Papierfabrik soll rauchfrei werden

Blick auf eine Fabrik am Rande einer kleinen Stadt im Herbst.
Firma verbannt Zigaretten 2014 komplett. Arbeitsrechtler sind skeptisch - was ist Ihre Meinung?

Auf Rauchpausen müssen die 480 Mitarbeiter von Norske Skog bald verzichten: Die Papierfabrik im obersteirischen Bruck an der Mur soll rauchfrei werden. Völlig, wie Unternehmenssprecher Gert Pfleger bestätigt: Nicht einmal mehr Rauchzonen am 20 Hektar großen Gelände im Freien sind vorgesehen.

Damit folge man bloß dem Vorbild des Mutterkonzerns, der solch umfassenden Rauchverbote in Norwegen und Frankreich bereits umgesetzt habe, erläutert Pfleger. Derzeit gäbe es noch „zwei Handvoll Raucherzonen“, die weggeräumt werden. Dafür sei auch schon eine Betriebsvereinbarung mit den Belegschaftsvertretern geschlossen worden.

Der Start ist noch offen, jedenfalls aber 2014. Ob es Kontrollen geben werde, könne er noch nicht sagen, betont Pfleger. „Aber es ist klar, es gibt Regeln, und die sind einzuhalten.“

Mitarbeitern würde aber auch Hilfe angeboten, generell von den Zigaretten loszukommen. „Wir sind massiv vorbereitet. Unsere Betriebsärztin hat eine spezielle Ausbildung zu dem Thema“, versichert Pfleger. „Wir haben im Vorfeld ein umfangreiches Programm erarbeitet, welche Möglichkeiten man gegen das Suchtverhalten setzen kann. Wir sind bei Bedarf auch in der Lage, Ersatzstoffe zu stellen, wie zum Beispiel Nikotinpflaster.“

Nicht haltbar

Arbeitsrechtliche Bedenken hat man in der Firma keine, die hegen dafür Juristen der Arbeiterkammer Steiermark. „Absolute Rauchverbote sind arbeitsrechtlich nicht haltbar“, bewertet Karl Schneeberger, Leiter der Abteilung Arbeitnehmerschutz. „Das halte ich für unzulässig, so leicht umsetzbar sehe ich das nicht.“ Allerdings bräuchte es da schon einen Kläger aus der Belegschaft, um dagegen vorzugehen. „Aber wer wird bei aufrechtem Dienstverhältnis schon seinen Arbeitgeber klagen?“

Erfahrungen mit einem betriebsweiten Rauchverbot mit Raucherzonen im Freien hat das Landeskrankenhaus Graz. 2007 eingeführt, wurde das Klinikum für die Initiative preisgekrönt: In den Gebäuden und am Gelände gilt Rauchverbot, außer in speziell ausgewiesenen Zonen im Freien. Die seien durchaus nötig, schildert Betriebsdirektor Gebhard Falzberger. „Ein generelles Rauchverbot ist bei uns derzeit kein Thema. Es gibt Leute, die halten es nicht aus, acht Stunden lang nicht zu rauchen.“

Als das Projekt vor sechs Jahren eingeführt wurde, kämpfte auch Falzberger mit Ressentiments. Doch das habe sich geändert: Von ursprünglich 100 Raucherzonen wurde bereits auf 50 reduziert; im Lauf der kommenden beiden Jahre soll noch einmal auf die Hälfte gesenkt werden.

„So ein Projekt geht nur gemeinsam mit der Belegschaft“, überlegt Falzberger, „und mit extremer Überzeugungsarbeit.“

Rechtsgrundlagen

Fürsorgepflicht: Eine Firmenleitung kann ein Rauchverbot auf dem Betriebsgelände verhängen, es greift das Grundrecht. Aber:
Ein absolutes Rauchverbot kennt das österreichische Recht nicht. Argumentiert wird die Maßnahme mit dem Nichtraucherschutz, doch laut Rechtsexperten haben Arbeitgeber auch eine Fürsorgepflicht gegenüber den Rauchern: Gesundheitsschutz für Nichtraucher müsse mit dem Persönlichkeitsschutz der Raucher abgewogen werden.

Kein Raucherraum: Defintiv geregelt ist der Arbeitnehmerschutz in anderen Bereichen: Sobald sich Nichtraucher und Raucher ein Büro teilen, gilt Rauchverbot. Allerdings ist die Firma nicht verpflichtet, einen Raucherraum zur Verfügung zu stellen. In öffentlichen Gebäuden gilt sowieso generelles Rauchverbot.

Rauch ist Geld. Wo wüsste man dies besser als in den USA? Forscher der Ohio State University fanden heraus, dass Raucher ein Unternehmen im Durchschnitt etwa 6000 Dollar (4600 Euro) mehr im Jahr kosten als Nichtraucher. Der größte Kostenbrocken sind dabei die Rauchpausen mit 3000 Dollar im Jahr. Aber auch bei den Fehlzeiten wegen Krankenstand sowie der „allgemein verminderten Produktivität aufgrund der Nikotinsucht“ schneiden Raucher im Vergleich zu Nichtrauchern schlechter ab. Rein statistisch gesehen natürlich.

