit wurde bereits vor Webers Begutachtung mit der Software „Turnitin“ überprüft, so der Plagiatsforscher, der wiederholt: „Die Lehre kann nur wiederum sein, zumindest ab sofort alle Arbeiten mit Plagiatssoftware zu überprüfen, sofern dies rückblickend nicht mehr machbar ist.“ Eine verpflichtende Softwarekontrolle kommt allen Absolventinnen und Absolventen zugute. Zudem braucht es nun ein interdisziplinär angelegtes inhaltanalytisches Forschungsprojekt zur Erhebung des Plagiatsanteils in älteren Abschlussarbeiten.

Kommentare