In den USA fordern Unternehmen bereits eine Zusatzbeteiligung für Raucher bei der Krankenversicherung, stellen Raucher gar nicht erst ein oder verpflichten sie zur Zwangs-Entwöhnung. Österreich sei diesbezüglich noch ein „Raucher-Paradies“, meint Produktivitätsberater Alois Czipin, doch auch hierzulande sei ein Umdenken spürbar. „Dass Raucher einen Betrieb im Jahr 4600 Euro mehr kosten als Nichtraucher, halte ich für übertrieben, aber so fünf bis zehn Prozent werden es schon sein“, schätzt Czipin. Zigarettenpausen würden eben Zeit und damit auch Produktivität kosten, „dies sagt einem schon die Logik“.

Der Wirtschaftskammer (WKO) sind diese „unproduktiven Zeiten“ schon länger ein Dorn im Auge. Im Februar präsentierte sie eine IMAS-Studie, wonach immerhin ein Viertel der Arbeitszeit gar nicht gearbeitet werde. Während der Arbeitgeber für die gesamten 260 Arbeitstage das vertraglich vereinbarte Entgelt leiste, erbringe der Arbeitnehmer im Schnitt an nur 191 Arbeitstagen seine vertraglich vereinbarte Arbeitsleistung, klagte WKO Oberösterreich-Chef Rudolf Trauner. Private Tätigkeiten während der Arbeitszeit, worunter neben Privat-Telefonaten auch Rauchpausen fallen, würden sich laut Studie auf 14,3 Arbeitstage im Jahr summieren. Die Gewerkschaft wies die Studie empört zurück. Die WKO setzt dennoch alles daran, die Netto-Arbeitszeit zu erhöhen.

Unkollegial

„Die Zeit der Rauchpause ist keine Arbeitszeit“, stellt Martin Gleitsmann von der Abteilung Sozialpolitik in der WKO klar. Lange Rauchpausen seien auch unfair gegenüber den nicht rauchenden Kollegen. Immer mehr Unternehmen würden daher Anreize für ihre Mitarbeiter schaffen, sich das Rauchen abzugewöhnen. Dazu beigetragen hat wohl auch der strengere Nichtraucher-Schutz , der die Debatten über qualmende Kollegen anheizte und die Toleranz sinken ließ.

Grundsätzlich könne ein Arbeitgeber Rauchpausen generell verbieten, sagt Arbeitsrechtsexperte Wolfgang Mazal vom Institut für Arbeits- und Sozialrecht. Lediglich bei „schweren Entzugserscheinungen“ sei in Ausnahmefällen eine – unbezahlte – Arbeitsunterbrechung aus Gründen der Fürsorgepflicht geboten. Auch ein Abzug der Rauchpause vom Lohn ist grundsätzlich erlaubt.

Stechuhr

So müssen etwa die Beschäftigten des Kärntner Autozulieferers Mahle vor und nach der Rauchpause zur Stechuhr. Die „Raucher-Regel“ sorgte zwar kurz für Wirbel, wird aber akzeptiert.

Während in anderen europäischen Ländern, etwa Dänemark, das Arbeitsrecht bezüglich Rauchpausen bereits verschärft wurde, sieht Mazal für Österreich keinen Regelungsbedarf. Er setzt lieber auf Bewusstseinsbildung. „Es muss sowohl Führungskräften als auch Mitarbeitern klar sein, dass Arbeitszeit nicht mit Rauchen vergeudet werden soll“.

Auch Unternehmensberater Czipin hält nichts von Repressalien – „je weiter das Raucherkammerl weg ist, desto größer wird die Fehlzeit“ – sondern empfiehlt Betrieben, die keine Kettenraucher haben wollen, schon beim Einstellungsprozess darauf zu achten.

Wer zu viel qualmt, riskiert Jobverlust

Pausenregelung Arbeitnehmer haben keinen Anspruch auf Rauchpausen, wohl aber auf die gesetzlichen Ruhepausen (30 Min. bei mehr als sechs Stunden Arbeit). Arbeitgeber können Rauchpausen verbieten, aber auch ausdrücklich erlauben. (Betriebsvereinbarung) Eigenmächtige Rauchpausen, die eine erhebliche Arbeitszeitversäumnis darstellen, können Entlassungsgrund sein.

Lohnabzug Da Rauchpausen eine Arbeitsunterbrechung darstellen, können sie prinzipiell auch vom Lohn abgezogen werden oder als Freizeit gerechnet werden. Durch den gesetzlichen Nichtraucherschutz besteht am Arbeitsplatz, der von Rauchern und Nichtrauchern gemeinsam genutzt wird, ein absolutes Rauchverbot, ohne dass dies angeordnet werden muss.

Kommentare